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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 8 (2. Januarheft 1913)
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Seyfert, Richard: Hoffnungen und Wirklichkeiten: zum sächsischen Volksschulgesetze
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0129

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ws irgend möglich — auch weitergchrudr Bilduugsbedürfuisse Lesriedigen; zu
diesem ZweSe soll in ihr eine sogen-nnte höhere v-lbteilnng gebildet werden,
die in der Regel mit dem fünften, frühestens absr mit dem dritten Schul-
jahre beginnen soll. Die rechte Partei sordert eine nach dcm Schulgelde er-
folgende Zweiteilung der Schule. DaZ ist natürlich das Gegenteil der all-
gemeinen Volksschule. Und es wurde in dem Vereinigungsv.rfahren mit
Recht darauf hingewiesen, daß es in dieser Frage nur ein Entweder-Oder,
keine Vermittlung gibt. Die Frage der allgemeinen Volksschule wird immer
mit der dcs Schulgeldes verkoppelt sein. Sachsen hat noch den Schulgeld-
zwang, den die Erste Kammer beibehalten wollte; der Regierungsentwurf
wollte den Gemeinden überlassen, Schulgcld zu erheben oder nicht; die libe-
rale Mehrheit forderte Schulgeldfreiheit. In dieser Frage hätte man sich auf
den Regierungsentwurf einigen können, wenn nicht die Frage der allge-
meinen Volksschule hereingespielt hätte. Die Erste Kammcr gestand diese
nicht zu, und die von ihr vorgeschlagene Lösung, für die allgemeine Volks-
schule die Schulgelderhebung den Gemeinden freizugeben, für die höhere
Volksschule sie aber vorzuschreiben, war für die Liberalen unannehmbar.
Sie haben die fakultative Beibehaltung dcs Schulgeldes zugestanden, forder-
ten aber, däß dieses — zwar nach dem Einkommen abgestuft aber für
beide Abteilungen der Volksschule gleichhoch sein müsse. Es ist nicht
zweifelhaft, daß in bezug auf die allgemeine Volksschule ein Deil der
Konservativen, vor allem die, die ländliche Kreise vertreten, zu Zugeständ-
nissen bereit gewesen wäre; in diesem Punkte aber haben die Vertreter der
GroßstLdte widerstanden. Eine Einigung war unmöglich.

Die drei Hauptfragcn, die im Vereinigungsverfahren behandelt worden
sind, erschöpfen nicht, was bei einer neuen Schulgeseßgebung grundsätzlich
zu regeln ist; aber sie bilden doch den Kern des Ganzen. Auf sie muß
darum das Augenmerk besonders gerichtet werden, wenn der Boden für
ein späteres Gesetz bereitet werden soll. Ein solches wird ja kommen,
es muß der Gegenwart angepaßt sein und der Zukunft Wege weisen. Das
heißt aber: es muß liberale Forderungen erfüllen. Niemand wird dem
Umsturz auf dem Gebiete der Volksschüle das Wort reden, und wie nnn
einmal die Verhältnisse liegen, muß der konservativen Minderheit Rech-
nung getragen werden; aber der Fortschritt muß doch in der Richtung
liegen, in welche die Forderungen der liberalen Mehrheit den Weg weisen.

Mit dem Scheitern der Verhandlungen im Landtage ist nun die An-
gelegenheit der Öffentlichkeit zurückgegeben worden; die geistig führenden
Schichten des Volkes müssen sie weit'er verfolgen, müssen einem späteren
Gesetze den Boden bereiten helfen. Das kann nnr geschehen, wenn das
erwachte Interesse nicht wieder einschläft, wenn die Volksschule wirklich zu
einer Volkssache wird. Das soll aber nur geschehen mit dem Wunsche
einer tatsächlichen Verständigung, die freilich nur möglich ist, wenn die
extremen Rufer im Streite schweigen, wenn Grmrde und nicht Vorurteile
entscheiden, wenn Maß gehalten wird vor allem auch in der Form der
Kritik. Die Lösung der Grundfragen muß dadurch vorbereitet werden,
daß maßgebende Faktoren praktische Versuche anstellen. Das ist möglich
auch bei den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen.

Es ist eine gewalttätige Lösung der Religionsfrage, wenn man den
Religionsunterricht einfach aus der Schule herausnimmt und der Kirche
überweist. Das Problem selbst ist doch damit gar nicht berührt. Ander-


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