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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI issue:
Heft 9 (1. Februarheft 1913)
DOI article:
Avenarius, Ferdinand: Zum Fall Kotzde
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0226

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diese Sache setzen, werden es tzerrn Avenarius nicht vergessen, daß er der
vaterländischen Iugendpflege in den Rücken fiel." Bravo, das nenn ich
echt Kotzdesche Polemik! Schade nur, daß mir ausgesucht zn diesem
Aufsatz znstimmend geschrieben haben — Emil von Schenckendorff und der
Generalfeldmarschall von der Goltz!

Als zweites Dokument liegt vor eine Kundgebung von l 0 H Prnfungs-
Ausschüssen deutscher Lehrer gegen Kotzde und Scholz. „Aus Aberzeugung
heißen wir die Maßnahmen des erprobten Hamburger Vorortausschusses
gut und sprechen ihm unser vollstes Vertrauen aus."

So wird, um Kotzdes vaterländische „Sache" zu retten, wohl nichts
übrigbleiben, als: mit dem Dürerbund, Schenckendorff, von der Goltz,
den Hamburgern und mir, alle diese deutschen Lehrer einer geheimen sozial-
demokratischen Propaganda zu denunzieren.

Auch sonst treibt es unser Mann weiter, wie bisher. Er unterbreitet den
Lesern Einzelbehauptungen, die der Leser nicht oder nur so schwer kontrol-
lieren kann, daß man mit diesem unwahrscheinlichen Falle kaum zu
rechnen braucht. Unter diesen Einzelbehauptungen wohl auch solche, über
die man verschiedener Ansicht sein mag. Aus ihnen wird dann eine
Meinung abgezogen, die ihrerseits auf die gesamte Tätigkeit der Ange-
griffenen verallgemeinert wird. Alle andern Einzelfälle jedoch, alles
überhaupt, was in den Kotzdeschen Kram nicht paßt, wird beiseitgelassen.

Seit zwanzig Iahren arbeitet in Hamburg ein Kreis von Männern
daran, das „Elend der Iugendliteratnr", wie es Wolgast mit vollem Recht
nannte, zu beseitigen, das nationale Magenverderben mit Süßbrei, das
Verfetten durch Schwnlst und Phrase, das Schwächen durch Selbstlob und
Selbstgerechtigkeit. In unermüdlicher Arbeit gedieh nnd gedeiht dieses im
allerheiligsten Sinne nationale Werk. Dem Fleiß, der Sachkenntnis und
dem begeisterten Ernst vor allem dieser Männer gelang es, die gute Presse
zur Mithilfe zu gewinnen, cigene Blätter dafür wurden gegründet, in
hundert Städten traten die Lehrer in den Streit. Neue Iugendbüchereien
kamen heraus, die ohne Rücksicht aufs Geld das Gute brachten und bringen,
und sie können sich halten. Die Frage der gediegenen Iugendschrift ward
nach und nach in den weitesten Kreisen in ihrer Wichtigkeit erkannt, sie
ward eine allgemeine Forderung der nationalen Bildung. Da kommt
Herr Kotzde, dessen Schriften die Hamburger zum Teil ablehnen. And tritt
feurig als Vaterlandsretter auf: Die Hamburger Lehrer trieben sozial-
demokratische Propaganda. Für jeden, der ihre Arbeit nicht aus heraus-
präparierten Einzelheiten, sondern als Ganzes kennt, ein schlechterdings
absurder Gedanke. Aber Kotzde lehrt eben das Ganze nicht kennen.

Ich richte an ihn ein paar einfache Fragen:

Glanbt er, ja oder nein, daß die Gesamtarbeit der Hamburger
zum Guten war oder nicht?

Glaubt er, ja oder nein, daß wir ohne die Hamburger in der Iugend-
schriftenbewegung anch nur annähernd erreicht hätten, was wir erreicht
haben?

Glaubt er, ja oder nein, daß das, was er selbst an Nützlichem unter-
nehmen konnte, ohne die Hamburger Arbeit möglich gewesen wäre?

Wenn er däs alles nicht glaubt, so hat er immer noch, versteht sich,
das Recht, in Einzelfällen gegen hamburgische Rrteile vorzugehen, wie ich
selbst das, trotz unsrer „Parteiischkeit" getan habe. Aber nie und nimmer

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