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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 8 (2. Januarheft 1913)
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Rath, Willy: Vom Mimenparlament und vom Bühnengesetz
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0118

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der rrissenfeindliche Hauptausschuß und der gleichgesinnte Anfsichtrat der
Pension-Anstalt zu stürzen seien oder nicht, eher känne man nicht mit
vereinten Kräften soziale Arbeit leisten.

So nahm denn das Werk der Klärung seinen Lauf. All die widertoärtig
und unersprießlich kleinen persönlichcn Strcitereien, die sich schon jahre-
lang in den öffentlichen und nicht-öfsentlichen Verhandlungen und Druck-
sachen der Genossenschaft breit machten, wurden wieder aufgenommen,
gemehrt, verzerrt, vergröbert, zersplittert. Der Kampf der Meinungen
— um nichts — führte mehrfältig zu urgewaltigem, durchaus-nicht-enden-
wollendem Getöse. Lange Minuten, Viertelstunden lang schrien all die
stimmbegabten und stimmgeübten Delegierten durcheinander, arbeiteten
verzweifelt mit Mienenspiel und weitausholenden Gebärden, sprangen an
den Höhepunkten der Lrörterung auf Stühle und Tische. Die Zuschauer,
meist vom Volk der Delegiertenwähler, blieben auch nicht teilnahmlos.
So vergingen die kostbarsten Stunden der paar Verhandlungtage unter
Klatsch und Tratsch und bösem Zank. Es ist offenbar, und viele ver-
nünftige Künstler geben es offen zu: diese Herrschaften (die an Zahl ge-
ringen, an Redelust riesengroßen Damen unter den Delegierten erst recht)
brauchen die höchstgesteigerte Erregung und die Sffentlichkeit der Ver-
handlung. Sie müssen Pathos geben dürfen und Publikum haben, wenn
sie mit aller Hingabe — eine Rolle spielen sollen. Es fällt ihnen beim
allerehrlichsten Willen ungeheuer schwer, von der eignen Sache und der
Einzelheit abzusehen und das Ganze sachlich ins Auge zu fassen. Keiner,
der nicht redlich anfinge: man müsse sachlich werden, müsse klären; und
so komme man nicht weiter, und er, Redner, sei der letzte, der Klatsch und
Lratsch möchte. Aber kaum ein einziger auch, der nicht bald dann doch
in eine Sackgasse geriete und sich in die eigne Beredsamkeit verliebte.
Einem unparteilichen, unbenommeuen Freund der Bühnenkünstlerfache
mußte angesichts dieser Tagung endgültig klar werden, daß das Parla-
mentspielen bei den Mimen (übrigens nicht ausschließlich bei den Be-
rufsmimen!) keinen Sinn und vor allem keinen Nutzen hat.

Die „Klärung" ward ja diesmal zu guter Allerletzt wirklich erreicht. Der
Präsident und seine Stützen vermochten die Auklagen der Gegner zu
entkräften. Die gesamte Opposition in den Vorstandskörpern trat vom
Schauplatz ab. Doch wurde dieser Sieg der Partei Nissen immerhin nicht
ohne Opfer erkauft. Die Genossenschaft verlor Mitglieder, die teilweise
befähigt waren, ihr noch gute Dienste zu leisten. Der Unfriede in der
Genossenschaft und in vielen ihrer Ortsgruppen dauert fort. Auf dem
Präsidium liegt nun noch die Aufgabe, einer verhängnisvollen Spaltung
vorzubeugen, eine dauerhafte Versöhnung zum Zweck fruchtbringender
Lätigkeit herbeizuführen. Die Lrfahrungen bis hieher werden den fähigen
und selbst nach dem Nrteil mancher Gegner unersetzlichen Präsidenten
gelehrt haben, daß er sorglicher als früher mindestens den Schein absolu-
tistischen Verfahrens zu meiden hat. Gänzlich ohne Nrsache pflegt so ein
Krieg nicht zu entstehen. Daß nicht nur sachliche Mittel zum Niederringen
der Opposition verwendet wurden, mag durch die Nücksichtlosigkeit der Geg-
ner als entschuldbar erscheinen, darf aber nicht wieder vorkommen. Eine Ge-
nossenschaft wie diese braucht keinen Widerhall politischen Treibens. Ihre Ver-
waltung-Angelegenheiten sind ständig durch ein Zusammenwirken weniger
Vertrauensleute zu erledigen. Und wer für die Förderung der gemein-


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