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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 8 (2. Januarheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0154

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rurd Niedergang, denkend und ent-
sagend! Gelasscnhert und Klngheit
bestimmten ja auch all sein poli-
tisches Verhalten: den festen Ent-
schluß, wenn er geboten war, aber
so lange wie möglich die Zurück-
haltung, nnd immer den Fleiß in
Kleinarbeit. Dafür dankt ihm
Bayern. Was er als eine Kern-
menschenpersönlichkeit war, wel-
cher Scheinwerte nichts als Werte
gelten, dafür werden ihm über die
Kreise der Politiker hinaus alle
noch lange danken, die den erziehe-
rischen Wert solch weit sichtbaren
Beispiels für ein Volk zu schätzen
wissen. A

Kriegt oder krigt rnan?

^>-ch habe in der Korrektur meines
«L^vom Dürcrbunde veröffentlichten
Weihnachtsspiels die Verbalformen
„krigt, krigte, gekrigt" (Infinitiv
„kriegen") vorgeschrieben, trotzdem
das gegen die ofsizielle Orthographie
verstößt. Die Formen mit „ie" be-
deuten nämlich etwas anderes, sind
in der hier gemeinten Bedeutung
falsch, und man ist doch wohl nicht
verpflichtet, behördliche Sprachfeh-
ler mitzumachen. Gleich manchem
andern deutschen Verbum hat auch
„kriegen" im Lauf der Zeit dop-
pelte Konjugation angenommen, je
nachdem es in transitiver oder in-
transitiver Bedeutung gebraucht
wird. Intransitiv bedcutet es „Krieg
führen" und wird schwach konju-
giert,also ohne Umlaut (kriegt, kriegte,
gekriegt); transitiv bedeutct es „er-
halten, erlangen, bekommen" und
wird stark konjugiert, also mit
Umlaut (krigt, krigte, gekrigt).
Es ist derselbe Verkürzungsum-
laut wie in „mögen, mochte,
gemocht", nur daß die Verkürzung
von ö in o deutlicher ins Ohr fällt
als die von ie in i. In der süd-
deutschen Aussprache ist allerdings
auch bei der transitiven Bedeutung

die schwache Konjugation (ie) noch
üblich, aber in Nord- und Mittel-
deutschland hat sich der Unterschied
zwischen „kriegt" und „krigt" all-
mählich scharf herausgebildet, und
nach den Gesetzen unsrer Sprach-
entwicklung müssen wir diesen
Unterschied auch in der Rechtschrei-
bung zum Ausdruck bringen. Denn
erstens ist die norddeutsche (soge-
nannte hannöversche) Aussprache
nach allgemeiner Abereinkunft für
ganz Deutschland maßgebend gewor-
den, und zweitens ist unsre Schrift-
sprache von Hause aus ein nord-
deutscher oder doch mitteldeutscher
Dialekt. Auch andre verkürzte
i-Laute werden ja in Süddeutschland
lang ausgesprochen, zum Beispiel
iech odcr iach statt ich, ohne daß
sich die Rechtschreibung danach rich-
tet; also müssen wir darauf be-
stehen, daß der Umlaut von „krie-
gen" endlich sein Recht krigt.

Dehmel

Seume

Zum 150. GeburtsLage

enn wir der Helden von (8(5
gedenken, dann gebührt auch
den Persönlichkeiten und Lharak-
teren ein Blick, die in der Zeit vor-
her, in der Friderizianischen, in
ihrem Leben und Wesen die sittliche
Haltung der Befreiungskriege
gleichsam vorbereiteten. Einer der
ausgcprägtcsten und stärksten Eha-
raktere unter diesen Hclden des älte-
ren Bürger- und Bauertums, einst-
weilen noch nur ein Held im Er-
tragen absolutistischer Willkür, ohne
die Möglichkeit zu 'fruchtbarem
Kampf für ein freies Vaterland,
abcr doch schon ein getreues Vor-
bild jenes Geschlechtes, das dann
dem Wirken Fichtes, Steins, Arndts
Kraft und Widerhall gab, ist Io-
hann Gottfried Seume. So auch,
als ermutigendes und kräftigendcs
Bild, hat scin Leben, nur zum klei-

2. Ianuarheft (9(3 (2I
 
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