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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 9 (1. Februarheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0263

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das Holz „ausschlage", das noch
„grün", das lebendig ist. Daß die
Frischen und Vernünftigen unter den
Iungen durch kein Nasenrümpfen
und Achselzucken töchterunterbrin-
gender Mamas sich abhalten lassen,
bei ihrer Amüsier-Mechanisierung
nicht mitzumachen. Und wenn die
Mamas tausenderlei andres besser
verstehn — wie sie selber, die Iun-
gen, am vergnügtesten sind, das ver-
stehn sie selber am besten. Es han-
delt sich ja nicht um Lebensernst bei
dieser Opposition, es handelt sich
um harmlose Sachen. Minderheiten,
die treulich und nicht überheblich
zusammenhalten, können oft in
einer Stadt, in einem gewissen Ge-
sellschaftskreise starke Wirkungen
üben, auch wenn sie jung sind, und
solcher Erziehung durch ihre
Kinder werden sich gescheite Eltern
gern und heiter fügen. In ein, zwei
Wintern hat sich vielleicht das Blatt
gewendet, und die nasenrümpfenden
Mamas, die ihren Töchtern die
Tänzer bezahlen, sind unmöglich.
Einfache und geschmackvolle Klei-
dung, schlichteste Aufmachung,
zwanglose Form, Maßhalten in der
Dauer und Häufigkeit der Veran-
staltungen (die möglichst alkoholfrei
sein sollten!), Vermeidung jedes
leeren Aufwands, Herzlichkeit statt
Tadellosigkeit und Blasierttun: dies
alles muß, wenn es nur ohne alle
Zugeständnisse an repräsentations-
bedürftige Lltern durchgeführt wird,
den Sieg bei gesunder Iugend er-
ringen. Wenn wir nicht bei den
Werdenden anfangen, werden wir
nie eine erträgliche Geselligkeit der
Erwachsenen bekommen. Die Lltern,
die nicht lau sind und nicht so
dumm, sich unter die Torheiten der
Mode zu ducken, werden nicht nur
den eignen Kindern, sie werden
unsrer ganzen gesellschaftlichen Kul-
tur einen Dienst erweisen.

Hermann Ullmann

2(2

Kartoffelkomödie

^»-n jedem gesunden Kind steckt ein
Okleiner Schauspieler. Alle Ein-
drücke, die es aufnimmt, gibt es im
Spiele, indem es sich in irgendeins
Rolle versetzt, wieder. Da ist nichts,
was so ein kleiner Lausendkünstler
nicht darzustellen unternähme: der
Vater, die Mutter, der Hund, das
Pferd, der Wagen, die Eisenbahn,
das Telephon, Lebendiges und
„Totes'' ohne Unterschied, alles
„wird gespielt". Der Erzieher findet
in dieser Fähigkeit des Kindes, in
der Nachahmungstrieb und Phan-
tasie sich auswirken, den besten Auf-
schluß darüber, wie weit die geistige
Entwicklung des Kindes gediehen
ist; und hier hat er zugleich eine
vorzügliche Gelegenheit, diese Ent-
wicklung zu fördern. So ist auch
das Kindertheater gemeint: es soll
das Kind nicht nur als Zuschauer
behandeln, sondern auch zum Mit-
wirken, zum Nachahmen, zur eige-
nen Tätigkeit anregen. Darin be-
steht des unverwüstlichen Kasperl
Allgewalt über die Kinderherzen:
seine Streiche, Späße, Schlauheiten,
verschmitzten Fragen und Nätsel,
seine weisheiterfüllten Selbstge-
spräche und die innige Verbindung,
in der er mit dem Publikum steht,
fordern ja ununterbrochen zum
Mithandeln auf. „Kasperle als Er-
zieher."

Ein hübsches Beispiel, wie Kas-
perl und seinesgleichen mit ganz
einfachen Mitteln in die lebendigste
Wirksamkeit zu versetzen seien, bot
der Münchner Lehrerinnenverein
in seiner vorjährigen Spielzeugaus-
stellung. Aus Sellerie, Rüben, Kar-
toffeln und Nettich hatte Professor
Bradl* höchst ausdrucksvolle Köpfe
geschnitzt, farbige Taschentücher lie-

* nicht H. Adam, wie auf der
Illustrationsbeilage infolge eines
Irrtums zu lesen ist.

Kunstwart XXVI, Z
 
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