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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 10 (2. Februarheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0348

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baumpflege, zu, guter Lektüre an-
geleitet. Sie hat zur Bekämpfung
der Luberkulose und der Säug-
lingssterblichkeit beigetragen, iudem
fie sich mit den Frauenvereinen
in Verbinduug setzte und diese zur
Anstellung von Haus- und Wochen-
pflegerinnen, zur Einrichtung von
belehrenden Kursen anregte. Bei
der Tnberkulosenfürsorge bemühte
sie sich, den Patienten klarzu-
machen, daß die Erfolge der Heil-
stättenbehandlung nicht auf dem
Gebrauch von Arzneien beruhen,
sondern auf der Anwendung der-
jenigen Mittel, die sich jeder anch
zu Hanse dienstbar machen könne,
nämlich Licht, Luft, Sonne, Was-
ser, Sanberkeit, Ruhe, zweck-
mäßige Ernährnng. Die Tnberku-
losen- und die Säuglingsfürsorge
gehören nach der Meinung der
Wormser Jnspektorin zu den not-
wendigen Anfgaben der Wohnungs--
aufsicht. So hat sie auch vielfach
erfolgreich für das Selbststillen der
Mütter gewirkt, das Vorurteil be-
kämpft, daß Alkoholgennß die
Stillfähigkeit erhöhe. In einigen
Familien hat sie, ohne daß die
Leute es merkten, eine Art Schutz-
aufsicht ausgeübt, hat in manchen
Fällen die Kinder anderswo unter-
gebracht, wenn die Gefahr der Ver--
wahrlosung drohte. Besonders
arbeitete sie dem überall herr-
schenden Wunsche der Eltern ent-
gegen, die Kinder nach dem Ver-
lassen der Schule gleich verdienen
zu lassen, und regte namentlich
die Töchter zum Besuch von Schu-
len an. Wo irgend möglich, suchte
sie die heranwachsende Iugend der
ländlichen Arbeit zu erhalten: die
Wohnungspflege auf dem Lande
bedeutet ja eins der wichtigsten
Wittel, um der Landflucht zu
steuern.

Wenngleich die Tätigkeit der
Wormser Wohnungsinspektorin sich

hauptsächlich auf ländliche und
kleinstädtische Verhältnisse bezieht,
so darf sie doch auch für die Groß-
ftadt als vorbildlich gelten; freilich
wird eine stärkere Spezialisierung
und Arbeitsteilung nötig sein. Das
Hauptgewicht wäre hier auf ein
gedeihliches Zusammenarbeiten zwi-
schen der Wohnungsinspektorin und
den übrigen Organen der Wohl-
fahrtspflege zu legen. Gerade die
Wohnungsaufsicht in der Großstadt
wäre die geeignete Instanz, um
Wißstände aufzudecken und um zu
beurteilen, wo die Armenpflege,
die Schnlspeisung, die Fürsorge-
erziehung, der Säuglings- und
Möchnerinnenschutz einznsetzen hätte.
Die öffentlichen wie die privaten
Einrichtungen der Wohlfahrts-
pflege kranken vielfach an dem
Mißstand, daß ihnen die Hilfs-
bedürftigen nicht rechtzeitig genug
bekannt werden und ihre llnter-
stütznng zu spät eiusetzt. Eine
wohlorganisierte Wohnungsaufsicht,
unter Mithilfe gebildeter weiblicher
Beamter, würde am ehesten das
Ziel erreichen, das dem Ministe-
rialdirektor Or. Rumpelt in Dres-
den vorschwebte, als er bei der
Eröffnung der Hygiene-Ausstellung
vor zwei Iahren zu Dresden sagte:
„Ohne einen gewissen Zwang der
öffentlichen Verwaltung in Staat
und Gemeinde werden wir anf dem
Gebiet der Hhgiene nicht auskom-
men, die llnwissenheit, Lrägheit,
Nachlässigkeit und den herkömm-
lichen Schlendrian nicht überwin-
den können. Aber das letzte Wort
ist die Zwangshygiene sicher
nicht; die öffeutliche Gesundheits-
pflege muß, wenn wir eine ge°
wisse Vollkommenheit darin er-
reichen wollen, zur Volkssitte
werden, sie muß als Lebens-
notwendigkeit empfunden
werden." Anna Pappritz

283 Kunstwart XXVI, sO
 
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