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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 12 (2. Märzheft 1913)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0502

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nichts ist als Sinnengenuß, keine Erhöhung unserer Geselligkeit, keine
Steigerung herzlicher Fröhlichkeit. Wenn darin nicht nnsere gemüt-
lichen Beziehungen einen erhöhten und belebten Ausdruck finden, dann
kann man nicht von Erfreuen des Herzens reden, dann sind wir nichts
als ungesellige Weinsäufer ohne Mahrheit und Würde edleren Menschen-
tums. Nur wenn die frohen Feste auf die sauren Wochen folgen, wenn
die schöne Form, der begeisternde Wein der Widerschein eines kämpfen--
den, nach höherem Lebensinhalt ringenden Wesens ist, dann ist unsere
Geselligkeit geweiht und würdig. Aber wie vielen sind die geselligen
Formen nichts als leere Formen, nichts als Muß und Pflicht, statt
herausgestaltet zu sein aus dem Drange sympathischer Seelen, sich anderen
darzustellen und in der Gemeinschaft die Lebensfreude zu erhöhen. Necht
und Würde gewinnt der schöne Aberfluß, die siunliche Freude immer
nur, wenn sie die Ruhepunkte, die Pausen eines kämpfenden, strebenden
Lebens erfüllt und weiht. — Lassen wir uns doch nicht anstecken von
den nüchternen Nützlichkeitsnörglern! Das ist eine Sorte Menschen, mit
denen unser Herr und Meister am wenigsten Gemeinschaft hielt. Er
hielt es mit jenen großzügigen und warmherzigen Geistern, mit jener
Frau, die alles, was sie hatte, verschwendete, um den tiefen Ausdruck
ihrer Dankbarkeit zu erweisen. Er liebte die Kinder, die wahrlich nicht
entsagungsfroh sind, er liebte sie freilich nicht, wenn sie nur auf das
Eigene bedacht waren, wohl aber, wenn sich mit dieser harmlosen Genuß--
freudigkeit der Sinn verband, der gern erfreut. Was ist lieblicher als
ein Kind, das mit der einen Hand die anziehende Gabe in seinen eigenen
Mund und mit der anderen in den Mund der kleineren Schwester steckt?
So sollen auch wir unser Leben führen.

Baumgarten, Altes und Neues

^hr sagt: ja solleu wir denn nicht alle Menschen unserer Erde lieb-
Llhaben? Ist es nicht etwas Engherziges und LLcherliches, seine Liebe
auf die Volksgenossen beschränken zu wollen? Steht nicht sogar in der
Bibel: in Christo gibt es weder Iude noch Grieche? Gewiß, und niemand
hat es besser gewußt als Iesus, daß Gottes Ziele hoch hinausgehen über
das eine Volk Israel. Ilnd doch hat er sein Volk so liebgehabt, hat sich
fast ängstlich auf sein Volk beschränkt, um zunächst einmal ihm zu
helfen, seine Aufgabe zu lösen, um zunächst einmal in ihm den Willen
Gottes zu verwirklichen! Ob es jemals dahin kommen wird, daß die
Menschen alle auf Erden eine einzige große Familie bilden, steht dahin.
Aber kein Zweifel ist darüber, daß Gott uns zunächst hineingestellt hat
in unser deutsches Volk, daß unser deutsches Volk noch große Aufgaben
zu lösen hat, gerade auch religiöse Aufgaben, für die es uns braucht,
daß alle unsre Lebensaufgaben hier in diesem Volk liegen, und
daß Gott selbst uns so deutlich als nur möglich zuruft: tzilf mit — bei
aller Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit gegen andere Völker —, daß zu--
nächst in deinem Vaterland Iesus die Seele deines Volkes werde! Es
mag uns dabei ein wirklicher Lrost sein, daß selbst der, dessen Erlösung
und Liebe der ganzen Welt galt, sich doch zunächst und vor allem seinem
eignen Volk widmen mußte. Geyer und Rittelmeyer

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Kunstwart XXVI, s2>
 
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