Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1923)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Albert Trentinis "Goethe"
DOI Artikel:
Trentini, Albert von: Aus Albert Trentinis "Goethe"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0117

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
allen Seligkeiten und Qualen Himmels und der Hölle, selbst jenseits der
jubelvollsten Erweckung kein anderes Schicksal findet als das, sich schaffend
hinzugeben ohne Dank, ohne Hoffnung, ohne Gewinn und ohne Lust. Die
Welt wohl zu erobern, wie es ihm die Ieit der Erweckung vorgespiegelt hat,
doch nicht zu besitzen. tzineinzuwachsen in die Gemeinschaft der Aberzeit»
lichen, 'die sich über Iahrhunderte hin ihre Urworte zurufen und unter den
Lebendigen einsam sind. Diesen einfachen, zwar so unsäglich leicht mit einer
Formel gezeichneten, doch anscheinend so unendlich schwer darzustellenden,
diesen tragischen Goethe hat uns Trentini endlich wiedergegeben. Und ohne
eine einzige seiner Irrungen zu leugnen, ohne einen einzigen Zug falscher
Verherrlichung zu zeichnen, gewinnt er ihm reinere, würdigere Liebe als
alle jene Anhimmelei und jene wortreichen Deuterkünste, welche die Bio-
graphen aufwandten. Ich wenigstens bekenne: schwerlich glaubte ich vordem,
noch von Goethe eine glühendere und reinere Auffässung zu finden als meine
war. Doch als ich diesen Roman kennen lernte, war mir, als sei der letzte
Nebel von dem Bild des hohen Mannes geschwunden. Ls steht nicht im
Lichte fragwürdiger Göttlichkeit, es ist nicht bestaubt von gleichgültig-Ver-
gänglichem,- aus dem Geist geboren, bleibt es dem Geist eingebrannt als
lebendiger Begleiter und weltwissender Wegbereiter.

Wolfgang Schumann

Aus Albert Trentinis ^Goethe"

sWir veröffentlichen im Folgenden als Probe aus Trentinis «Goethe^
das Kernstück des Nausikaa-Kapitels, von dem in unserem Aufsatz über den
Roman die Rede ist. Zum Verständnis des Kernstückes ist nicht viel zu
wissen notwendig. Goethe hat „Nausikaa", die Tochter des Palazzo Friglia,
einige Tage vorher an einer andern Stelle Siziliens zum ersten Male ge-
sehen. Unentrinnbarer Zwang hat ihn hingetrieben in ihre Heimat, treibt
ihn, den Unbekannten, nun in ihr tzaus. Damit beginnt das Stück.

Das ganze Kapitel ist ein selbständiger, für sich verständlicher Teil des
Romans und als solcher besonders erschienen: Trentini, Nausikaa, Verlag
Georg D. W. Callwey, München s923.^

ls der Nachmittag Abend wurde, erhob er sich aus dem Gebüsch, das
I die Ruine des Iunotempels umwuchs, und begann in die Stadt zurück-
^d^zusteigen. Warum aber — immer wieder, wie ein Nachtwandler, der
vergeblich zu erwachen sucht, blieb er stehen — schlug das tzerz jetzt so rasend?
Welcher Geist in ihm drin warnte atemlos: Du täuschest dich! Du bist
in Girgenti! Der Maler und der Geistliche erwarten dich im Quartier des
Nudelmachers! Und welcher andere in derselben Brust drinnen flüsterte
unbändig verführend: laß dich nicht irre machen! Du bist erwartet! Es
erwartet dich! Frage nicht, was „es" ist, du mußt es durchleben! Zu
magischem Chor zusammen erklangen die Glocken des Doms, als er in der
Gasse eintrat, die den Palast trug. Zögernd, in Absätzen, schritt er an
den Palast Heran. Plötzlich, mit knappem Schlag, ließ er den Pocher ans
Tor fallen. Im Nächsten Augenblick — oder war eine Ewigkeit seitdem
vergangen? — wandelte er an der -Seite des tzausherrn durch den Garten.
Und nun ging der Puls ganz gemächlich. Ganz klar wußte er: Der Mann,
der mich da, wenn auch freundlich, so doch zurückhaltend aufgenommen hat,
ist ein reicher Landbesitzer und tzändler meines Iahrhunderts. Die Matrone,
die, auf Geheiß dieses Mannes, nicht in freudiger, sondern gebotener Gast-
 
Annotationen