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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI issue:
Heft 5 (Februarheft 1923)
DOI article:
Alsberg, Paul: Menschheit-Rätsel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0232

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terscheidet sich die durch beide bewirkte Art der Körperausschclltung wesent«
lich voueinauder, obwohl jedesmal die Sinnesorgane der ausgeschaltete
Teil des Körpers sind: das Wort schaltet die Sinnesorgane hinsichtlich der
Anschamrng eines konkreten Gegrnstandes aus, indem es denselben zur an^
schaulichen Vorstellung bringt; der Begriff schaltet die Sinnesorgane hinsicht^
lich vieler durch ein gemeinsames Merkmal verbundener GegensLände aus,
indem er zwar nicht die Gegenstände selber, wohl aber ihr verbindendes
Merkmal als unanschauliches Denkobjekt vorführt."

„Wie das sprachliche und stoffliche Werkzeug, so ist auch der Begriff seinen
eigenen Weg der Vollendung gegangen und hat in der Kulturmenschheit
hohe Grade sowohl der Geläufigkeit, als auch der Sublimierung erreicht.
Dieser auch in der Vernunft wirkende Drang nach Vervollkommnung ist
ein weiteres BeweissLück sür die Behauptung, daß die ganze menschliche
Entwicklung auf Vervollkommnung der künstlichen Werkzeuge und bemge-
mäß aui Lrweiterung der Körperausschaltung durch die Werkzeuge abzielt,
daß also das Prinzip der Körperausschaltung in Wahrheit das »Lntwick-
lungsprinzip« der Menschheit ist."

„Die abstrakten Motive gewinnen dann noch eine besondere Bedeutung
für die menschliche Lebensführung, wenn sie nicht in den Dienst ^der grnmit-
telbaren Lebensinteressen treten, sondern über dieselben, außerhalb der-
selben gestellt werden." Vernunft, die Beherrscherin des „begrifflichen
Werkzeugs", vermag das körperliche Ich vom geistigen begrisflich zu tren-
nen. Darin liegt die Möglichkeit der Ausschaltung Des einen Teils., „Wenn
ich mich in meinem geistigen Ich, das sich als ein denkendes, handelndes (wol-
lendes), empfindendes (fühlendes) Ich repräsentiert, so sehr den dem gei-
stigen Ich adäquaten Ideen des Wahren, Guten, Schönen hingebe, daß ich
über ihnen das körperliche Ich mit seiner Bedürftigkeit und seinen lebensnot-
wendigen Bedürfnisbefriedigungen ganz aus den Auqen verliere und also
übergehe, so habe ich mit solcher Ausschaltung des körperlichen Ichs alle
praktischen Lebenszusammenhänge zerschnitten und jenes Baturgebot über--
schritten, welches die stete Sorge um den Körper und seine Eristenzbedingun-
gen sorderL." Es ist ein „Vorgang der Körperausschaltung. der vermittels der
abstrakten Ideen des Wahren, Guten und Schönen — als Werkzeugen —
bewirkt wird und in der Wifsenschaft, Moral und Kunst seine Verwirklichung
findet. Wenn nun auch diese drei großen Kulturerscheinungen der Mensch--
heit nachweislich in engster kausaler Beziehung zum Prinzip der Körper-
ausschaltung stehen, so heißt das nichts anderes, als daß auch ln seinen
höchsten geistigen Regungen und Strebungen das Menschenleben in dem
genannten Prinzip wurzelt."

Nicht von einem der lebenden Affentypen stammt der Mensch ab. sondern
vom „Pithekanthropogoneus", dem Stammvater der menschenähnlichen Affen
einerfeits, des Menschen anderseits. Von den vier Abkömmlingen des Pithe-
kanthropogoneus entwickelten sich zwei — schwächere — Grupven im Banne
des „Fluchtprinzips", das heißt, sie erhielten sich gegenüber Gegnern haupt-
sächlich durch Flucht auf Bäume und wurden Kletterer, wurden Vaumtiere:
Schimpanse und Orang. Zwei andere entwickelten sich. hiezu durch kräftige
Körper aufgefordert, unter dem „Kampfvrinzip", kämpften. frei aufrecht
gehende Bodentiere, mit Gebiß, Arm, Faust: Gorilla und Mensch. Von
diesen beiden entwickelte der Gorilla zur höchsten Furchtbarkeit die ange--
borenen Waffen selbst. Der Mensch aber beschritt den anderen Weg des
Kampses: Abwehr des Gegners durch Steinwerfen. Er „trug die Methode
 
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