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Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

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Heft 6 (Märzheft 1923)
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Fuchs, Emil: Selbstzerstörung der Kirche: zur preußischen Landeskirchenversammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0288

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den Einfluß übt — wählen die Provinzialsynoden. — Diese, in denen der
Einflujz der Pastorenschaft noch größer ist, wählen die Generalsynode; und
diese regiert die Kirche! Dabei fordern — mit Worten — ungefähr alle
Beteiligten die ^Gemeindekirche" an Stelle der „Pastorenkirche"! Wie
aber in einer Kirche dieses Geistes jemals die Gemeinde Mut und Freudig-
keit, sich zu betätigen, gewinnen soll, ist nicht einzusehen. Wie eine Kirche,
die voll ängstlichem Mißtrauen jeden zu starken Einfluß ihrer Gemeinde^-
glieder ablehnt, jemals das Vertrauen weiter Kreife wiedergewinnen soll,
fragt man sich vergeblich. Wie eine solche Kirche das geistige Regen und
Bewegen der Zeit in sich aufnehmen und in ihrer Mitte durchkämpfen soll,
ist ein Rätsel. — And eben hier liegt das Bittere und Tragische der Sache.
Man will nicht die Gemeinschaft sein, in der die deutschen Protestanten aus
tiefster Seele und mit den tiessten religiösen Kräften um neuen Geist, neue
sittliche Führung, neue religiöse Srcherheit für das stets sich neugestaltende
Leben ringen und dadurch „neue" Gemeinschaft erlangen könnten. Gerade
dies Ringen will man nicht. Man will Sicherheit, ungebrochene Äber-
lieferung und will damit das, was nur dem Göttlichen innewohnt, auch
den menschlichen Formulierungen und Gestaltungen vom Göttlichen sichern.
Man kündi g t denen die Gemeinschafti die aus dem Lwigen heraus neue
Gestaltungen, neue Formulierungen, neue sittliche Weisungen suchen müssen.
Man zerklüftet damit unser Bolk abermals in zwei Lager: Konservative
und Fortschreitende. Man schaltet Verständigungsmöglichkeit und wechsel-
seitigerr Einfluß aus, zerstört Vertrauen und erzwingt Katastrophen der
Entwicklung statt stetigen gemeinsamen Schaffens.

Line Kirche, wie man sie nun will, hört auf, Volkskirche zu sein. Ie
größer und äußerlich gewichtiger sie ist durch die Anhängerschaft konser-
vativer Kreise und durch ererbten Besitz, desto verhängnisvoller ihre Wir-
kung und ihre Mitschuld an dem Werden der Katastrophen!, desto größer
aber auch der tzaß gegen sie bei allen, die in ihren sittlichen Lebenskräften
und in ihrer Gestaltungssehnfucht sich gehemmt fühlen durch diese unbeweg-
liche Macht!

/Atark trat in der verfasfunggebenden Versammlung auch der Wunsch
^nach bischöflichen Spitzen für die Kirchenprovinzen hervor. Schon dies
eine allzu bezeichnende Konseguenz des beschrittenen Weges! Die moralische
Kraft, die darin liegt, daß der zufammengesaßte Wille des gesamten Kir-
chenvolkes die Kirche gestaltet, will man nicht. Lieber will man — und
muß man — Pseudoehrfurchtsgefühle alter katholisierender Stimmungen
und sakramentaler Außerlichkeit wecken. Denn mehr kann es ja auf
protestantischem Boden nicht werden. . . Innerhalb des Katholizismus
ist das eine ganz andere Sache. Was dort konsequent aus der Religion
kommt und deshalb echt ist, ist bei uns Lüge. Für den Protestanten gibt
es keine Kirche als heilige Autorität. Diese liegt im ^Gewissen. Für den
Protestanten aber gibt es ein Zusammenarbeiten aus Verantwortung^-
gefühl des einen für den andern und eines jeden für die geistige Zukunft
seiner Gemeinde, seines Volkes, seiner Kinder und Kindeskinder im Leben
dieses Volkes. Daraus schaffen sich die Kultus- und Erziehungsgemein-
schaften, solange sie auf dies Gewissen, auf dies Verantwortungsgefühl
und diese Mitarbeit aller Einzelnen gegründet sind. — Protestantische
Kirchen, die das nicht wären, werden Anhängsel des Katholizismus und
bereiten sich zum Untergang, denn schließlich wird die Welt einen starken,
wahrhaften Katholizismus diesem nachgeahmten vorziehen. Sie hat Raum

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