Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 36,1.1922-1923

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1923)
DOI Artikel:
Fuchs, Emil: Selbstzerstörung der Kirche: zur preußischen Landeskirchenversammlung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14437#0289

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
für ihn und Raum für einen wirklichen wahren Protestantismns — aber
nicht für halbzeitige Mischgebilde.

Hv n die Spitze ihrer Verfassung hat die preußische Landeskirche eine For-

mel gestellt, eine sehr energische: das Bekenntnis zum „gekreuzigten und
auferstandenen Heiland" und zur Geltung sämtlicher alter Bekenntnisse
der Kirche — vor allem des Apostolikums. Trotz des Widerspruchs der
Mitte, der Linken und des Oberkirchenrates wurde diese Bindung mit großer
Mehrheit angenommen. In einer protestantischen Kirche, die als solche mit
entstand durch den Speyerer Protest gegen die Majorisierung des Gewissens,
hat man bedenkenlos die Gewissen majorisiert. — Nicht nur die Gewissen!
Auch die Gemeinden will man vergewalLigen. Nach den rechtlichen Grund«
sätzen unserer Gesetzgebung igehören die Güter einer Kirchengemeinde (kirch-
liche Gebäude, Grundbesitz, Stiftungen usw.) der landeskirchlichen Gemeinde.
Wenn nun die Landeskirche durch Gewissenszwang eine andersdenkende
Gemeinde gewissermaßen zum Austritt zwingt, kann diese Gemeinde den
entscheidenden Schritt nur unter Drangabe ihres gesamten Besitzes tun.
Solcher Rechts-Skändal kann entstehen, wenn eine dogmatisch verengte
Kirche einfach Rechtsnachfolgerin der alten, freien Kirche wird, wenn die
Kirche sich rechtlich nicht auf die Vertretung ihrer Glieder und Gemeinden
gründet, sondern auf eine ausgesiebte Vertretung unter überragender
Machtstellung der Pastorenschaft, d. h. doch der Angestellten der Kirche.
Es gibt keine rechtlichen Analogien zu solch einer Ausnahmestellung der
Angestellten einer Organisation.

Der preußische Landtag und die Gemeinden selber werden hier für Ab-
hilfe zu sorgen haben. Ob man uun auf Grund der Bekenntnisformel tat-
sächlich gegen die freigerichtete Theologie vorgehen wird, erscheint fraglich.
Vielleicht wird man sich damit begnügen, daß man die Kirche auf das alte
Bekenntnis festgelegt hat, und dann eine gewisse „Duldung^ üben. Aber
die entschlossenen Führenden wird man sicher abzuschütteln suchen. Ganz
abgesehen von der Auruhe, die so abermals, unfruchtbar genug, entsteht,
bedeutet es eine Lähmung der Kirche. Weite Kreise des Volkes und nicht
die Antüchtigsten seiner Frommen werden sich aus dem Leben einer Kirche
abwenden, die so vergewaltigt. — And wieder: Das seelische Leben unsers
Volkes, sein Ringen um das Tiefste vollzieht sich außerhalb dieser Gemein«
schaft, die nur noch ein Weitergeben feststehender Wahrheiten will — nicht
mehr das Ringen der Gewissen um die ihnen sich zeigende Wahrheit, Äber-
zeugung und das Festwerden im Ewigen.

m 29. September (Y22 ist die tzoffnung des deutschen Volkes darauf zer-
^stört worden, daß es eine Gemeinschaft des protestantischen Volksteils für
die Arbeit am Diefsten, Innerlichsten behalten oder wieder schaffen könnte.
Neue Wege auch religiöser Gemeinschaftsbildung müssen nun gesucht wer-
den. Die fruchtbare Berührung der religiös konservativen Kreise und der
religiös fortschrittlichen Kreise ist preisgegeben, die eine Lebensnotwendig-
keit des Volkslebens war. Man weise nicht auf die angelsächsischen Völker
hin, bei denen es gerade so sei. Diese Völker sind seelisch und in ihrer
sozialen Struktur sehr viel einheitlicher als wir Deutsche. Wir sind sowie^-
so in der steten Not, bis in die tiefsten Grundlagen unsers seelischen Seins
einander nicht zu verstehen.

Nun ist allerdings nur die Kirche der altpreußischen Gebiete diesen Weg
gegangen. Aber werden die andern preußischen Kirchen andere Wege gehen?
Sachsens Beispiel spricht allzu deutlich. Dort hat man sogar die bischöfliche
 
Annotationen