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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0109

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2. Die Merowingerzeit

2.1. Senatorenaristokratie
Das Frankenreich Chlodwigs war die dauerhafteste Reichsbildung der Völker-
wanderungszeit auf dem Boden des Römischen Imperiums. Der Hauptgrund da-
für dürfte in erster Linie in der gelungenen Synthese zwischen germanischen und
romanischen Traditionen zu suchen sein; eine spätantik-barbarisch/fränkische
Mischkultur entstand. Die Gewichtung der beiden Wurzeln ist in der Forschung
umstritten^; erkennbar ist das auch bei der Frage nach den Ursprüngen des fränki-
schen Adels.
Unübersehbar ist in der Merowingerzeit die in ihrer Bedeutung gar nicht zu ü-
berschätzende Rolle der in den Provinzen ansässigen grundbesitzenden römischen
Senatorenaristokratie. Entstanden als keineswegs gewolltes Ergebnis der Reformen
Diocletians und Konstantins in der Spätantike, hatte sie ihre politische Stellung im
zunehmend autokratisch regierten Imperium auf der Reichsebene zwar eingebü Ft,
ihre soziale Position allerdings bewahrt oder sogar ausgebaut. Seit Honorius (395-
423) stammten alle hohen Amtsträger in Gallien nur noch aus dem einheimischen
Senatorenadel. Die Erblichkeit des Standes, der riesige Grundbesitz, steuerliche und
rechtliche Privilegien, adliger Lebensstil, literarische Bildung und die personale
Verbindung zum Episkopat förderten die Provinzialisierung des Senatorenstandes
insbesondere in Gallien. Die Orientierung an Rom und an der Politik der Imperato-
ren ging verloren. Im Laufe des 4. Jahrhunderts wurde die Schutzherrschaft
(pafrocz'm'MTtü über große Teile der ländlichen Bevölkerung ausgeübt, die bäuerlichen
Schichten wurden mediatisiert. Daß die römischen kulturellen Traditionen durch
Angehörige der Senatorenaristokratie an das frühe Mittelalter vermittelt wurden, ist
in der Forschung nie bezweifelt worden; deutlich wird dies vor allem bei großen
Bischöfen wie Gregor von Tours oder Avitus von Vienne.
Die Senatorenaristokratie wurde schon früh mit Hilfe der in der Alten Ge-
schichte gebräuchlichen personengeschichtlichen Methode untersucht; das grund-
legende Werk von Karl Friedrich Stroheker ist die umfassendste Arbeit zu diesem
ThemaL Zwar ist die Verwendung des Begriffs „Adel" für die Senatorenaristokra-
tie nie bestritten worden, doch galt diese einer stände- und rechtsgeschichtlich
orientierten Betrachtungsweise, die sich mit der germanisch-deutschen Geschichte

1 Vgl. dazu in jüngster Zeit die Synthesen von R. KAISER, Konstituierung; R. SCMEFFER, Konstituie-
rung.
2 Vgl. STROHEKER, Adel.
 
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