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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0310

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306

Kapitel 6

Thema an älteren Ansichten orientiert, vertritt die Auffassung, daß man auf den
Begriff nicht verzichten könne. „Verwandtschaft" sei zu blaßA

6.2. Der Strukturwandel der Familie
Als zentrales Thema kristallisierte sich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts die
Frage nach dem Strukturwandel des Adels im Übergang vom frühen zum hohen
Mittelalter heraus. Sie resultierte im wesentlichen aus den von Gerd Tellenbach
initiierten prosopographischen Ansätzen, die in dem von ihm begründeten Frei-
burger Arbeitskreis verfolgt wurden^. Die Personenforschung erschien in diesem
Kontext als methodischer Schlüssel und als „Brücke von der politischen und Ver-
fassungs- zur Sozialgeschichte"^°.
Zentraler Bestandteil der Adelsforschung wurden diese Ansätze aus einem
sehr einfachen Grund, auf den Eckhard Freise in einem programmatischen Beitrag
hingewiesen hat. Die Personenüberlieferung erlaube für das 6. bis 13. Jahrhundert
kein „vollständiges" Bild der Gesellschaft, sondern erfasse nur die Oberschicht.
Freise warnte explizit vor Floffnungen auf Repräsentativität bei der Analyse per-
sonengeschichtlicher Quellen^.
Ausgangspunkt der Untersuchungen war, daß man nicht länger von modernen
Modellen zur Gesellschaftsanalyse ausging, die mit dem Bedeutungsgewinn der
landesgeschichtlichen Ansätze seit dem Beginn des Jahrhunderts zunehmend in
Verruf geraten waren. Als Folge schenkte man den Verhältnissen, die sich aus den
Rechtsquellen ableiten ließen, weniger Aufmerksamkeit. Gesucht wurde nach der
Perspektive der Zeitgenossen selbst, und dies war eine Parallelerscheinung zu
Otto Brunners Versuch, die Verfassungsgeschichte auf eine neue Basis zu stellen.
Karl Schmid kam zum Schluß, daß zuerst die von Personen gebildeten „kleinen
Gruppen", die „natürlichen Lebensgemeinschaften" Träger der Gesellschaft sei-
en^. Die „Selbstzeugnisse" rückten dabei in den Vordergrund der Betrachtung.
Dies hatte nachhaltige Konsequenzen für die Definition von Adel. Die rechtliche
Komponente des Begriffs trat stark zurück. Adel sei „weder als 'Adel' schlechthin
noch in einzelnen Adligen zu begreifen. Denn Adel „verwirklichte" sich „als 'adli-
ges Geschlecht', d.h. in den Gemeinschaften adliger Familien und Sippen"^.

18 Vgl. H.K. SCHULZE, Grundstrukturen, Bd. 2, S. 10, 35ft.
19 Zur Personengeschichte vgl. programmatisch K. SCHMID, Programmatisches; SONDEREGGER, Perso-
nennamen.
20 BORGOLTE, Sozialgeschichte, S. 478. Zum Werk Gerd Tellenbachs vgl. H. KELLER, Werk.
21 Vgl. FREISE, Personenüberlieferung.
22 K. SCHMID, Programmatisches, S. 16.
23 K. SCHMID, Verhältnis, S. 386f.
 
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