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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0460

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456

Kapitel 11

diävistik avancierte, wurden seine Thesen nur partiell akzeptiert. Dabei beachtete
man kaum, daß so die logische Schlüssigkeit des Konzepts in Frage gestellt wurde.
Brunner selbst hatte im übrigen noch in den letzten der von ihm redigierten Auf-
lagen vor dieser Gefahr gewarnt^. Weitgehend übernommen wurde zumindest
seine Auffassung über die Rechtmäßigkeit der Fehde, da damit eine bereits be-
gonnene Diskussion in einen größeren, auch theoretisch fundierten Rahmen integ-
riert werden konnte. Kaum beachtet wurde dagegen, daß sich diese Sicht nur dann
rechtfertigen läßt, wenn man auch Brunners Begriff vom Tand übernahm. Dies
geschah allerdings nicht. Schon Wilhelm Janssen hat bemerkt, daß die Vorträge
der einschlägigen Reichenau-Tagungen über den Territorialstaat des 14. Jahrhun-
derts^ - bei aller Verbeugung vor Brunner - wieder ein Schritt hin zu Georg von
Below warenG
Als Problem zeichnete sich früh der Geltungsbereich von Brunners Modell ab.
Der Mehrheit der Forschung erschien es - aufgrund besonderer politischer Rah-
menbedingungen - nur für den Südosten des Reichs verwendbar zu sein; Brunner
hatte tatsächlich die Verhältnisse in den österreichischen Donauländern beschrie-
ben, und noch heute ist sich die Forschung nicht einig darüber, ob er selbst sein
Modell überhaupt als universal verwendbar verstand^. Ernst Schubert meint, daß
das „Tand als politische Raumbezeichnung ... über die bayerischen und österrei-
chischen Ränder hinaus nur in Kümmerform nachweisbar (ist)"G
Tatsächlich ist Brunners Ansatz außerhalb Österreichs zunächst nur von Georg
Droege aufgegriffen worden, der damit die Verhältnisse in den Rheinlanden un-
tersucht hatG Heinrich Mitteis hat in einer umfassenden Rezension - bei aller
Anerkennung der Bedeutung von „Tand und Herrschaft" - auch Kritik geübt;
gerade die Rolle des Landesherrn habe Brunner unterschätztG Tatsächlich war
dies der Ansatzpunkt für weitere Kritik. Walter Schlesinger griff bei seiner Darstel-
lung der Landesherrschaft der Herren von Schönburg und in seiner grundsätzli-
chen Abhandlung über den thüringischen Raum jedenfalls nicht auf Brunners
Modell zurück, da er explizit der Auffassung war, jede Landesherrschaft müsse als
Einzelfall beschrieben werdenG Nicht anders sahen dies Heribert Helbig bei seiner
Untersuchung der Entstehung des wettinischen Ständestaates, Hans K. Schulze bei

25 Vgl. O. BRUNNER, Land, S. VIII. Zum Problem vgl. jetzt auch J. SCHNEIDER, Niederadel, S. 6ff.
26 Vgl. PATZE, Territorialstaat.
27 Vgl. W. jANSSEN, Territorialstaat, S. 419f.
28 Vgl. Konstanzer Arbeitskreis, Protokoll Nr. 378. O. BRUNNER, Land, S. VII, meinte, seine Ergebnisse
könnten über seinen eigenen Untersuchungsbereich hinaus von Bedeutung sein, warnte aber vor ei-
ner „schematischen" Übertragung aut andere Gebiete. Zu den Problemen der Rezeption vgl. BOR-
GOLTE, Das soziale Ganze, S. 159.
29 E. SCHUBERT, Herrschaft, S. 60f.
30 Vgl. DROEGE, Landrecht.
31 Vgl. MITTEIS, Land, S. 50-53.
32 Vgl. SCHLESINGER, Schönburg, S. 168; vgl. ähnlich noch MORAW, Entfaltung, S. 101.
 
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