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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0499

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Das Spätmittelalter - Die Ausprägung sozialer und politischer Stände

495

11.4.5. „Raubrittertum"
Das spätmittelalterliche „Raubrittertum" dürfte eines der populärsten Elemente
der Bilder dieses Zeitraums sein. Schon allein die Verwendung des Begriffs sollte
ursprünglich deutlich machen, daß der niedere Adel angesichts seines wirtschaft-
lichen und sozialen Niedergangs zu zweifelhaften Methoden griff, um sein Über-
leben zu sichern. Das Phänomen wurde in der Forschung vor allem unter zwei
Aspekten diskutiert. Sowohl die normative Einschätzung als auch die rechtlichen
Hintergründe waren Gegenstand langer Debatten. Die Suche nach den Rechts-
grundlagen der Fehde warf dabei eine wahrlich fundamentale Frage der mittelal-
terlichen Geschichte und insbesondere der Adelsforschung auf.
Terminologie-, und, in Verbindung damit, Abgrenzungsprobleme führten zu-
nächst zu unterschiedlichen Ansichten über die „Wurzeln". Daraus resultierten
Schwierigkeiten, die Fehde in die rechtsgeschichtlichen Systematiken einzubauen.
Gewöhnlich betrachtete man sie als ein Ausnahmerecht zur Selbsthilfe, das histo-
risch auf Blutrache und Sippenfehde der Frühzeit zurückging^. Durch den Wan-
del der Gesellschaft und insbesondere durch rechtliche Maßnahmen habe sich
dieses Recht im Mittelalter von der allgemeinen Pflicht zur Rache zum ritterlichen
Fehderecht entwickelt. Die Fehde galt damit als ein Teil des Fandrechts. Der Kon-
text liegt auf der Hand: Geprägt war diese Sicht vom Gesellschaftsbild. Am Aus-
gangspunkt der Entwicklung stand die Vorstellung einer Gesellschaft, die aus
Freien bestand; demzufolge hat etwa Fritz Kern in seiner klassischen Arbeit über
das Widerstandsrecht keineswegs von einem exklusiv adligen Recht gesprochen^.
Auch heute noch gilt die Untersuchung von Hans Fehr als adäquater Aus-
gangspunkt für die Behandlung der Frage, auf welche Weise die Bauern ihr Recht
auf Selbsthilfe verloren^. Fehr verwies auf die Gottesfriedensbewegung und auf
die „Gesetzgebung" Barbarossas, durch die die Bauern als schutzbedürftig er-
schienen und das Recht verloren, Waffen zu tragen. „Der dem Fehderecht entzo-
gene Bauer bedurfte der Waffe nicht'^A Das 12. Jahrhundert habe dem Bauer das
Recht geraubt, Waffen zu tragen. Trotz der Verbote seien Bauern allerdings stets
im Besitz von Waffen geblieben und hätten im 15. Jahrhundert das Waffenrecht
vollständig wiedererlangDA
Während Fehrs Beschreibung der Entwicklung des späten Mittelalters kaum
rezipiert wurde, gilt seine Ansicht über die Veränderungen im Übergang vom
Früh- zum Hochmittelalter bis heute als plausibel. So hat etwa auch Fleckenstein

262 Vgl. H. BRUNNER, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 692f. CONRAD, Rechtsgeschichte, S. 435, unterschied
zwischen einer „gewöhnlichen" und einer „ritterlichen" Fehde, die nebeneinander bestanden hätten.
263 Vgl. KERN, Gottesgnadentum.
264 Vgl. dazu FEHN-CLAUS, Ansätze.
265 FEHR, Waffenrecht (1914), S. 137.
266 Vgl. FEHR, Waffenrecht (1917), S. 34ff.
 
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