Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 31.1932

DOI Artikel:
Ehlgötz, Hermann: Aufschliessung des Baugeländes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49241#0081

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AUFSCHLIESSUNG »ES BAUGELÄNDES
Von Professor Hermann Ehlgötz, Berlin-Charlottenburg
Im Anschluß an die „Landesplanung;“ im Novemberheft 1931 bringen wir mit Genehmigung des Verlags
Gustav Fischer in Jena hier eine zweite Probe aus dem neuen „Handwörterbuch des Wohnungswesens“

1. Begriff der Baureife. 2. Stadtentwicklung und Gelände-
aufschließung. 3. Anlage von Straßen. 4. Straßenbefestigung.
5. Verkehrsplanung. 6. Bodenparzellierung. 7. Kosten der
Aufschließung.
1. Die heutige Baulanderschließung erschöpft sich
nicht in der Anlage der Straße und dem Einbau der erfor-
derlichen Leitungen, sondern sie ist bedingt durch die Sied-
lungsplanung überhaupt und hat im Gegensatz zur Vorkriegs-
zeit die Aufgabe, einer schädlichen Entwicklung vorzubeugen:
wildes Bauen soll vermieden, künftige Entwicklungsmöglich-
keiten offen gelassen werden.
Die Gemeinden haben ein starkes Mittel in der Hand,
die Entwicklung in dem von ihnen geplanten Sinne durch-
zuführen, da die Baureifmachung des der Erweiterung unter-
liegenden Geländes zu ihrer Aufgabe gehört. Unter Baureife
versteht man dabei in der Hauptsache die Verkehrserschließung
eines Erweiterungsgebietes, d. h. die Anlage und den Bau
von Straßen in den unmittelbar der Bebauung zuzuführenden
Teilen des Erweiterungsgebietes im Zusammenhang mit allen
dabei etwa notwendig werdenden Veränderungen der Erd-
oberfläche, Aufschüttungen, Abtragungen, Regulierungen von
Flußläufen usw., und der notwendigen Anlage der Versorgungs-
leitungen, wie die für Kanalisation, Wasser, Gas und Elek-
trizität.
Im weiteren Sinne gehört zur Baureife die Erhaltung nied-
riger Bodenpreise und die Verhinderung einer ungerecht-
fertigten Bodenspekulation im Erweiterungsgebiete im Zu-
sammenhang mit der kommunalen Wohnpolitik, da heute
z. B. ein Wohnerweiterungsgebiet nur dann als baureif be-
zeichnet werden kann, wenn der Bodenpreis einen annehmbaren
Mietpreis ermöglicht. Die Baureifmachung eines Geländes
beginnt also nicht erst mit der unmittelbaren praktischen
Aufschließung durch die Anlage der Straßen und der Ver-
sorgungsleitungen, sondern schon vorher bei der Planung und
der Lagebestimmung des Erweiterungsgebietes.
2. Diese Geländeerschließung durch den Be-
bauungsplan der Stadt ist also der erste Schritt zur
Baureifmachung des Geländes. Sie ist von entscheidender
Wichtigkeit für die gesamte Stadtentwicklung, denn diese
ist in erster Linie von der richtigen Verteilung der einzelnen
Erweiterungsgebiete (Industrie-, Gewerbe-, Geschäfts- und
Wohnviertel) abhängig. Die Art der Geländeaufschließung
ist ihrerseits abhängig von dieser die Stadtentwicklung re-
gelnden Verteilung der Flächen im Generalbebauungsplan.
Sie hat daher stark verschiedene Formen angenommen, je
nachdem ob das zu erschließende Gelände für Wohn-, Ge-
schäfts-, Industrie- und Gewerbeviertel, und soweit es sich
um Wohnviertel handelt, ob es für wohlhabende Landhaus-
viertel oder Kleinwohnungsviertel bestimmt ist. Das wesent-
liche Gerüst der Erschließung ist dabei durch die An-
lage und Führung der Hauptverkehrs-, Nebenverkehrs- und
Wohnstraßen sowie der zusammenhängenden Grünflächen
gegeben. Die Form der Geländeerschließung ist demnach

eine unmittelbare Folge der Gesamtentwicklung der Stadt.
3. Der unmittelbarste und sofort wahrnehmbare Ausdruck
für die Stadtentwicklung ist die Anlage der Haupt-
verkehrsadern und ihre Ausgestaltung. Sie ist der maß-
gebende direkte Schritt zur Aufschließung des Baugeländes.
Sie muß erfolgen im Zusammenhang mit der Großverkehrs-
erschließung, der Anlage der Fernbahnlinien und Güterlinien.
Es ist zweckmäßig, für sich Fernbahn, Güterbahn und
Bahnen für den Nah- und Ortsverkehr im Anschluß an die
bestehenden Verkehrslinien zu entwerfen und diese zu cha-
rakteristischen Knotenpunkten im Bebauungsplan zusammen-
zufassen. Diese Knotenpunkte müssen die Hauptverkehrs-
straßen tangieren.
Die Richtung der Verkehrsstraßen wird durch die Verkehrs-
bedürfnisse bestimmt. Sie sind in schlanker Linienführung
breit anzulegen, wobei jede Übertreibung im Ausmaß zu
vermeiden ist (z. B. Geschäftsstraße). Das nächste ist, daß
man alle Straßen auf ihre Bedeutung hin prüft, daß man sie
in das Verkehrsnetz hineinzieht, daß man die alten, wo not-
wendig, verbreitert und daß man sich klar wird über die
zwischengemeindlichen Verbindungen sowie über den inneren
Stadtverkehr von und zu Wasserwegen, Kanälen und Eisen-
bahnen. Solche Verkehrsstraßen müssen natürlich den höchsten
Ansprüchen genügen. In dieser Hinsicht ist bisher meist nicht
genug geschehen, wenn man die Ansprüche bedenkt, die der
moderne Verkehr heute stellt. Der Autoverkehr stellt andere
Ansprüche als der Personenverkehr. Bei der Dichte des
weltstädtischen Verkehrs ist es allerdings zweifelhaft, ob das
Auto im inneren Stadtverkehr in den nächsten Jahrzehnten
noch die große Bedeutung haben wird wie bisher. Jedenfalls
brauchen solche schnellfahrenden Wagen gerade, lange und
breite Straßen, wie sie im Stadtinnern älterer Städte kaum
vorhanden sind. An solchen Verkehrsstraßen werden sich
natürlich Geschäfte, Schauläden, Gasthöfe, Vergnügungs- und
Erholungsstätten ansiedeln. Derartige Bauten können zu den
Kosten einer solchen Straße beitragen. Diese Bedingungen
gelten sowohl für Radialstraßen, wie auch für die Haupt-
straßen der Städte, die nach dem Parallelsystem angelegt
sind. Von geringerer Bedeutung sind die überschätzten Ring-
straßen. Man wird bei einer Erweiterung periphere Ringstraßen
nicht entbehren können, aber selbstverständlich nicht in der-
selben Weiträumigkeit, wie sie für die Radialstraßen erfor-
derlich ist. Eine Bedeutung haben die Ringstraßen nur da
gewonnen, wo alte Stadtmauern beibehalten und in Grün-
anlagen verwandelt worden sind, wie in Frankfurt a. M. Von
größerer Bedeutung sind aber wieder Diagonalstraßen, um
allzu große Umwege für den Verkehr zu vermeiden.
Wo eine Verkehrsverbindung zwischen zwei Punkten im
Stadtplan als notwendig erkannt wird, ist die gerade Ver-
bindungslinie beider Punkte die nächstliegende Lösung der
Aufgabe. Forderung ist, daß die Straße gut benutzbar sei,
also keine ungünstigen Steigungs- bzw. Gefällsverhältnisse
aufweise, und weiter daß ihre Anlage nicht nur unter Auf-

MOD. BAUFORMEN 32. I, 8

59
 
Annotationen