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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 31.1932

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Popp, Josef: Theodor Fischer Siebzig Jahre
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https://doi.org/10.11588/diglit.49241#0340

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Theodor Fischer, Prinzregentenbrücke in München. 1901

THEODOR FISCHER SIEBZIG JAMBE

Zu Theodor Fischers 70. Geburtstage bringt ihm die Schriftleitung
ihren herzlichen Glückwunsch mit den Worten Josef Popps dar,
die einer soeben bei Callwey erschienenen Monographie über den
Meister als Geleitwort vorangestellt sind. Hans Karlinger gibt in der
Einleitung eine wertvolle Studie zur Baugeschichte in der Schaffens-
zeit Fischers. Darauf folgen des großen Architekten und Städtebauers
Werke in eindrucksvoller Bildfolge.
„Der Zeiten Schritt wechselt: er ist schwer und mühsam,
unsicher und stürmisch erregt, gemessen und gelassen, leicht
und frei. — Heute nicht mehr bestimmt vom Menschen, son-
dern von seinem Werk, der Technik. Die Kunst aber hat ein
anderes Tempo: sie arbeitet nicht mit Maschinen und nicht
in maschinellem Geiste; in ihr wirkt sich der Mensch und sein
Tun nach des Herzens und des Geistes Bedürfnissen aus.
Und doch vermag sich auch die Kunst dem Gefälle ihrer Zeit
nicht zu entziehen. Heute wird ihr dies fast zur Tragik. Nicht
nur, weil Technik und Kunst wesensverschieden, sondern weil
auch die Kunst der ungehemmte Entwicklungsdrang der Tech-
nik ergriffen, der ihrem Rhythmus widerspricht. So gebiert sie
Richtung um Richtung, statt Werte eines organischen Wachs-
tums.
Bei solcher Lage ist es nicht verwunderlich, wenn das Werk
eines Siebzigjährigen den Jüngeren und Jüngsten ferner rückt,
so daß sie darin kaum mehr die gemeinsamen Ziele und Züge
erkennen. Kunst und Technik ringen heute um eine neue
Synthese, wobei vorläufig die Kunst in Gefahr steht, ihre
Herrschaft zu verlieren, zur Dienerin der Technik zu werden.
Deshalb erscheint den Heutigen eine Kunst, wie sie im Lebens-
werk Theodor Fischers erstanden, leicht als ein Zuviel, und
man ist geneigt, sie in eine Reihe mit den historischen Ge-
bilden zu setzen, von denen die Gegenwart sich mit Recht
und ganz bewußt losgesagt. Eine solche Einstellung zu Fischers
Werk ist einseitig und schädlich. Sie ist der Standpunkt der
Armut, die nur selten die Berechtigung, Freiheit und Schön-
heit eines edel benützten Reichtums zu würdigen weiß.
Theodor Fischer ist für die Grundsätze des heutigen Bauens
als einer der Ersten unentwegt und unermüdlich in Werk und

Lehre, in Wort und Schrift eingetreten, bis zur Stunde dem
Neuen erschlossen. Ohne diese grundlegende Vorarbeit Gleich-
gesinnter, unter denen er der weitaus Bedeutendste, wäre die
deutsche Baukunst nicht zu jener schnellen und kühnen Ent-
faltung gekommen, die sie heute wie vor zwanzig Jahren an
die Spitze der modernen Entwicklung stellt.
Theodor Fischer, von Natur Problematiker, hat trotz aller
Verehrung für das Gewordene dessen fragwürdigen Wert für
die weitere Entwicklung erkannt und zielbewußt die Ver-
pflichtung zu neuer Form bejaht. So ist ihm die Zweckform
immer mehr Ausgangspunkt seines künstlerischen Gestaltens
geworden. Nicht selten in einer Unerbittlichkeit, die ihm den
Vorwurf des allzu Puritanischen eingetragen. Fischer hat auch
wiederum die Kernform und ihre sachgemäße Gliederung zur
ästhetischen Hauptwirkung des Bauens erhoben: Wand, Körper,
Raum sollen ihre Träger sein, der Schmuck nur als belebendes
Ornament oder maßvolle Bereicherung dienen. Ganz darauf
zu verzichten, hat Theodor Fischer sein künstlerisches Ingenium
bewahrt. Dadurch wurde gerade er bahnbrechend für die neue
dekorative Malerei und Plastik, in ihrer innigen Beziehung
zum baulichen Gefüge. Dem künstlerischen Städtebau wird
sein Taktgefühl und sicherer Sinn für große Zusammenhänge
noch lange richtunggebend bleiben müssen.
Theodor Fischers Kunst ist nicht weniger als die heutige
auf der Wahrheit und Wahrhaftigkeit begründet. Deshalb hat
er von Anbeginn seines Schaffens auch Material und Kon-
struktion für die künstlerische Wirkung benützt, als Erster den
Eisenbeton selbst für sakrale Wirkungen gewagt. Aber alles
Ausgehen vom Zweck und den bautechnischen Bedingungen
war ihm nur Voraussetzung einer vergeistigten, gemütserfüllten
Neuform. Sachlichkeit, Ehrlichkeit, Anständigkeit sind ihm
stets die selbstverständlichen Forderungen einer guten Bau-
gesinnung gewesen, nicht aber ästhetische Qualitäten, die
ihren eigenen Kanon haben.“
Josef Popp f

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