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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 31.1932

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Eisler, Max: Ein Wohnhaus von Josef Frank und Oskar Wlach, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.49241#0114

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Die westliche Straßenseite. Haupteingang ist die japanrot lackierte Tür in grüner Marmorrahmung unter dem Erkervorsprung

EIN WOHNHAUS VON
JOSEF FRANK UN» OSKAR WLACH, WIEN
Mit 14 Aufnahmen von J. Scherb, Wien, 5 Grundrissen, Schnitt und Lageplan. Besprochen von Professor Max Eisler

Josef Frank, der Führer der neuen Baukunst in Wien, hat
unlängst in einem klugen, klaren und, wie immer, sehr wesent-
lichen Artikel das Haus als Weg und Platz, als Vereinigung
von gut geordneten und anregend geleiteten Verkehrswegen
mit abseitigen, angenehmen Ruheplätzen betrachtet. Diesem
Gedankengang, der seine allgemeine Bedeutung hat, lag als
Beispiel das Gartenhaus an der Wenzgasse in Hietzing zu-
grunde, das wir im Bilde zeigen. Schon aus den Bildern, nament-
lich aus jenen, welche das Treppenhaus mit dem Zwischen-
geschoß, der Halle zu ebener Erde und dem Musiksalon im
Halbstock, sehen lassen, geht deutlich hervor, daß hier der
offen durchgeführten Stiege eine besondere Rolle zukommt.
Frank erläutert das: „Die Stiege bildet das Zentrum des hier
gezeigten Wohnhauses. Sie ist so geführt, daß sämtliche Wohn-
räume auf verschiedenen Zwischenpodesten liegen. Ihr Grund-
gedanke ist der folgende : Man betritt die Halle auf die Stiege
zu. Diese, da sie wieder zurückführt, wendet ihre ersten Stu-
fen dem Eintretenden zu. Während er sie betritt, sieht er auf
dem ersten Podest durch eine große Öffnung in das wichtigste
Zimmer des Hauses, das Wohnzimmer. Von diesem Podest
führt sie mit geradem Lauf zu den beiden versteckteren, aber
mit dem Wohnzimmer zusammenhängenden Räumen, Arbeits-
zimmer und Salon. Hier ist das Wohngeschoß zu Ende. Um

dies zu betonen, führt nun die Stiege in umgekehrter Wen-
dung in das nächste Geschoß mit den Schlafräumen, und eine
deutliche Teilung des Hauses ist dadurch erreicht.“ Dazu
ist nicht mehr viel zu sagen. Denn schon diese wenigen Worte
bieten die beste Anleitung zur Betrachtung der Zeichnungen
und Ansichten des Hauses. Von dem federnden Grundriß und
der leicht abgesetzten, verengten und dann wieder geweiteten,
immer aber durchgehenden und durchsichtigen Raumführung,
bei der es wahrhaftig keinen toten Punkt gibt, bis zu der
leicht gruppierten, weit geöffneten Gartenfront ist es eine
reine geistige Einheit. Am Beginn seines Aufsatzes verweist
Frank auf den Ursprung der modernen Raumform, auf das
saloppe Bohemeatelier in der Mansarde. Von anderer Seite
wird immer wieder der Schiffsbau zitiert. Aber das sind selbst-
redend nur Elemente. Nachdem sie einmal nach ihrem Werte
erkannt und in Gebrauch genommen waren, kam — ähnlich
wie bei der sogenannten „Sachlichkeit“ — alles darauf an,
daß sie, ohne ihre schöne Lebhaftigkeit zu verlieren, auf eine
reine, harmonische Ordnung gebracht wurden. Ein solcher,
sehr seltener Fall, liegt in dem neuen Haus von Frank und
Wlach vor. Gedanke, Empfindung und Form gehen hier voll-
kommen zusammen. Und alles wird Raum.

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