J. H. Pinand, Darmstadt. Die Missionsanstalt der Pallottiner in Freising. Vorderansicht von Südost gesehen
sich zusammenschließen. Ein überdeckter Gang führt zum
vorspringenden östlichsten Bautrakt, der Missionsanstalt,
welcher den groß angelegten Speisesaal aufnimmt. Das
Baumaterial ist dunkler Blankziegel. Bei aller Schlichtheit
und Sachlichkeit wohnt der Baulösung hohe Stimmung inne.
Die Kirche will zwar kein selbständiges Gotteshaus sein,
sie ist als Glied in den Bautrakt einbezogen, in ihrer
sakralen Formensprache allerdings als vornehmstes Glied
gekennzeichnet. Ein einfaches rechteckiges Langhaus, dessen
horizontale Maße durch den vorspringenden kampanileähn-
lichen Turm eine freie Leichtigkeit erhält. Raumgröße und
Raumverteilung des Innern werden durch den Zweck der
Studienkirche diktiert. Der Hauptaltar ist in ein räumlich
würdevoll gelöstes eigenes Altarhaus gestellt, während die
vielen notwendigen Seitenaltäre asymmetrisch in ein nied-
riges Seitenschiff verlegt sind. Diese Mannigfaltigkeit der
Anlage des Innenraumes ruft in ihren Raumperspektiven
ohnehin schon feine Lichtstimmungen hervor. Dazu wird die
Lichtwirkung in den niedrigen Kapellen durch die kleinen
figürlichen Glasfenster in einem zum ersten Mal verwen-
deten Glasschnitt von Karl Auer, Stuttgart, mystisch noch
gesteigert. Über dem Seitenschiff läuft ein Verbindungs-
gang zur Orgeltribüne. Höchst eindrucksvoll ist der Altar-
raum. Im Gegensätze zum flach bedeckten Langhaus wird
die Wirkung des Chores durch die von Gurten gegliederte
Wölbung verstärkt. Auf zwei Seiten erhält der Chor sein
Licht, einmal von der Epistelseite, wo der sich anschließende
Turm aus zwei hohen Doppelfenstern reiches, aber indirektes
Licht in den Raum fluten läßt. Eine zweite, wiederum in-
direkte Lichtquelle liegt hinter dem schmalen Chorumgang.
In so fein verdämmerndem Lichte erhebt sich zwischen den
Trennungspfeilern in rötlichem Marmor die zwar einfache,
aber doch monumentale Altarmensa, auf der sich Tabernakel
und Expositionsthron erheben. Dahinter steht zwischen den
Pfeilern die große Gruppe der Taufe Christi von Professor
Karl Baur, München. Durch diese Gruppe wird die Altar-
komposition in ihrer räumlichen Einfügung, ihrer Durch-
arbeitung und nicht zuletzt in ihrer religiös innigen Erfassung
zu einer ganz ungewöhnlichen Leistung christlicher Gegen-
wartskunst. Sie bildet den eigentlichen kultischen Mittelpunkt
der Kirche, den Brennpunkt des Innenraumes, zu dem alle
Strahlen hinzielen und von dem aus radienförmig die Strahlen
in das Schiff der Gläubigen zurückfluten. Das Innere der
Pallottinerkirche zu Freising hat von neuem bewiesen, daß
„neuzeitliche Kunst überraschend tief und überzeugend kirch-
lich sein kann“ (Georg Lill).
Die Gesamtanlage der Anstalt, die Wohn- und Schlaf-
räume für Patres und Brüder, die Küchen, Speisesäle, Dor-
mitorien mit ihren Waschräumen, die Museen oder Räume
für Studienzwecke, die für Kranke und Ärzte notwendigen
Räume, ferner Räume für technische Zwecke — alles ist so
angeordnet, daß der ganze vielgliedrige Organismus eine
hohe Zweckmäßigkeit aufweist und allen modernen Anforde-
rungen entspricht.
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