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Die neue Stadt: internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur — 6.1932-1933

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Taesler, ...: Schweden: Geschichte, Situation, Beziehungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.17521#0040

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Mälarsee, als strategisch und wirtschaftlich wichtigster Hafen vor der mittel-
schwedischen Erzindustrie und zentral gelegener Ausgangspunkt für den Ver-
kehr nach den europäischen Ostseestaaten, nimmt es heute mit 600 000 Ein-
wohnern 8 % der gesamten schwedischen Bevölkerung ein. Zugleich erklärt
sich hieraus die auffallend geringe Zahl an Städten überhaupt: drei Städte über
100 000, sechs Städte über 50 000 Einwohner.

Länger als irgendein Land bewahrte Schweden von jeher seine geschichtlichen Wirtschaftliche Situation

Entwicklungsformen. Weniger zugleich als jeder andere europäische Staat
aber fand es jene Prägnanz eben dieser gesellschaftlichen Entwicklungsstufen
wie etwa Frankreich, wo der geschichtliche Ablauf mit einer geradezu kanoni-
schen Lehrhaftigkeit sich vollzog. Noch heute finden sich in Schweden Reste
alter Markverfassung mit Gemeineigentum an Wald, Fischerei und Weide
(Häradsallmänningar, Besparingskogen). Nie war dieses Land ausgesprochen
feudalistisch, das bei uns so beliebte Rezept des „Bauern-Legens" war unbe-
kannt, bis im 19. Jahrhundert eine Art modernen Feudalismus' der großen Holz-
gesellschaften nachholte, was Jahrhunderte unterblieben war, und die Bauern
größtenteils ihrer Waldungen expropriierte. 77 % des Landes sind privater
Grundbesitz, davon allein 42 % heute in Händen dieser Aktiengesellschaften.
Durch fortgesetzte Erbteilung unter ein Existenzminimum herabgedrückt und
von der wichtigsten Grundlage der schwedischen Gesamtwirtschaft, vom Holz
des Waldes, durch die Entwicklung monopolistischer Holzgesellschaften ab-
gedrängt, bildet die große Masse dieses scheinbar freien und glücklichen
Landvolkes eine Art ländlichen Halbproletariats, Kleinbauern im Sommer,
Waldarbeitern im Winter. So kommt es, daß ein unsichtbares Netz feinster Be-
ziehungen und Abhängigkeiten vom Weltmarkt bis in die entlegensten Einsam-
keiten Finnmarkens, Jämtlands und Lapplands dringt, wo die Bevölkerungs-
dichte heruntergeht bis auf 2 Personen pro Quadratkilometer. Ein Streik in den
Sägewerken an der Küste, ein ausländisches Dumping entscheidet stärker als
eine Mißernte über die Existenz dieser Kleinbauern. Eine Art Staatskolonat
versucht heute diesen Prozeß durch Aussiedelung rückläufig zu machen, oder
durch umfangreichen Straßenbau eine ländliche Arbeitslosigkeit zu markieren.
Die Tatsache, daß Schweden noch vor wenigen Jahren 50 % (heute 25 %) sei-
nes Getreides importiert, beweist, daß die Agrarautarkie im großen ebenso-
wenig existiert wie die geschlossene Hauswirtschaft im kleinen. Zwar steht ™*Iietorifizierung" der'Eisenbahnen hat eben
Schweden mit seinen 23 Mill. ha Wald erheblich hinter der russischen Wald- erst begonnen,
gemarkung von 119 Mill. ha zurück, doch findet es in seinen Wasserwegen weit- Des forces hydrauliques non employees!
aus günstigere Transportmöglichkeiten als Rußland mit seinen ins Nördliche L'Electrification des chemins de fer vient
Eismeer mündenden Flüssen; und zugleich repräsentieren diese natürlichen seulement d'etre commericee
Wasserkräfte längs des ganzen Rückgrates dieses Landes eine unerschöpfliche Unused water-power
elektrische Energiequelle. Heute liegen sie noch zum größten Teil in ihrer un- 5egun
berührt-großartigen Wildheit da, von den Menschen gemieden, vom Holz wie
von Streichhölzern bedeckt, und die ersten Straßen und Betonbrücken fressen
sich in ihre Ufer hinein.

3

Ungenutzte Wasserkraft!

j

The electrification of the railways has only just

Aehnlich ist die schwedische Industrie durch ein doppeltes Gesicht gekenn- Industrie
zeichnet. In Ermangelung größerer Kohlenlager nirgends eine auch nur an-
nähernd gleiche Konzentration und Ausnutzung der hochwertigen Erzlager wie
bei uns etwa im Ruhrgebiet oder in Schlesien. Eingebettet in weite Waldungen,

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