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Die neue Stadt: internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur — 6.1932-1933

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Chronik der Länder
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https://doi.org/10.11588/diglit.17521#0050

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Polen

Eine internationale Sammlung moderner Kunst in Lodz.

Das Beispiel, das vor 25 Jahren von der Doppelstadt Mannheim-Ludwigs-
hafen gegeben wurde — daß es möglich ist, in einer fast traditionslosen
modernen Industriestadt mit vorwiegend proletarischer Bevölkerung eine
Kunstpflege auf völlig moderner Grundlage aufzubauen — scheint sich
heute in der Industriestadt Lodz zu wiederholen. Dort hat das Mitglied
des Magistrats, Smolik, dem städtischen Museum für Geschichte und
Kunst eine neue Abteilung angegliedert, die vor allem die Pflege der
neuesten Kunst betreibt. Der Katalog dieser Abteilung verzeichnet schon
75 Namen, darunter fast alle Vertreter der neuesten Strömungen in
Europa. Wir verzeichnen: Arp, Baumeister, Delaunay, Doesburg, Max
Ernst, Garcia, Gleizes, Herbin, Leger, Lurcat, Ozenfant, Picasso, Prampolini,
Seuphor, Schwitters, Vantongerloo, Vordemberge, u. a. m. Besonders gut
vertreten ist die Gruppe der Maler aus dem Kreis von „Praesens".

Die Stadt Lodz hat auch sonst eine sehr rege Initiative in künstlerischen
Fragen. Sie verteilt alljährlich einen Kunst-Preis von 10 000 Zloty. Für das
Jahr 1932 erhielt den Preis Wladislaw Strzeminski, einer aus der Gruppe
„Praesens", dessen Bilder der geistigen Richtung Mondrians verwandt
sind. Gtr.

Die Wohnungsausstellung in Stanislawow.

Ein dem Int. Verband für Wohnungswesen nahestehender Kreis hat letzten
Herbst in Stanislawow eine Ausstellung für Wohnungs-
reform veranstaltet. Dabei wurde auch unsere „Ausstellung Das Neue
Frankfurt" gezeigt. Einem Bericht über diese Veranstaltung entnehmen
wir folgende Angaben:

Die Veranstalter der Wohnungsschau sind in ihrem Berufe Gesellschafter
einer Firma, die über ein Grundstück im Ausmaße von 6 ha an der Peri-
pherie Stanislau's verfügt. Es gelang ihnen, die Zustimmung der übrigen
Gesellschafter und — was noch um vieles schwieriger war — die Zu-
stimmung der kompetenten Behörden zur Genehmigung eines Parzellie-
rungsplanes zu erwirken, über das die beigelegte Photographie des
Modelles Sie zur Genüge informieren wird. Die Eigentümer des
Grundstückes bauten nun zwei Häuser, ein einstöckiges Einfamilienhaus
7X7,5 m und ein Vierfamilienhaus 7X15 m mit vier Wohnungen, von denen
jede eine Fläche von 40—42 m2 hat. Das Vierfamilienhaus ist nicht als
Typ gedacht. Wir wollten in diesem Hause beweisen, daß auch eine
Wohnung von 40—42 m2, deren Plan gut durchdacht ist, einen großen
Fortschritt gegenüber den bisher hier gebauten Wohnungen darstellt und
viele kulturelle und hygienische Ansprüche befriedigen kann. Um diesen
Beweis vollkommen klar zu erbringen, haben wir die Wohnungen — das
ganze Einfamilienhaus und zwei Wohnungen im Vierfamilienhaus — voll-
kommen eingerichtet. Es sind moderne, einfache Möbel in der Art, wie
sie Professor Schuster entwirft. Die Wohnungen im Vierfamilienhaus
sind für höherqualifizierte Arbeiter und kleine Beamte, die Einfamilien-
häuser für mittlere Beamte und Kaufleute gedacht. Der Entwurf des Sied-
lungsplanes stammt von den Architekten Paul Engelmann und Jerzy Ber-
liner, Häuser und Möbel hat Arch. Paul Engelmann projektiert. In den
zwei übrigen Wohnungen veranstalteten wir eine Ausstellung der Frank-
furter, Wiener und Warschauer Tafeln. Das Wiener Gesellschafts- und
Wirtschaftsmuseum hat uns auf unser Ersuchen sechs große Tafeln und
zehn Photographien, die vor allem die Flachbausiedlungen betrafen, ge-
schickt. Der polnische Verband für Wohnungsreform hat für unsere Aus-

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Kleinhaus-Siedlung in Stanislawow. 1931.
Colonie de petites maisons ä Stanislawow.
Settlements of small dwellings at Stanislawow.

Stellung zwölf didaktische Tafeln ausgeführt, die über alle mit der
Wohnungsreform zusammenhängenden Fragen in sehr interessanter Weise
aufklären. Außerdem sandte uns der polnische Verband den größten
Teil der Exponate des polnischen Teiles der Berliner Ausstellung.
Die Ausstellung hatte großen Erfolg und hat dem Gedanken der Woh-
nungsreform viele Freunde geworben. Sie wurde von 2600 Menschen
besucht, was für Stanislau, eine Stadt mit 60 000 Einwohnern, eine sehr
hohe Ziffer bedeutet. Das Publikum war ein strenger, aber gerechter
Richter. Die Tafeln fanden allgemeine Anerkennung, desgleichen die
Möbel. Es wurden — und mit Recht — verschiedene Mängel der Aus-
führung des Baues beanstandet, aber der Grundgedanke der demon-
strierten Bauweise und Geländeaufschließung fanden beim Laienpublikum
großes Verständnis, Ingenieure, Behörden und Presse verhielten sich
reserviert. Nachfolgend zitiere ich eine Aeußerung unseres lokalen
„Kurjer Stanislawoski", des Halbwochenblattes über die Frankfurter Teile:

„Die Tafeln müssen die Aufmerksamkeit eines jeden sich für soziale
Probleme interessierenden Menschen erwecken. Sowohl Hygie-
niker als auch Soziologen, ja jeder denkende Mensch wird die
Tafeln mit größtem Interesse studieren."

Veranstalter der Ausstellung war eine neugegründete Genossenschaft
„Nowe Domy" (Neue Häuser), die die Bauaktion organisieren will. Die
Grundrisse des Einfamilienhauses und der Kleinstwohnungen weisen keine
besonderen Eigenschaften gegenüber den deutschen Typen auf.

Dr. Benedikt Liebermann.

Belgien

Die Hochhaus-Frage.

Seitdem in Antwerpen das erste Hochhaus des Landes gebaut wurde,
das nunmehr neben dem wunderbaren schlanken Turm der Kathedrale die
zweite Vertikale dieser so sehr horizontal gelagerten Stadt bildet, ist die
Frage des Hochhausbaues auch in Brüssel eifrig diskutiert worden.
Ueber die Projekte von Victor Bourgeois, die unter Anlehnung
an Le Corbusier für das Zentrum der Stadt eine Hochhaus-Bebauung vor-
schlug, haben wir an dieser Stelle schon berichtet. Nun publiziert der
Architekt St. D a s i n s k i einen zweiten Vorschlag, der nicht, wie Bour-
geois, das Gelände beim Ostbahnhof, sondern das Quartier an der Börse
betrifft. Wir werden auf diese Projekte noch ausführlich zurückkommen.

Gtr.

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