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standteile dem Anschein nach Ocker und Weiß sind. Doch ist das
Gesicht dunkeigrau unterlegt, wie das an vielen abgescheuerten
kleinen Stellen deutlich zu erkennen ist. Die Hände sind gleichfalls aut
dunklem Grunde ausgeführt, doch scheint es, daß sie ohne weiteres auf
das dunkle Gewand hingesetzt sind. Das Gesicht und die rechte Hand
weisen eine befriedigende Erhaltung auf, auch die Stelle mit der Signatur.
Dagegen lassen andere große Bezirke des Bildes erkennen, daß es bis in
die Leinwand an vielen Stellen tiefgreifende Schäden erlitten hatte, die
mindestens viermal ausgebessert worden sind, jedesmal durch Kitt, der von
Fall zu Fall anders gefärbt war. An den meist beschädigten und ausgebesserten
Stellen sieht das Gemälde gegenwärtig nach der Wegnahme der deckenden
Untermalungen wie grobes Mosaik aus. Die besterhaltenen Stellen, nicht
zuletzt die rechte Hand, lassen eine merkwürdig sichere, zielbewußte, geist-
reiche Pinselführung erkennen, wie sie nur Meisterwerken zukommt. Der neu-
entdeckte Tizian ist in dem Zustand, in welchem er sich jetzt befindet, ein
hervorragend günstiger Studiengegenstand. Und die schonungsvolle Art, mit
welcher Gerisch Bilder zu behandeln pflegt, bürgt dafür, daß auch nach der
Zusammenstimmung der verkitteten Stellen die alte Technik des Meisters
nicht verwischt oder verdeckt sein wird.
Wien, 20. Juni 1914. Der Herausgeber.
An Michael Munkäcsy, den Eigenartigen im Leben und in der Kunst,
wird man neuerlich wieder kräftigst erinnert durch ein Buch, das von
Charles Sedelmeyer verfaßt ist. *M. v. Munkäcsy, sein Leben und seine
künstlerische Entwicklung« heißt es, und in Sedelmeyers eigenem Verlag ist
es erschienen. Ich habe es mit Spannung durchgenommen. Erinnerte es mich
doch an meine ersten Eindrücke von der gehaltvollen, oft wuchtigen Malerei
des ungarischen, besser des allvölkischen Meisters, besonders an die Aus-
stellung des Christus vor Pilatus im Frühling 1881 bei Sedelmeyer in Paris,
an die Wiener Munkäcsyaussteliung 1882 im Österreichischen Kunstverein
und so fort bis zu den Schaustellungen der späten und spätesten Arbeiten
des Malers. Sedelmeyer, mit Munkäcsy eng befreundet, kannte den Künstler
wie wenige andere, und wenn er in gewiß ungeheuchelter Begeisterung über
ihn spricht, verdient er, gehört zu werden. Sedelmeyers Vorliebe für Mun-
käcsy ist nicht von heute, und wenn er neben vielen anderen Werken des
Malers auch solche aus seinem eigenen Besitz bespricht, so braucht deshalb
die Wärme nicht verdächtigt zu werden, mit welcher er den Künstler be-
handelt. Er bietet uns nicht etwa eine wissenschaftliche Monographie, die
sich mit der ganzen Literatur auseinandersetzt (Sedelmeyer benutzt fast nur
die Lebenserinnerungen, die von Boyer d'Agen festgehalten worden sind,
und eine Reihe von Zeitungsstimmen), sondern eine reichillustrierte Über-
sicht über des Meisters Schaffen und eine knappe Erzählung seines Lebens-
ganges. ln rascher Führung werden wir aus Munkäcs, dort ist Michael Lieb
1844 geboren, nach Miskolcz geleitet, nach Csaba zu Onkel Roeck, nach
Gyula in die Tischlerwerkstatt Langis, nach Arad wieder in Tischlerwerk-
stätten. (Ergänzungen der Angaben bei Boyer d'Agen ergeben sich zur Lehr-
zeit in Arad aus meinen Mitteilungen in Lützows Kunstchronik von 1899
standteile dem Anschein nach Ocker und Weiß sind. Doch ist das
Gesicht dunkeigrau unterlegt, wie das an vielen abgescheuerten
kleinen Stellen deutlich zu erkennen ist. Die Hände sind gleichfalls aut
dunklem Grunde ausgeführt, doch scheint es, daß sie ohne weiteres auf
das dunkle Gewand hingesetzt sind. Das Gesicht und die rechte Hand
weisen eine befriedigende Erhaltung auf, auch die Stelle mit der Signatur.
Dagegen lassen andere große Bezirke des Bildes erkennen, daß es bis in
die Leinwand an vielen Stellen tiefgreifende Schäden erlitten hatte, die
mindestens viermal ausgebessert worden sind, jedesmal durch Kitt, der von
Fall zu Fall anders gefärbt war. An den meist beschädigten und ausgebesserten
Stellen sieht das Gemälde gegenwärtig nach der Wegnahme der deckenden
Untermalungen wie grobes Mosaik aus. Die besterhaltenen Stellen, nicht
zuletzt die rechte Hand, lassen eine merkwürdig sichere, zielbewußte, geist-
reiche Pinselführung erkennen, wie sie nur Meisterwerken zukommt. Der neu-
entdeckte Tizian ist in dem Zustand, in welchem er sich jetzt befindet, ein
hervorragend günstiger Studiengegenstand. Und die schonungsvolle Art, mit
welcher Gerisch Bilder zu behandeln pflegt, bürgt dafür, daß auch nach der
Zusammenstimmung der verkitteten Stellen die alte Technik des Meisters
nicht verwischt oder verdeckt sein wird.
Wien, 20. Juni 1914. Der Herausgeber.
An Michael Munkäcsy, den Eigenartigen im Leben und in der Kunst,
wird man neuerlich wieder kräftigst erinnert durch ein Buch, das von
Charles Sedelmeyer verfaßt ist. *M. v. Munkäcsy, sein Leben und seine
künstlerische Entwicklung« heißt es, und in Sedelmeyers eigenem Verlag ist
es erschienen. Ich habe es mit Spannung durchgenommen. Erinnerte es mich
doch an meine ersten Eindrücke von der gehaltvollen, oft wuchtigen Malerei
des ungarischen, besser des allvölkischen Meisters, besonders an die Aus-
stellung des Christus vor Pilatus im Frühling 1881 bei Sedelmeyer in Paris,
an die Wiener Munkäcsyaussteliung 1882 im Österreichischen Kunstverein
und so fort bis zu den Schaustellungen der späten und spätesten Arbeiten
des Malers. Sedelmeyer, mit Munkäcsy eng befreundet, kannte den Künstler
wie wenige andere, und wenn er in gewiß ungeheuchelter Begeisterung über
ihn spricht, verdient er, gehört zu werden. Sedelmeyers Vorliebe für Mun-
käcsy ist nicht von heute, und wenn er neben vielen anderen Werken des
Malers auch solche aus seinem eigenen Besitz bespricht, so braucht deshalb
die Wärme nicht verdächtigt zu werden, mit welcher er den Künstler be-
handelt. Er bietet uns nicht etwa eine wissenschaftliche Monographie, die
sich mit der ganzen Literatur auseinandersetzt (Sedelmeyer benutzt fast nur
die Lebenserinnerungen, die von Boyer d'Agen festgehalten worden sind,
und eine Reihe von Zeitungsstimmen), sondern eine reichillustrierte Über-
sicht über des Meisters Schaffen und eine knappe Erzählung seines Lebens-
ganges. ln rascher Führung werden wir aus Munkäcs, dort ist Michael Lieb
1844 geboren, nach Miskolcz geleitet, nach Csaba zu Onkel Roeck, nach
Gyula in die Tischlerwerkstatt Langis, nach Arad wieder in Tischlerwerk-
stätten. (Ergänzungen der Angaben bei Boyer d'Agen ergeben sich zur Lehr-
zeit in Arad aus meinen Mitteilungen in Lützows Kunstchronik von 1899