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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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VIII. und IX. Lieferung (Dezember 1914, Kriegsheft)
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Frimmel, Theodor von: Bilderschicksale: Vortrag, gehalten zugunsten des Roten Kreuzes am 8. November 1914 in Wiener-Neudorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0213

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alten Seiten her zu erwerben. Die neueren Verzeichnisse der Berliner
Galerie legen davon Zeugnis ab.
Viele Bilder, wenn sie einer bestimmten großen Sammlung angehört
haben, lassen dieselben Wanderungen erkennen. Z. B. sehr viele Bestand-
teile der alten Brüßler Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm, des
kaiserlichen Statthalters in den Niederlanden.
Die Sammlung kam als Ganzes nach Wien in kaiserlichen Besitz, in
dem sie sich immer wieder vererbt. Sie wurde in die alte Stallburg, dann ins
Belvedere gebracht, dann, von den Franzosen geraubt, nach Paris geschleppt
und ging wieder zurück nach Wien ins Belvedere und von dort ins neue
Hofmuseum. Freilich gilt es nicht annähernd für alle Bilder des alten
Inventars, von denen manche ganz andere Wege genommen haben, ganz
abgesehen von den verschollenen.
[Die gruppenweise Wanderung von Gemälden fällt am meisten auf
beim Verkauf ganzer Sammlungen an einen Besitzer oder bei Schenkungen
und Vermächtnissen, die sogleich ganze Galerien betreffen. Aber auch
sonst wiederholen sich in der Zusammentragung aus einzelnen Bestand-
teilen die Schicksale der Bilder in mehreren Galerien so oft, daß sich eine
Gruppenbildung ergibt, z. B. für die französischen Provinzgalerien in
Bordeaux, Caen, Dijon, Lille, Lyon, Marseille, Nancy, Nantes,
Rennes, Rouen. Diese Galerien sind zum Teil in ihren besten Bestandteilen
aus dem Raub gebildet, den die Franzosen um 1800 in vielen Ländern,
hauptsächlich in Italien, Österreich und Belgien, ausgeführt haben. Ein Erlaß
von 1800 ordnete in den genannten Städten, überdies in Brüssel, Genf,
Mainz, Straßburg, die damals französisch waren, die Gründung von
Museen an durch Anweisung von erbeuteten Bildern. (Hiezu die Kataloge
der Galerien in den genannten Städten, in erster Linie den großen Katalog
von E. Letis für die Brüßler Galerie.) Die kleinen örtlichen Bestände aus
früheren Zeiten wurden damals mit den Bildern aus dem Beutezug in den
genannten Museen vereinigt. Staatliche Ankäufe und Widmungen von ein-
zelnen kamen später hinzu.
Mehr eigenartig ist die Geschichte der Privatgalerien bei Kunstfreunden
vergangener Jahrhunderte. Man mag sie im großen immerhin in Dauer-
sammlungen und in kurzlebige einteilen, je nachdem sie bis heute aus-
gedauert haben oder bald zerstückelt worden sind.]
Leider gibt es aus dem großen Bildervorrat, auf den man bei den
verschiedenen Galeriebesitzern nach alten Inventaren schließen kann, mehr
als genug verschollene Werke.
Nur selten sind alte Kopien da, aus denen man wenigstens über das
Wesentliche unterrichtet wird. Derlei Kopien gibt es von Raffaels »Ma-
donna mit der Nelke«, deren Urbild jedenfalls verschollen ist. (Eine Photo-
graphie nach einer guten alten Kopie, nahezu sicher von der Hand des
Domenechino, war aufgelegt.)
[Nahezu jeder Besitzer einer alten Kopie meint einmal, das wirkliche
Original zu bewahren. Als angebliches Urbild wird bei Ad. Rosenberg,
»Raffael« (1903/04, S. 28) das Exemplar beim Grafen Spada in Lucca ab-
gebildet. Dann sollte 1912 das angebliche Original wieder in einer
schwedischen Versteigerung vorgekommen sein (»Hamburger Fremden-
blatt« vom 29. Dezember 1912), wo es von Anders Zorn gekauft wurde.
 
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