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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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Frimmel, Theodor von: Die vier apokalyptischen Reiter in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0236

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aber es fehlt jeder Zug von Großartigkeit, wie sie doch die Offenbarung
gewiß, wenn auch nicht der Lavatersche Text bekundet. Ich meine auch,
daß sich nicht leicht ein Stoff finden ließe, der dem Wesen Chodowieckis
so wenig entspräche, wie die Apokalypse. Danach sind denn auch die Illu-
strationen ausgefallen, von denen ich nur die zum VI. Kapitel der Offen-
barung (beziehungsweise zum 5. Gesang des Gedichtes, S. 39 ff.) hervor-
hebe. Als Titelbildchen des bezeichneten Abschnittes finden wir dargestellt
die Halbfigur eines fast nackten Jünglings mit wallenden Locken und zwei
kleinen Flügeln am Haupte. Über die rechte Schulter fällt ein Stück Mantel.
Mit der beschriebenen Figur ist wohl der Seher Johannes gemeint. Die
Flügel deuten auf sein Symbol, den Adler. Als Illustration zur Stelle von
der Eröffnung des ersten Siegels finden wir nun keinen Reiter, sondern in
einer kleinen Vignette nur zwei aus Wolken ragende Arme, die einen Bogen
spannen. Statt des Reiters, der nach Eröffnung des zweiten Siegels sichtbar
werden sollte, wird uns in einer kleinen Vignette nur ein Arm gezeigt, ein
nackter rechter Vorderarm, der aus einem dunklen Wolkenballen hervorragt.
Die Hand hält ein kurzes Schwert mit ovalem Stichblatt. Den dritten Reiter
vertritt ein Vorderarm mit einer Waage und statt des vierten Reiters wird
uns folgendes kleines Breitbild vor Augen gestellt: Eine niedrige Boden-
erhebung steigt nach links im Mittelgründe an. Spärliches grobes Gras ist
die einzige Vegetation, die wir dort gewahr werden. Auf dem erwähnten
Hügel liegen zwei vollständige Skelette ausgestreckt und einige Reste von
Skeletten zerstreut, zwei Schädel, einige lange Röhrenknochen, Rippen und
Wirbel. Die dargestellten Knochen sind realistisch aufgefaßt, wenn auch ohne
auffallendes anatomisches Verständnis gebildet. Mit dieser Darstellung der
Wirkungen des Todes, statt des Todesreiters selbst, müssen wir vorlieb
nehmen.
Gleichfalls entfernt von jeder Tradition, aber doch wenigstens an dem
Bilde der Reiter festhaltend und nicht ohne Schwung gezeichnet sind die
Figuren zum VI. Kapitel in „The holy bible" (London, Thomas Macklin and
Bensley 1791 bis 1800, sechs Bände Gr.-FoL). Nur zwei von den vier Reitern
sind dargestellt. Das dritte Bild des sechsten Bandes betrifft „The Vision of
the white horse".*) Diesem Titel entsprechend ist auch der Reiter auf weißem
Pferd in den Vordergrund gerückt. Auf Wolken stürmt er heran, trägt eine
Krone und ist mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. Hinter ihm sprengt der
zweite Reiter aus den Wolken hervor. Dieser führt ein gewaltiges Schwert.
Der unrichtige Hinweis unter dem Titel, der das XIX. Kapitel, 11, 12, statt
das VI. nennt, sei angemerkt. Denn daß der Zeichner nicht den Reiter des
XIX. Kapitels gemeint hat, ist sicher. Hat er ihm doch einen zweiten Reiter
mit dem Schwerte in der Hand folgen lassen.
Die eben erwähnte Bibel zeigt vielfach klassizistische Auffassung in
ihren Illustrationen. Noch mehr aber tritt diese in der eilfbändigen, im Jahre
1804 erschienenen „Sainte bible traduite en francais . . . par de Sacy" (kl.-4^)
hervor. Die Bilder darin sind nach Marilliers Zeichnungen gestochen. Nicht
nur in den Kostümen kommt die klassizistische Richtung zum Ausdruck,
sondern auch in Kleinigkeiten. So haben z. B. die sieben Lampen, die zu

*) Der Stich ist nach einer Komposition von P. J. de Loutherbourg von John
Landseer ausgefiihrt.
 
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