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Anfang der Apokalypse Vorkommen, antike Formen. Die Köpfe zeigen augen-
scheinlich das Studium der Antike. Johannes erscheint uns als griechischer
Philosoph. Einer der 24 Ältesten hat einen Sokrates-Kopf. Dieselbe Auf-
fassung fällt auch an dem Bilde mit den vier Reitern auf. Den ersten sehen
wir rechts im Vordergründe mit der Krone auf dem Haupte, den gespannten
Bogen in den Händen. Sein Kostüm ist dem eines römischen Imperators
nachgebildet. Auch der zweite Reiter trägt antikisierende Kleidung; Schwert
und Schild sind ihm beigegeben. Der dritte Reiter mit der Waage schließt
sich in der Tracht gleichfalls an die Antike. Endlich der vierte Reiter, den
wir am weitesten zurück nach links hin (vom Beschauer) galoppierend er-
blicken. Es ist eine muskulöse nackte Jünglingsgestalt, deren klassizistische
Auffassung, ganz abgesehen von stilistischen Merkmalen, dann besonders
hervortritt, wenn man berücksichtigt, daß vom 15. Jahrhundert bis weit ins
18. der Tod in der Apokalypse fast ausnahmslos als Skelett gebildet worden
ist. Unser Todesreiter von 1804 ist nun nichts weniger als ein Gerippe; er
strotzt von Lebensfülle. Auf seiner linken Schulter ruht die Sense. Vom
Kopfe nach hinten weht eine Art Schleier. Noch weiter im Hintergründe
steigen Flammen aus den Wolken auf („und die Hölle folgte ihm nach").
Von apokalyptischen Reitern des Führich (1823 und später), Steinle
{1835 und 1838), des Jul. v. Schnorr (gegen 1851) und anderer werden
wir noch hören. Diese Werke sind teils vergessen, teils verschollen und
haben niemals irgend welche Bedeutung für die Entwicklung der Kunst
gehabt, wie sehr auch z. B. Führichs Zeichnungen an und für sich von
Wert sind.
Ein großer Zug kommt in die Darstellung der vier apokalyptischen
Reiter erst wieder durch Cornelius. Seine Komposition, entstanden von
1845 auf 1846 in Rom und für den Campo Santo beim alten Berliner Dom
bestimmt, ist auf dem Gebiete der apokalyptischen Bilder das wuchtigste
Werk, das seit Dürer geschaffen worden ist. Der Karton des Cornelius ist
vielen im Urbild bekannt aus der Berliner Nationalgalerie. Andere haben
gewiß die wildbewegte Szene in einer Nachbildung kennen gelernt, sei es
durch den 1849 ausgegebenen Stich von Julius Thäter, sei es aus der
G. Wigandschen Veröffentlichung sämtlicher Kartons für den Berliner Campo
santo (von 1848), sei es aus den „Denkmälern der Kunst" oder den See-
mannschen „Kunsthistorischen Bilderbogen" oder dem „Art journal" (von
1865, S. 2), sei es aus Oeser-Grubes Ästhetischen Briefen oder der „Histoire
des peintres de toutes les ecoles" oder den Annales archeologiques, in
denen für Texiers „Iconographie de la mort" das Klischee des „Magazin
pittoresk" wieder benützt wurde, oder aus den Aufnahmen der photo-
graphischen Gesellschaft in Berlin, sei es endlich anderswoher.
Im allgemeinen darf ich wohl die Komposition als bekannt voraus-
setzen. Im einzelnen ist auf Manches erst aufmerksam zu machen, gewiß
nicht zuletzt auf die Gestaltung des Todes, die Cornelius für seinen vierten
apokalyptischen Reiter gewählt hat. Er vermied das Skelett und bildet seinen
Tod als eine zwar magere, aber muskelstarke Figur, welche die Sense schwingt.
Cornelius hatte früher den Tod in anderem Zusammenhang auch anders
dargestellt, und zwar im Göttersaal der Münchener Glyptothek (vierte Ab-
teilung links vom Fenster). Dort wählte der Meister die antikisierende Auf-
fassung in dem Sinn, wie etwa auch Carstens den Tod als Sohn der Nacht
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Anfang der Apokalypse Vorkommen, antike Formen. Die Köpfe zeigen augen-
scheinlich das Studium der Antike. Johannes erscheint uns als griechischer
Philosoph. Einer der 24 Ältesten hat einen Sokrates-Kopf. Dieselbe Auf-
fassung fällt auch an dem Bilde mit den vier Reitern auf. Den ersten sehen
wir rechts im Vordergründe mit der Krone auf dem Haupte, den gespannten
Bogen in den Händen. Sein Kostüm ist dem eines römischen Imperators
nachgebildet. Auch der zweite Reiter trägt antikisierende Kleidung; Schwert
und Schild sind ihm beigegeben. Der dritte Reiter mit der Waage schließt
sich in der Tracht gleichfalls an die Antike. Endlich der vierte Reiter, den
wir am weitesten zurück nach links hin (vom Beschauer) galoppierend er-
blicken. Es ist eine muskulöse nackte Jünglingsgestalt, deren klassizistische
Auffassung, ganz abgesehen von stilistischen Merkmalen, dann besonders
hervortritt, wenn man berücksichtigt, daß vom 15. Jahrhundert bis weit ins
18. der Tod in der Apokalypse fast ausnahmslos als Skelett gebildet worden
ist. Unser Todesreiter von 1804 ist nun nichts weniger als ein Gerippe; er
strotzt von Lebensfülle. Auf seiner linken Schulter ruht die Sense. Vom
Kopfe nach hinten weht eine Art Schleier. Noch weiter im Hintergründe
steigen Flammen aus den Wolken auf („und die Hölle folgte ihm nach").
Von apokalyptischen Reitern des Führich (1823 und später), Steinle
{1835 und 1838), des Jul. v. Schnorr (gegen 1851) und anderer werden
wir noch hören. Diese Werke sind teils vergessen, teils verschollen und
haben niemals irgend welche Bedeutung für die Entwicklung der Kunst
gehabt, wie sehr auch z. B. Führichs Zeichnungen an und für sich von
Wert sind.
Ein großer Zug kommt in die Darstellung der vier apokalyptischen
Reiter erst wieder durch Cornelius. Seine Komposition, entstanden von
1845 auf 1846 in Rom und für den Campo Santo beim alten Berliner Dom
bestimmt, ist auf dem Gebiete der apokalyptischen Bilder das wuchtigste
Werk, das seit Dürer geschaffen worden ist. Der Karton des Cornelius ist
vielen im Urbild bekannt aus der Berliner Nationalgalerie. Andere haben
gewiß die wildbewegte Szene in einer Nachbildung kennen gelernt, sei es
durch den 1849 ausgegebenen Stich von Julius Thäter, sei es aus der
G. Wigandschen Veröffentlichung sämtlicher Kartons für den Berliner Campo
santo (von 1848), sei es aus den „Denkmälern der Kunst" oder den See-
mannschen „Kunsthistorischen Bilderbogen" oder dem „Art journal" (von
1865, S. 2), sei es aus Oeser-Grubes Ästhetischen Briefen oder der „Histoire
des peintres de toutes les ecoles" oder den Annales archeologiques, in
denen für Texiers „Iconographie de la mort" das Klischee des „Magazin
pittoresk" wieder benützt wurde, oder aus den Aufnahmen der photo-
graphischen Gesellschaft in Berlin, sei es endlich anderswoher.
Im allgemeinen darf ich wohl die Komposition als bekannt voraus-
setzen. Im einzelnen ist auf Manches erst aufmerksam zu machen, gewiß
nicht zuletzt auf die Gestaltung des Todes, die Cornelius für seinen vierten
apokalyptischen Reiter gewählt hat. Er vermied das Skelett und bildet seinen
Tod als eine zwar magere, aber muskelstarke Figur, welche die Sense schwingt.
Cornelius hatte früher den Tod in anderem Zusammenhang auch anders
dargestellt, und zwar im Göttersaal der Münchener Glyptothek (vierte Ab-
teilung links vom Fenster). Dort wählte der Meister die antikisierende Auf-
fassung in dem Sinn, wie etwa auch Carstens den Tod als Sohn der Nacht
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