Es überkam ihn ein Zustand von Wursthafiig-
keii, er begann sich seine Lage anzusehen. AUer-
dings, er war in die Faiie gegangen. Da heraus
kommen! Er biß um sich, das war harter Draht,
so gings nichi. Sein Schwanz war freigemacht,
offenbar von Frau Stange seiber. Vieiieicht konnte
er auch hoffen —! Er setzte sich recht timid hin
und wartete, er gab sich ats einen, der nicht auf
drei zähien kann, dem man ruhig die Zeüentür öff-
nett könute, der seibst dann nicht entfiöhe aus der
süßen — verwünschten — Nähe des Speckes jener
dummen Sau.
Frau Stauge kam von neuem auf ihn zu, er sah
sie recht treuherzig an und putzte sich sogar. Frau
Stange iächeite ihm zu. Oh wie er jetzt hoffte und
an seine Traute, an dieses Wiedersehen dachte!
Aber baid verior er wieder die Hoffnung, Frau
Staitge iöschte die Fiamme aus, hob den Kessei
A'om Herd und schrie iaut: „Wer wiii noch einmai
die Maus sehen!" Es iärmte und gröhite ein Haufen
daher, ein Eimer wurde auf den Boden gesetzt,
der Kessei wurde itineingeschüttet, es quaimte und
dampfte. Die Stimme: „Tötet das süße Mäusiein
nicht!" wurde überhört. Dem Mäuserich krampfte
es das Herz; „wenn das ihn betraf — o Traute!",
währenddem ihm vieie vergnügte Qesichter Lie-
besworte zufiiisterten „du süßes Mäuschen". Acit,
heim Biick in den Dampf des Eimers auf dem Bo-
den mißtraute er dieser Liebkosung der Riesen.
Wahrhaftig, es gait ihm, es ging in den Ab-
grund, er ftihite die Nähe des heißen Pfuhis, kiet-
terte verzweifeit in die oberste Ecke der Faiie,
ein Pfiff entrang sich ihm „Traute süße", ein kai-
ter Ruck, und ein giatter Leichnam wurde aus dem
heißen Sud gezogen.
Wie abscheuiich! aiies schütteite sich in Qrau-
\mr dem, weichen man soeben noch süßes Mäus-
cheu genannt hatte.
Die Kiappe der Faiie wurde geöffnet und Arturs
Kadaver aus der dritten Etage in den Hof ge„
schieudert. nächsten Morgen beim Kehren vom
Portier — mit einem Fiuch gegen oben gefunden,
mit einer Zange in den Mülikasten getragen, wo er
sein Grab fand.
Frau Stange badete seibige Nacht ihren Lebens-
nam, schneeweiß, gedachte beim Erinnern an die
Maus nur der einzigen Interessantheit, daß am
Leichnam die Maus deutiich ais Mann zu erkennen
war, um den es immerhin schade war.
Die Mäusin grämte sich, warum Artur nicht
zurückkam. Spätestens um zehn soiite er wieder
da sein, weii man das Haus schioß.
Sie fühite schon die zwanzigbeinigen Stöße
der Kieinen in ihrem Bauch, und es hatte not, baid
das Nest zu finden. Trübseiig hing sie den Kopf.
Die ietzten Straßenbahnen roiiten schon vorüber,
er kam nicht .
Sie konnte ja nicht ahnen, daß ihr schöner
Mann nicht aiizuweit von ihr in so schaudervoiiem
Ansehen auf dem Hofpfiaster iag. Aber da ihm
doch irgend etwas zugestoßen sein mußte, machte
sie sich schiießiich auf, ihn zu suchen.
Leiciit fand sie den Weg, den er hingegangen
war, an vieien Orten hatte er ein Exkrement ais
Wegzeichen und Andenken hingesetzt. Mit Freu-
den passierte sie immer wieder so eine Steiie, wo
etwas voi ihm iag. So war er aiso doch so weit
gekommen! Da fand sie ihn vieiieicht noch, am
Ende hatte er sie bioß geschwind aus Freßsucht,
die sie an ihm kannte, vergessen. Irgendwo hockte
er und schiemmte! Immer mehr vermutete sie
dies, und ihre Sorge, er könnte in die Faiie gegan-
gen sein, schwand.
Wie sie hoch oben bis zur dritten Etage gewan-
dert war, verioren sich des Liebsten Spuren in
der Ebene. Mit einer gewissen ehrfürchtigen
Scheu trat sie in das Land ein, wo sie ihn bei lecke-
rem Mahle zu finden ganz bestimmt hoffte.
Sie fand baid vieie Plätze, wo er gewesen war.
Aber ihn selbst fahd sie nirgends. Sie pfiff ihm in
dünnem, nur seinem Ohr vernehmiichen Ton. Es
wuchs ihre Sorge wieder, da gar nie eine Ant-
wort erfoigte.
Besonders an einer Steiie, wo sie jetzt ankani,
befiei sie tiefe Angst. Da bog ein Wasserrohr ab
in die Wand, da iagcn Haare, wie er sie hatte. Eine
getrocknete winzige Pfütze, ais wenn er hier nach
ihr geweint haben müßte.
Sie wimmerte, daß ihre zappeinde Brut in ihr
bebte, hastete unruhig tierum, ging gedankenios an
aiien Schönheiten und Veriockungen vorbei, trübe
den Kopf hinabhängend.
Schiießiich gab sies auf, ihn zu suchen. Sie
mußte sich ein Nest zurichten an einem Ort, wo
sie niemand vermuten und stören konnte. Dazu
erwähtte sie sich einen großen Schrank. Mit fie-
berhaftem Eifer begann sie ein Loch in den
Schrank zu nagen, dann woiite sie innen irgend-
eine Pocktasche benutzen, um in ihr das Wochen-
bett durchzumachen.
Das Loch gedieh erfreuiich rasch, und sie
konnte hoffen, in zwei Nächten freien Eingang zu
haben.
Piötziich fiel ein Lichtschein an ihr vorüber,
und sie wurde ganz stiii. Es iiefen schwere Tritte
wie von Riesen, dann wurde die Schranktür iaut
knarrend geöffnet. Das Licht eriosch wieder, und
sie woüte gerade das Nagewerk fortsetzen, ais
eine siiße Speckiuft sich um sie iegte und sie um-
kreiste.
Da war eine Faiie hingesteiit worden!
Woher sonst soiite aui einmai der Speck kom-
men?!
Sie horchte gespannt und hörte nun fiüstern.
Herr Stange sagte zu Frau Stange: „Ich
giaube, daß sie so nicht in die Faiie geht, das
merkt sie. Es war für die Katze, extra in die
Küche zu gehen, dcn Speck anzubrotschein, die
Faiie zu steiien, nur um sich kaite Fiiße zu hoien."
Aber obgieich Traute aui der Hut war, so
bangte sie doch vor der Qefahr, denn ob sie vom
Geruch wegiief oder ihm entgegen, vermochte sie
nicht zu entscheiden. Eines wußte sie jetzt, dieser
Duft war ihres armen Mannes Verhängnis ge-
worden.
Mit Enttäuschung sah die gespannte Mausefaiie
unter Frau Stanges Schrank hinab, ais sagte sie:
„Qott, kommst du nicht endiich." Die Faiie stand
offenbar hier nicht richtig, sie biieb ieer.
Im Stangeschen Haushait irrte nun Traute,
wohl reichlich Nahrung, aber schiechten Unter-
schlupf findend, umher. Kein Mensch bemerkte
unter Tags ihre schwangere Anwesenheit, die
sonst im Leben mit so viel Anstoßen und Nase-
rümpfen schleunigst an holden Pepräsentantinnen
bemäkelt wird. Trotz dieser Ungestörtheit wurde
es der irrenden Traute immer verzweifeher zu
Mut. Die Kleinen in ihr wollen gar nimmer Ruhe
geben, oft fiel sie geschwinde hin. Es wurde Zeit
zum Neste.
Herr Stange setzte sich der Küche gegenüber
gerade an den Tisch und feierte Halbmond, indem
er in der dunklen Scite saß und die Küche erleuch-
tet war. Er dachte so gut wie nichts, sah vielmehr
ins Helle. Seine Frau näherte sich ihm tastbar, es
wäre vielleicht zum Kusse gekommen.
Aber Herr Stange stand auf mit Empörung:
„Soeben lief in aller gemütlichen Frechheit lang-
sam eine riesengroße Maus von der Eimerbank
zum Abwaschschrank, es ist doch unerhört! Wir
haben jetzt also richtig Mäuse. Nicht mehr aus-
nahmsweise eine Maus, nein, .Mäuse' haben wir!"-:
Frau Stange schlug entsetzt an ihre Brust.
Man lief zur FaMe und präparierte den Speck.
Mit Jägergenie stellte Herr Stange die Falle auf
„den Wechsel" der Maus. Da mußte sie in Sekun-
den gefangen sein! '
In der Küche roch es zufällig sehr stark nach
verbranntem Pflaumenkuchen, daß jeder andere
Geruch darin ersticken mußte.
Frau Stangc bezweifelte darum die Wirkung
des Specks, aber Herr Stange hielt daran fest:
„Mit Speck fängt man Mäuse."
Die Faile stand.
Die Pettung des verbrannten Pflaumenkuchens
nahm alle Hände sodann in Anspruch.
Es mußte verhext sein, es schnappte und
klappte, es schien kein Augenblick. Die Maus
mußte direkt auf den Speck gewartet haben.
Herr Stange frohlockte mit hocherhobener
Jagdtrophäe, die zur schweren Hälfte aus der Falle
heraushing.
Die Gefangene ächzte: „Verfluchter Pflaumen-
kuchen, der mir die Witterung genommen hatt!"
Aber mit Speck fängt man Mäuse, frohlockte der
Jäger, hab ichs nicht gesagt?!
Im Qlücke seiner Einfalt befreite er durch lei-
ses Anheben derKlappe dieMaus— die eineKapi-
talmaus war — aus ihrer Schmerzenslage, und
Traute huschte vollends in den Käfig hinein.
Frau Stange, welche durch ihre Kunst im Pflau-
menkuchenbacken eigentlich die Schuldige an der
Maus Schicksal geworden war, hatte den Pflau-
menkuchen vom Blech gelöst und eilte nun herbei.
Traute und Frau Stange sahen sich an. Mit
einem Blick-!
Er hieß: „Wir sind schwanger."
Eine Maus, die Junge kriegt, ist es, erhob sich
ein Jubel. Die sperrt man diesmal ein! Die Kinder
freuten sich schon der jungen Mäuslein. Und man
wünschte nur den getöteten Mäuserich wieder zu-
rück! Hätte man ihn nicht getötet, jetzt hätte man
die schönste Familie Maus beieinander.
Traute schien zu verstehen und hockte mit
ihrem dicken Leib in der Falle.
Es war am dritten Tage, nachdem sie ihren
Mann verloren hatte.
Frau Stange sah recht oft und innig zu ihr in
die Falle: „Dein armes Männel erlebt deine Freude
an deinen Kinderchen nicht mehr." Es wurde den
beiden Frauen recht weh ums Herz und sie schlos-
sen schnell Freundschaft.
Traute ließ die Zuakungen ihres Leibes beob-
achten und ließ ausrechnen, wie lange es ungefähr
noch dauern werde.
In einem alten Einmachglas, das mit einem
durchlochten Bohnerwachsdeckel zugedeckt war,
stand sie schließlich mitten auf dem Tisch beim
Abendbrot, Frühstück, Mittagessen.
Zum Schein freute man und ergötzte sich an
ihren reizenden Bewegungen, in Wahrheit warf
man gierige Blicke auf den Bauch der Qefangenen,
obs bald losginge.
Traute bekam die besten Sachen kredenzt, aber
sie nahm außer einem kleinen Bröckelchen mit
Milch keine Nahrung zu sich. Ein Extra-Aufzug
für Milch, der ins Qias gearbeitet wurde, machte
nicht einmal Eindruck auf sie. Dann drückte sie
oft so eigentümlich, als müßte sie husten, saß im-
mer trübseliger und zwinkerte mit den Augen.
Frau Stange iieß kein Auge mehr von ihrer Qe-
fangenen. sie zweifelte nicht, daß die Maus in
Wehen lag.
Und es fügte sich, daß man zu Tische saß und
die Tischgenossin im Qlas das erste Junge zutage
förderte. — Qerade, wie wenn eine Katze auf
109
keii, er begann sich seine Lage anzusehen. AUer-
dings, er war in die Faiie gegangen. Da heraus
kommen! Er biß um sich, das war harter Draht,
so gings nichi. Sein Schwanz war freigemacht,
offenbar von Frau Stange seiber. Vieiieicht konnte
er auch hoffen —! Er setzte sich recht timid hin
und wartete, er gab sich ats einen, der nicht auf
drei zähien kann, dem man ruhig die Zeüentür öff-
nett könute, der seibst dann nicht entfiöhe aus der
süßen — verwünschten — Nähe des Speckes jener
dummen Sau.
Frau Stauge kam von neuem auf ihn zu, er sah
sie recht treuherzig an und putzte sich sogar. Frau
Stange iächeite ihm zu. Oh wie er jetzt hoffte und
an seine Traute, an dieses Wiedersehen dachte!
Aber baid verior er wieder die Hoffnung, Frau
Staitge iöschte die Fiamme aus, hob den Kessei
A'om Herd und schrie iaut: „Wer wiii noch einmai
die Maus sehen!" Es iärmte und gröhite ein Haufen
daher, ein Eimer wurde auf den Boden gesetzt,
der Kessei wurde itineingeschüttet, es quaimte und
dampfte. Die Stimme: „Tötet das süße Mäusiein
nicht!" wurde überhört. Dem Mäuserich krampfte
es das Herz; „wenn das ihn betraf — o Traute!",
währenddem ihm vieie vergnügte Qesichter Lie-
besworte zufiiisterten „du süßes Mäuschen". Acit,
heim Biick in den Dampf des Eimers auf dem Bo-
den mißtraute er dieser Liebkosung der Riesen.
Wahrhaftig, es gait ihm, es ging in den Ab-
grund, er ftihite die Nähe des heißen Pfuhis, kiet-
terte verzweifeit in die oberste Ecke der Faiie,
ein Pfiff entrang sich ihm „Traute süße", ein kai-
ter Ruck, und ein giatter Leichnam wurde aus dem
heißen Sud gezogen.
Wie abscheuiich! aiies schütteite sich in Qrau-
\mr dem, weichen man soeben noch süßes Mäus-
cheu genannt hatte.
Die Kiappe der Faiie wurde geöffnet und Arturs
Kadaver aus der dritten Etage in den Hof ge„
schieudert. nächsten Morgen beim Kehren vom
Portier — mit einem Fiuch gegen oben gefunden,
mit einer Zange in den Mülikasten getragen, wo er
sein Grab fand.
Frau Stange badete seibige Nacht ihren Lebens-
nam, schneeweiß, gedachte beim Erinnern an die
Maus nur der einzigen Interessantheit, daß am
Leichnam die Maus deutiich ais Mann zu erkennen
war, um den es immerhin schade war.
Die Mäusin grämte sich, warum Artur nicht
zurückkam. Spätestens um zehn soiite er wieder
da sein, weii man das Haus schioß.
Sie fühite schon die zwanzigbeinigen Stöße
der Kieinen in ihrem Bauch, und es hatte not, baid
das Nest zu finden. Trübseiig hing sie den Kopf.
Die ietzten Straßenbahnen roiiten schon vorüber,
er kam nicht .
Sie konnte ja nicht ahnen, daß ihr schöner
Mann nicht aiizuweit von ihr in so schaudervoiiem
Ansehen auf dem Hofpfiaster iag. Aber da ihm
doch irgend etwas zugestoßen sein mußte, machte
sie sich schiießiich auf, ihn zu suchen.
Leiciit fand sie den Weg, den er hingegangen
war, an vieien Orten hatte er ein Exkrement ais
Wegzeichen und Andenken hingesetzt. Mit Freu-
den passierte sie immer wieder so eine Steiie, wo
etwas voi ihm iag. So war er aiso doch so weit
gekommen! Da fand sie ihn vieiieicht noch, am
Ende hatte er sie bioß geschwind aus Freßsucht,
die sie an ihm kannte, vergessen. Irgendwo hockte
er und schiemmte! Immer mehr vermutete sie
dies, und ihre Sorge, er könnte in die Faiie gegan-
gen sein, schwand.
Wie sie hoch oben bis zur dritten Etage gewan-
dert war, verioren sich des Liebsten Spuren in
der Ebene. Mit einer gewissen ehrfürchtigen
Scheu trat sie in das Land ein, wo sie ihn bei lecke-
rem Mahle zu finden ganz bestimmt hoffte.
Sie fand baid vieie Plätze, wo er gewesen war.
Aber ihn selbst fahd sie nirgends. Sie pfiff ihm in
dünnem, nur seinem Ohr vernehmiichen Ton. Es
wuchs ihre Sorge wieder, da gar nie eine Ant-
wort erfoigte.
Besonders an einer Steiie, wo sie jetzt ankani,
befiei sie tiefe Angst. Da bog ein Wasserrohr ab
in die Wand, da iagcn Haare, wie er sie hatte. Eine
getrocknete winzige Pfütze, ais wenn er hier nach
ihr geweint haben müßte.
Sie wimmerte, daß ihre zappeinde Brut in ihr
bebte, hastete unruhig tierum, ging gedankenios an
aiien Schönheiten und Veriockungen vorbei, trübe
den Kopf hinabhängend.
Schiießiich gab sies auf, ihn zu suchen. Sie
mußte sich ein Nest zurichten an einem Ort, wo
sie niemand vermuten und stören konnte. Dazu
erwähtte sie sich einen großen Schrank. Mit fie-
berhaftem Eifer begann sie ein Loch in den
Schrank zu nagen, dann woiite sie innen irgend-
eine Pocktasche benutzen, um in ihr das Wochen-
bett durchzumachen.
Das Loch gedieh erfreuiich rasch, und sie
konnte hoffen, in zwei Nächten freien Eingang zu
haben.
Piötziich fiel ein Lichtschein an ihr vorüber,
und sie wurde ganz stiii. Es iiefen schwere Tritte
wie von Riesen, dann wurde die Schranktür iaut
knarrend geöffnet. Das Licht eriosch wieder, und
sie woüte gerade das Nagewerk fortsetzen, ais
eine siiße Speckiuft sich um sie iegte und sie um-
kreiste.
Da war eine Faiie hingesteiit worden!
Woher sonst soiite aui einmai der Speck kom-
men?!
Sie horchte gespannt und hörte nun fiüstern.
Herr Stange sagte zu Frau Stange: „Ich
giaube, daß sie so nicht in die Faiie geht, das
merkt sie. Es war für die Katze, extra in die
Küche zu gehen, dcn Speck anzubrotschein, die
Faiie zu steiien, nur um sich kaite Fiiße zu hoien."
Aber obgieich Traute aui der Hut war, so
bangte sie doch vor der Qefahr, denn ob sie vom
Geruch wegiief oder ihm entgegen, vermochte sie
nicht zu entscheiden. Eines wußte sie jetzt, dieser
Duft war ihres armen Mannes Verhängnis ge-
worden.
Mit Enttäuschung sah die gespannte Mausefaiie
unter Frau Stanges Schrank hinab, ais sagte sie:
„Qott, kommst du nicht endiich." Die Faiie stand
offenbar hier nicht richtig, sie biieb ieer.
Im Stangeschen Haushait irrte nun Traute,
wohl reichlich Nahrung, aber schiechten Unter-
schlupf findend, umher. Kein Mensch bemerkte
unter Tags ihre schwangere Anwesenheit, die
sonst im Leben mit so viel Anstoßen und Nase-
rümpfen schleunigst an holden Pepräsentantinnen
bemäkelt wird. Trotz dieser Ungestörtheit wurde
es der irrenden Traute immer verzweifeher zu
Mut. Die Kleinen in ihr wollen gar nimmer Ruhe
geben, oft fiel sie geschwinde hin. Es wurde Zeit
zum Neste.
Herr Stange setzte sich der Küche gegenüber
gerade an den Tisch und feierte Halbmond, indem
er in der dunklen Scite saß und die Küche erleuch-
tet war. Er dachte so gut wie nichts, sah vielmehr
ins Helle. Seine Frau näherte sich ihm tastbar, es
wäre vielleicht zum Kusse gekommen.
Aber Herr Stange stand auf mit Empörung:
„Soeben lief in aller gemütlichen Frechheit lang-
sam eine riesengroße Maus von der Eimerbank
zum Abwaschschrank, es ist doch unerhört! Wir
haben jetzt also richtig Mäuse. Nicht mehr aus-
nahmsweise eine Maus, nein, .Mäuse' haben wir!"-:
Frau Stange schlug entsetzt an ihre Brust.
Man lief zur FaMe und präparierte den Speck.
Mit Jägergenie stellte Herr Stange die Falle auf
„den Wechsel" der Maus. Da mußte sie in Sekun-
den gefangen sein! '
In der Küche roch es zufällig sehr stark nach
verbranntem Pflaumenkuchen, daß jeder andere
Geruch darin ersticken mußte.
Frau Stangc bezweifelte darum die Wirkung
des Specks, aber Herr Stange hielt daran fest:
„Mit Speck fängt man Mäuse."
Die Faile stand.
Die Pettung des verbrannten Pflaumenkuchens
nahm alle Hände sodann in Anspruch.
Es mußte verhext sein, es schnappte und
klappte, es schien kein Augenblick. Die Maus
mußte direkt auf den Speck gewartet haben.
Herr Stange frohlockte mit hocherhobener
Jagdtrophäe, die zur schweren Hälfte aus der Falle
heraushing.
Die Gefangene ächzte: „Verfluchter Pflaumen-
kuchen, der mir die Witterung genommen hatt!"
Aber mit Speck fängt man Mäuse, frohlockte der
Jäger, hab ichs nicht gesagt?!
Im Qlücke seiner Einfalt befreite er durch lei-
ses Anheben derKlappe dieMaus— die eineKapi-
talmaus war — aus ihrer Schmerzenslage, und
Traute huschte vollends in den Käfig hinein.
Frau Stange, welche durch ihre Kunst im Pflau-
menkuchenbacken eigentlich die Schuldige an der
Maus Schicksal geworden war, hatte den Pflau-
menkuchen vom Blech gelöst und eilte nun herbei.
Traute und Frau Stange sahen sich an. Mit
einem Blick-!
Er hieß: „Wir sind schwanger."
Eine Maus, die Junge kriegt, ist es, erhob sich
ein Jubel. Die sperrt man diesmal ein! Die Kinder
freuten sich schon der jungen Mäuslein. Und man
wünschte nur den getöteten Mäuserich wieder zu-
rück! Hätte man ihn nicht getötet, jetzt hätte man
die schönste Familie Maus beieinander.
Traute schien zu verstehen und hockte mit
ihrem dicken Leib in der Falle.
Es war am dritten Tage, nachdem sie ihren
Mann verloren hatte.
Frau Stange sah recht oft und innig zu ihr in
die Falle: „Dein armes Männel erlebt deine Freude
an deinen Kinderchen nicht mehr." Es wurde den
beiden Frauen recht weh ums Herz und sie schlos-
sen schnell Freundschaft.
Traute ließ die Zuakungen ihres Leibes beob-
achten und ließ ausrechnen, wie lange es ungefähr
noch dauern werde.
In einem alten Einmachglas, das mit einem
durchlochten Bohnerwachsdeckel zugedeckt war,
stand sie schließlich mitten auf dem Tisch beim
Abendbrot, Frühstück, Mittagessen.
Zum Schein freute man und ergötzte sich an
ihren reizenden Bewegungen, in Wahrheit warf
man gierige Blicke auf den Bauch der Qefangenen,
obs bald losginge.
Traute bekam die besten Sachen kredenzt, aber
sie nahm außer einem kleinen Bröckelchen mit
Milch keine Nahrung zu sich. Ein Extra-Aufzug
für Milch, der ins Qias gearbeitet wurde, machte
nicht einmal Eindruck auf sie. Dann drückte sie
oft so eigentümlich, als müßte sie husten, saß im-
mer trübseliger und zwinkerte mit den Augen.
Frau Stange iieß kein Auge mehr von ihrer Qe-
fangenen. sie zweifelte nicht, daß die Maus in
Wehen lag.
Und es fügte sich, daß man zu Tische saß und
die Tischgenossin im Qlas das erste Junge zutage
förderte. — Qerade, wie wenn eine Katze auf
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