Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

DOI Heft:
1. Heft
DOI Artikel:
Litteratur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeitschrift für historische Waffenkunde.

IV. Band.

30


Fahrmbaclier, Führer durch das K. Bayer.
Armeemuseum. München 1905. J. Lindauersche
Buchhandlung. 200 S. 8° u. 8 Markentafeln.
Keinem anderen Museum steht das grofse Publikum
so hilflos gegenüber als einem Waffenmuseum. Soweit
dessen Gegenstände den letzten Jahrhunderten angehören,
mag es sich wohl noch zurechtfinden. Aber sobald es sich
um frühere Zeiten handelt, wird besten Falles abgeblafste
Romantik auf die Dauer einer Stunde wieder zu schatten-
haftem Leben herauf beschworen. Meist spaziert jedoch die
Unwissenheit selbstgefällig an Harnischen und Schwertern,
an Armbrüsten und Hakenbüchsen vorüber, mit sattem
Lächeln murmelnd: „und wie wir’s dann zuletzt so herrlich
weit gebracht“. Die wenigen, die den Wert einer Waffen-
sammlung begriffen haben, sind in jeder Stadt bald auf-
gezählt. Sie freilich wissen, dafs hier ein unendlich reicher
Schatz aufgespeichert liegt. Sie werden auch verstehen,
was ich immer betont habe und immer wieder betonen
werde, dafs die Kenntnis des Waffenwesens eines Volkes
unbedingt erforderlich ist, um dessen Stellung in der Ge-
schichte , also in der Kultur zu verstehen. Denn so lange
Kulturfortschritt und Krieg in so engem Zusammenhang
stehen werden wie bisher in der Weltgeschichte, so lange
wird auch das Handwerkszeug des Krieges als ein der
Beachtung besonders wertes Kulturerzeugnis anzusehen
sein. Ist doch nichts natürlicher, als dafs hierbei ein Volk
seine ganze Kraft zusammennimmt, um mit den einfachsten
Mitteln die zweckvollste Form zu schaffen. Das heifst aber
nichts anderes, als dafs es ständig bemüht ist, einer der
vornehmsten Stilforderungen gerecht zu werden. Und da-
mit ist, wenn von dem Zierat der Waffe in diesem Zusammen-
hang einmal ganz abgesehen werden soll, auch die hervor-
ragende künstlerische Bedeutung einer Waffensammlung in
das rechte Licht gerückt.
Nun darf freilich nicht geleugnet werden, dafs dem
Publikum gewöhnlich jede Anleitung fehlt, um des spröden
Stoffes Herr zu werden. Vorträge vor den Gegenständen
selbst werden, wenn sie nicht zu kurz bemessen werden
müssen, Wandel schaffen können. Aber da sie immerhin
bei den vielen Aufgaben, die heute der Museumsbeamte
zu lösen hat, die Ausnahme bilden werden, so fällt die
Pflicht der Belehrung im wesentlichen den gedruckten
„Führern“ zu.
Haben wir nun „Führer“, die für diesen Zweck ge-
nügen? Der „Führer durch das Kgl. Historische Museum
zu Dresden“ von Max von Ehrenthal und der durch die
Gewehrgalerie desselben Verfassers haben seit Jahren als
Muster gegolten. In glücklicher Weise haben sie auf dem
weiter gebaut, was Boeheim für die Wiener Sammlung ge-
leistet hatte. Aber ich glaube, ihre volle Würdigung finden
sie doch nur bei dem Manne vom Fach. Für den Laien
setzen sie viel zu viel voraus. Sie erscheinen vielmehr als
Catalogues raisonnes, und zweifellos würden sie wohl auch
als Kataloge bezeichnet worden sein, wenn der festgesetzte
Raum gestattet hätte, die Riesenbestände der beiden Samm-
lungen Stück für Stück zu behandeln. So aber mufste die
Auswahl des Besten genügen, sie sind also mehr Catalogues
abrögös als „Führer“. Zum erstenmal wurde Baron Potier

in die glückliche Lage versetzt, einen Führer für das grofse
Publikum zu schreiben. Die kleinen Verhältnisse in Emden
gestatteten die gleichzeitige Ausgabe eines Inventars, mit
anderen Worten eines Kataloges, und eines Führers. Wie
ich über diese beiden tüchtigen Arbeiten im allgemeinen
und im einzelnen denke, habe ich im 4. Heft des 3. Bandes
ausgeführt.
In München, wo das Nationalmuseum der Waffenkunde
so viel schuldig geblieben ist, wurde im Frühjahr des vori-
gen Jahres das Armeemuseum in einem neuen, prächtigen
Gebäude eröffnet. Ich habe es, vielfach zu anderen Reisen
gezwungen, bisher nicht sehen können und mich damit be-
gnügen müssen, die zahlreichen Photographien der Räume,
die mir die Museumsleitung freundlichst zur Verfügung
stellte, zu studieren. Einer mühevollen, mit zäher Energie
durchgeführten Arbeit des Vorstandes der Sammlung, des
Majors Fahrmbacher, kann ich also vorderhand nicht ge-
recht werden. Ich hoffe aber, über die Einrichtung des
Museums und die Aufstellung der Gegenstände später hier
oder an einer anderen Stelle noch berichten zu können,
zumal ich mich dabei über einige grundsätzliche Fragen
auf diesem Gebiete der Museumstechnik äuisern möchte.
Jetzt soll mich ausschliefslich der „Führer“ beschäftigen.
Um von vornherein mein Urteil zusammenzufassen:
Fahrmbachers „Führer“ erfüllt zum ersten Male
das, was ich von solch einem Buche verlange.
Und ich glaube, dafs ich mit meiner Ansicht nicht allein
stehe. Zum mindesten mufs er doch beim Publikum An-
klang gefunden haben, denn zehn Wochen nach Eröffnung
des Museums war bereits eine zweite Auflage nötig. Aber
die Arbeit hält auch den Forderungen des Fachmannes
stand.
In einer Einleitung, deren Wärme die Begeisterung
des Verfassers für seinen Stoff deutlich fühlen läfst, wird
die Geschichte der Sammlung dargelegt. Die Entwicklung
ist von mancherlei Schwierigkeiten begleitet gewesen, ja
zeitweise hat sie ganz gestockt, und ein zukunftsfrohes
Leben erfüllt sie erst von dem Augenblick an, wo die Über-
siedelung des Museums von der Abgeschiedenheit Ober-
wiesenfelds nach einem würdigen Neubau im Inneren der
Stadt beschlossene Sache war. Denn damit war auch die Mög-
lichkeit einer Erweiterung des Programms gegeben: aus der
Aufbewahrungsstätte überkommener Zeughausreste erfolgte
der Fortschritt zu einem kulturgeschichtlichen und fach-
wissenschaftlichen Museum. Hierin sind Fahrmbachers
Verdienste vor allem begründet. Denn es bedurfte seiner
ausgedehnten Kenntnis des Inhalts anderer Museen, der
in bayerischen Städten und Städtchen noch verborgenen
Schätze, es bedurfte auch der freundlichen Beziehungen zu
Privatsammlungen, die er als rechter Sammlungsvorstand
immer zu pflegen gewufst hatte, um diejenigen Tausch-
operationen einzuleiten, die zur Ausfüllung der Lücken not-
wendig waren Das wäre durch Kauf selbst mit grofsen
Mitteln, wie sie hier übrigens nicht zur Verfügung standen,
nicht möglich gewesen. Um so höheren Lobes ist es wert,
dafs nunmehr eine so anschauliche Entwicklung der Waffen
vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zur Gegenwart dar-
gestellt werden kann.
Eine klare Beschreibung des Gebäudes schlielst sich
diesem geschichtlichen Abrifs an, und nachdem wir durch
sie gelernt haben, uns zurechtzufinden, wird die Einteilung
der Sammlung gezeigt. Wie in Berlin, Dresden und Wien
ist die grofse artilleristische Gruppe, dem Zwang des Raumes
folgend und auf die Tragfähigkeit des Bodens Rücksicht
nehmend, von den übrigen Beständen getrennt und im
Untergeschofs untergebracht worden. An sie schliefst sich
eine Spezialsammlung von Modellen, Feuer-und Blankwaffen,
 
Annotationen