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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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2. Heft
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Forrer, Robert: Die ältesten gotischen ein- und mehrläufigen Faustrohrstreitkolben
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0073

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2. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

59



Seele (vgl. die Durchschnittsansicht bei Abb. 2). Für
dieselbe Epoche plädiert die primitive Entzündung
mittels von Hand geführter Lunte, im Gegensatz
zu der im 16. Jahrhundert bei den kleinen
Gewehren allgemein Eingang findenden Zündung
durch Drücker. Für dasselbe Jahrhundert spricht
weiter die St an gen schäftung statt der im
16. Jahrhundert allgemein üblichen Lagerung des
Schaftes auf einem Kanalschafte. Für das
15. Jahrhundert endlich die direkte Ausnützung
der Läufe zur Streitkolbenbildung, während im
16. Jahrhundert umgekehrt das Rohr nicht mehr
selbst als Schlagwaffe, sondern nur noch als
Beigabe oder Stange zur Schlagwaffe dient.
Es hängt das damit zusammen, dafs die Rohre
des 16. Jahrhunderts durch die daran an-
gebrachten Abzugsvorrichtungen subtiler ge-
worden waren'2), wogegen die einfacher und
massiger gehaltenen Rohre des 15. Jahrhunderts
eine direkte Verwendung als Schiefsprügel besser
aushielten3).
Ein interessantes Beispiel dieser letztem Art
bietet die Schiefs-Streitaxt Abb. 4, welche seit Jahr-
hunderten als Streitaxt des Reformators Ulrich
Zwingli gilt, der sie Anno 1531 in der Schlacht
bei Kappel bei seinem dort erfolgten Tode ver-
2) Vgl. den „Axthammer mit Schiefsvorrichtung“ des
16. Jahrhunderts, publiziert von Dr. Koetschau in der Thier-
bach-Festschrift Taf. 8. Die Büchsenstreitkolben des 16. Jahr-
hunderts Fig. C und J Taf. III bei Hiltl, Waffensammlung
Prinz Carl. Ebendort das Handbeil Taf. XL. Die Streit-
äxte Abb. 1060 Taf. 221 und Abb. 1050a Taf. 216 bei
Forrer, Sammlung Zschille
3) In dieser Hinsicht sind übrigens auch die drei starken
Eisenbänder, welche bei den Waffen Abb. 1 und 2 um
die Rohrbündel gelegt worden sind, von Bedeutung. Sie
dienen ersichtlich nicht nur zum Zusammenhalten der
vier Rohre, sondern erhöhen einerseits die Schlag-
wirkung und schützen anderseits die Rohre vor
der Gefahr, bei starkem Schlage eingedrückt zu
werden. Ganz dieselben Zwecke erfüllt bei dem Faustrohr
des Ritters Abb. 3 die starke Verbreiterung des Rohrendes.

4) Zeller-Werdmüller, Zwing-
liana (Zwinglis Waffen) (Zürich
1889) Nr. 6.

Abb. 5.

loren haben soll. Auch sie ist bisher immer dem
16. Jahrhundert zugewiesen worden4). Zweifellos
ist aber die Waffe älter und gehört noch dem
15. Jahrhundert an. Zwingli mag sie als Streit-
axt am Sattel getragen, nicht aber auch als
Schufswaffe mit dem nötigen Zubehör, wie Pulver-
und Kugelbeutel, Lunten etc. mitgeführt haben.
Diese Schiefsstreitaxt ist 86 cm lang (Kaliber
i,g cm, Seele 20,2 cm, Breite an der Mündung
4,25 cm, Länge der Beilschneide 10 cm). Ersicht-
lich war sie wie unsere Streitkolben-Faustrohre
Abb. 1, 2 und 3 bestimmt, einem Reiter erst als
Schufswaffe zu dienen, dann nach getanem Schufs
als Streitaxt den Kampf zu Ende zu führen. Sie
gehört also zur Klasse der „rechtshändigen
Feuerrohre“ (siehe oben). Aber ihr langer Stangen-
schaft und ihr Beil, das als Haken dienen konnte,
gestatteten es dem Reiter, die Waffe beim Schufs
auf eine Gabel aufzulegen und das Schaftende
unter den rechten Arm zu klemmen oder gegen
den Panzer zu stemmen. So
stellt dies Stück also typo-
logisch eine Ü bergan gs-
form dar vom kurzen rechts-
händigen Faustrohr zum
längeren linkshändigen Pe-
trinal. Mich sollte es nicht
wundern, wenn es sich er-
gäbe, dafs diese in allen Tei-
len durchaus gotische Reiter-
waffe aus der Zeit der Bur-
gunderkriege und aus der

Abb. 3.

8;
 
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