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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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5. Heft
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Vereins-Nachrichten
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158

VEREINSNOTIZEN

IV. BAND

Hauptmann — er wurde es im Jahre 1860 — hat er als
Teilnehmer am Feldzuge gegen Österreich diese Erfah-
rungen wiederholen und vertiefen können. Der grofse Krieg
von 1870 findet ihn als Major und Bataillonskommandeur
beim 8. Infanterieregiment Nr. 107; bei St. Privat wurde er
durch einen Schufs ins Bein schwer verwandet. Er kehrte
in die Heimat zurück, kam, kaum geheilt, wieder ins Feld,
mufste aber, aufs neue erkrankt, Ende November endgültig
vom Kriegsschauplatz abtreten. Als Oberstleutnant (1871)
sah er sich genötigt, wegen seines durch die Verwundung
erschütterten Gesundheitszustandes sich zur Disposition
stellen zu lassen. Er leitete nun als Bezirkskommandeur
den Landwehrbezirk Schneeberg bis zum Jahr 1882, und
dann wurden seine reichen Kenntnisse zum Dienst in der
Inspektion der Handfeuerwaffen herangezogen. Nachdem
er 1887 zum Oberst ernannt worden war, blieb er als In-
spizient bis 1892, von seinem Kriegsherrn durch Verleihung
hoher Orden mehrfach geehrt, im
Dienst. Von da ab gehörte er
ausschliefslich der historischen
Waffen künde an.
Ohne allen Prunk hat man
Moritz Thierbach am Tage vor dem
Heiligen Abend zu Grabe getragen.
Seine letzten Stunden waren ihm
nicht schwer geworden, und wenn
er den Tod wirklich herannahen
gefühlt hat, so hat er ihn erwartet
als ein mutiger Mensch, der er Zeit
seines Lebens gewesen ist
Ein Schüler Thierbachs war
in recht eigentlichem Sinne Otto
Müller. Er hat ihm als Adjutant
in Schneeberg zur Seite gestanden
und dabei wohl alles das gelernt,
was ihn später befähigte, der
glückliche Ordner einer bedeuten-
den Sammlung zu werden, Mit der-
selben Anhänglichkeit, die Thier-
bach auszeichnete, hat auch er
an der Waffenkunde gehangen.
Selbstlos hat er, dem finanzielle
Arbeiten als etwas Fremdes eine
Last waren, jahrelang dem Verein
als Schatzmeister gedient, und in der ersten Zeit des
Werdens der jungen Vereinigung war das durchaus keine
leichte und einfache Sache. Als ihn seine Gesundheit nötigte,
das Amt niederzulegen, durfte er es in dem Bewufstsein
tun, nach besten Kräften sich eingesetzt zu haben. Aber
so schätzenswert diese Tätigkeit für den Verein gewesen
ist, so beruht sein eigentliches Verdienst um die historische
Waffenkunde nicht so sehr in ihr als in seiner Arbeit für
die Königliche Arsenalsammlung zu Dresden. Er hat im
Jahre 1894 mit der Ordnung der Bestände begonnen, und
als 1897 die Sammlung dem Publikum eröffnet wurde, wurde
er „mit ausdrücklicher Zustimmung Sr. Majestät des Königs
mit der Überwachung und dem weiteren Ausbau der Samm-
lung“ beauftragt. Das war ihm eine besondere Genugtuung.
Mit welch hingebendem Eifer er sich der neuen Sammlung
widmete, wissen nur diejenigen, die mit und neben ihm
gearbeitet haben. Sie war sein Kind, das er hegte und
pflegte, durch viele Fährnisse mit wahrhaft väterlicher Hand
hindurchgeleitete und aufs selbstloseste unterstützte. Nichts
hat ihn deshalb mehr geschmerzt als die Notwendigkeit, von
dieser Stellung (1901) zu scheiden, als er sah, dafs es ihm nicht
mehr möglich war, die Anschauungen als die mafsgeben-

den durchzusetzen, nach denen er bisher die Entwicklung
des Museums geleitet hatte. Ich habe oft mit dem Verstor-
benen über diese Dinge gesprochen und jetzt, wo er die
Augen geschlossen hat, darf ich es aussprechen, dafs man
niemals auf seine vom redlichsten Wollen getragene Tätigkeit
hätte verzichten dürfen, solange seine Kräfte es ihm noch ge-
statteten, sie auszuüben. Denn er war ein aufserordentlich
befähigter Arbeiter auf dem Gebiete des Museumswesens.
Er hatte die praktische Umsicht, die Kenntnisse, die Geduld
und den Geschmack, die man dort nicht missen kann. Wenn
die Dresdner Arsenalsammlung, die zum Glück nach seinem
Scheiden abermals einen vortrefflichen Leiter bekam, sich
in Zukunft unter den heeresgeschichtlichen Sammlungen mit
in die vorderste Reihe stellen darf, so verdankt sie das
nicht am wenigsten ihrem ersten Ordner. Damit ist auch
gesagt, was die Waffenkunde an Otto Müller gehabt hat.
Er war bei all seinen fleifsigen Studien, die er nament-
lich im Kriegsarchive getrieben
hat, und bei seiner genauen Kennt-
nis des Heerwesens doch eigent-
lich keine literarische Natur. Er
begnügte sich mit seinem Wissen,
hatte nicht den Drang, es andern
durch Veröffentlichungen bekannt
zu geben, sondern war damit zu-
frieden, denen, die sich an ihn
wandten — und es war ihrer eine
viel gröfsere Zahl als man im all-
gemeinen glauben mochte — mit-
zuteilen, was er wufste; selten wird
ihn einer, der etwas aus der Ge-
schichte der stehenden Heere und
über ihre Bewaffnung wissen
wollte, vergebens befragt haben.
Die Teilnahme an diesen Dingen
war schon in dem jungen Leutnant
lebendig. Er hat von da an nie-
mals nachgelassen, sie zu verfolgen,
und die durch seine Gesundheit ihm
auferzwungene allzufrühe Mufse
hat er nach Kräften für sie aus-
genutzt.
Müller ist am 20. Januar 1849
zu Dresden geboren, woselbst sein
Vater als Polizeirat im Staatsdienste
stand; von 1865 — 1870 war er Kadett; während des Feldzuges
wurde er Leutnant; 1876 erfolgte seine Beförderung zum
Premierleutnant, 1883 zum Hauptmann und Kompagniechef.
Das früh auftretende Herzleiden zwang ihn schon 1891,
seinen Abschied zu nehmen. Die Beförderung zum Major
erfolgte 1897. Aber so frühzeitig er auch aus dem aktiven
Dienste scheiden mufste, die Liebe zur Armee ist ihm, der
ein Offizier vom Scheitel bis zur Sohle war, niemals er-
kaltet. Seine lebhafte Tätigkeit für die Militärvereinssache,
auf die ich hier nicht eingehen kann, zumal sie schon in
dem „Kamerad“ (vom 4. Oktober 1906) in genügender Weise
gewürdigt worden ist, ist dafür ein deutlicher Beweis.
Dem treuen Freunde der historischen Waffenkunde,
dem unermüdlichen Arbeiter, dem vornehmen, mannhaften
Charakter, dem für seinen Beruf begeisterten Offizier werden
alle die, die ihn in der einen oder andern Eigenschaft näher
kennen gelernt haben, ein gutes Andenken bewahren.
Karl Koetschau.


Otto Müller.
 
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