10. HEFT
H. MÜLLER-HICKLER, STUDIEN ÜBER DEN LANGEN SPIESS
295
schwer fallen, ioo Stück zusammen zu bringen und
von diesen sind die meisten schweizer Provenienz,
andre sind Piken des 17. Jahrhunderts und nur
wenige sind wirklich deutschen Ursprungs.
In der Schweiz dagegen sind noch viele
Plünderte von Spiefsen in Museen und Zeug-
häusern, und, wie z. B. in Luzern, zehnstückweise
mit Lunten zusammengebündelt.
Der Grund, warum die Zeugen einer so glor-
reichen Zeit verschwunden sind, mag der sein,
dafs die Schweiz die Truppen zum gröfsen Teil
selbst ausrüstete, nach vollendetem Kriege die
Waffen wieder einforderte und als kostbares
Gut bewahrte, während in deutschen Landen der
Beschäftigen wir uns zuerst mit dem Spiefs im
Allgemeinen. Er wog ungefähr fünf Pfund und
bestand aus zwei Teilen, dem Eisen und dem
Schaft. In den wenigsten Fällen hatte er einen
Schuh und nur im Landesmuseum in Zürich sind
einige solche Exemplare, die jedoch mit verziertem
Eisen versehen keine Kampfspiefse gewesen zu
sein scheinen. Der Schaft war unten zugespitz.t.
Zunächst das Eisen der Schweizer Spiefse
Nr. 1 —12 (Abb. 1).
Durch die grofse Güte des bekannten Waffen-
forschers und Spiefssammlers, des Herrn Oberst-
leutnant Bleuler in Bern, dem ich sehr viel Wissens-
wertes verdanke, kam ich -in den Besitz von
Abb.
Knecht meist die Waffe selbst mitbringen mufste
und sie dann auch beliebig behandelte.
Die Hauptursache jedoch wird sein, dafs in der
ganzen Geschichte der Schweizer ein ausgeprägter
Nationalsinn herrscht und dafs in Zeiten, in denen in
unserem Vaterlande Mifsgunst und ewiger Bruder-
krieg das Land zerfleischte und jeden Gemeinsinn
verdarb, in der Schweiz ein einig Volk von
Brüdern lebte, das seine Reliquien ehrte.
Zur Entschuldigung diene, dafs sich nichts
so leicht verkrümelt als Waffen und seien sie
noch so grofs, dafs vielmehr die Gröfse der langen
Spiefse sie so sehr ungeeignet zum Sammeln
macht und dafs unsere Zeughäuser im dreifsig-
jährigen Kriege und später oft und gründlich
ausgeleert wurden.
Immerh.n ist es uns möglich, an der Hand
des Erhaltenen und der sehr guten Holzschnitte
ein Bild des deutschen langen Spiefses zu geben.
I .
Abbildungen, welche die interessantesten und
typischesten Stücke der schweizer Spiefse ent-
halten und die ich in Verbindung- mit meinen
eigenen Studien hier wiedergebe.
Wie aus der Zeichnung ersichtlich, ist die
Form der schweizer Spiefseisen die blattförmige
wie Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, oder die 4kantige dolch-
förmige wie 7, 8, 9, 10 und 11; nur eine Art,
Nr. 12, die in drei Exemplaren im Museum zu
Solothurn vertreten ist und von der ein weiteres
in der Limmat gefunden wurde, weicht ganz ab;
ich werde auf dieses zurückkommen.
Es ist jedoch durchaus nicht gesagt, dafs nun
alle schweizer Städte diese nationalen Formen
nebeneinander verwendeten. In Luzern z. B. wurde
hauptsächlich die dolchartige verwendet, während
das Museum in Sitten kein einziges aufweist.
Die Länge der Klinge ist bei der Blattform
bis 16 cm, bei der dolchartigen bis 18 cm bis
H. MÜLLER-HICKLER, STUDIEN ÜBER DEN LANGEN SPIESS
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schwer fallen, ioo Stück zusammen zu bringen und
von diesen sind die meisten schweizer Provenienz,
andre sind Piken des 17. Jahrhunderts und nur
wenige sind wirklich deutschen Ursprungs.
In der Schweiz dagegen sind noch viele
Plünderte von Spiefsen in Museen und Zeug-
häusern, und, wie z. B. in Luzern, zehnstückweise
mit Lunten zusammengebündelt.
Der Grund, warum die Zeugen einer so glor-
reichen Zeit verschwunden sind, mag der sein,
dafs die Schweiz die Truppen zum gröfsen Teil
selbst ausrüstete, nach vollendetem Kriege die
Waffen wieder einforderte und als kostbares
Gut bewahrte, während in deutschen Landen der
Beschäftigen wir uns zuerst mit dem Spiefs im
Allgemeinen. Er wog ungefähr fünf Pfund und
bestand aus zwei Teilen, dem Eisen und dem
Schaft. In den wenigsten Fällen hatte er einen
Schuh und nur im Landesmuseum in Zürich sind
einige solche Exemplare, die jedoch mit verziertem
Eisen versehen keine Kampfspiefse gewesen zu
sein scheinen. Der Schaft war unten zugespitz.t.
Zunächst das Eisen der Schweizer Spiefse
Nr. 1 —12 (Abb. 1).
Durch die grofse Güte des bekannten Waffen-
forschers und Spiefssammlers, des Herrn Oberst-
leutnant Bleuler in Bern, dem ich sehr viel Wissens-
wertes verdanke, kam ich -in den Besitz von
Abb.
Knecht meist die Waffe selbst mitbringen mufste
und sie dann auch beliebig behandelte.
Die Hauptursache jedoch wird sein, dafs in der
ganzen Geschichte der Schweizer ein ausgeprägter
Nationalsinn herrscht und dafs in Zeiten, in denen in
unserem Vaterlande Mifsgunst und ewiger Bruder-
krieg das Land zerfleischte und jeden Gemeinsinn
verdarb, in der Schweiz ein einig Volk von
Brüdern lebte, das seine Reliquien ehrte.
Zur Entschuldigung diene, dafs sich nichts
so leicht verkrümelt als Waffen und seien sie
noch so grofs, dafs vielmehr die Gröfse der langen
Spiefse sie so sehr ungeeignet zum Sammeln
macht und dafs unsere Zeughäuser im dreifsig-
jährigen Kriege und später oft und gründlich
ausgeleert wurden.
Immerh.n ist es uns möglich, an der Hand
des Erhaltenen und der sehr guten Holzschnitte
ein Bild des deutschen langen Spiefses zu geben.
I .
Abbildungen, welche die interessantesten und
typischesten Stücke der schweizer Spiefse ent-
halten und die ich in Verbindung- mit meinen
eigenen Studien hier wiedergebe.
Wie aus der Zeichnung ersichtlich, ist die
Form der schweizer Spiefseisen die blattförmige
wie Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, oder die 4kantige dolch-
förmige wie 7, 8, 9, 10 und 11; nur eine Art,
Nr. 12, die in drei Exemplaren im Museum zu
Solothurn vertreten ist und von der ein weiteres
in der Limmat gefunden wurde, weicht ganz ab;
ich werde auf dieses zurückkommen.
Es ist jedoch durchaus nicht gesagt, dafs nun
alle schweizer Städte diese nationalen Formen
nebeneinander verwendeten. In Luzern z. B. wurde
hauptsächlich die dolchartige verwendet, während
das Museum in Sitten kein einziges aufweist.
Die Länge der Klinge ist bei der Blattform
bis 16 cm, bei der dolchartigen bis 18 cm bis