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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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12. Heft
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Reimer, Paul: Vom Schwarzpulver
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0400

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12. HEFT

PAUL REIMER, VOM SCHWARZPULVER

371

wunder nehmen, dafs Leute wie Albertus Magnus,
Roger Bacon u. a. sich damit beschäftigten und
Experimente anstellten. Diese letzteren werden
sich naturgemäfs um zahllose Änderungen in der
Zusammensetzung nach Stoffen und Verhältnissen
gedreht haben und mufsten schliefslich folge-
richtig zu einer Mischung führen, welche bei ge-
nügend hohem Salpetergehalt dieVoraussetzungen
eines Sprengstoffes bot. Hiermit war das Schiefs-
pulver erfunden, war für die Welt das chemische
Spannwerk entdeckt, dessen weiterer Ausbau die
Aufgabe unserer Tage ist. Wer der Erfinder
gewesen ist, weifs man nicht. Dafs es ein Mönch
war, ist sehr wahrscheinlich, denn ein solcher
hatte in erster Linie die Zeit, sich mit einer so
brotlosen Kunst, wie die Alchemie es war, zu
beschäftigen. Dafs dieser Mönch gerade in Frei-
burg gelebt und diesen oder jenen Namen ge-
führt hat, ist aber in keiner Weise erwiesen, soll
uns auch hier nicht weiter beschäftigen.
Dafs das Schwarzpulver also von Anfang an
Schwefel enthielt, ergibt sich aus der soeben
kurz skizzierten Entstehungsweise von selbst, die
Kohle indessen mag als der wesentliche Bestand-
teil aller zunächst wohl noch vorhanden gewesenen
Zusätze, als Harz, Pech, Sägemehl und dergleichen
beibehalten worden sein. Bereits die ältesten Pulver-
sorten, von denen uns Nachrichten überkommen
sind, enthalten die drei Stoffe: Salpeter, Schwefel
und Kohle in annähernd dem heutigen Verhältnis
von74Teilen Salpeter, iöTeilen Kohle und ioTeilen
Schwefel, ein Zeichen, dafs diese Erfindung, wenig-
stens in ihren Hauptzügen, vollkommen war.
Ob das Auftauchen des Schiefspulvers bei
den Völkern besondere Freude erregt hat, darf
billig bezweifelt werden. Zunächst nahm die
Geistlichkeit entschieden dagegen Stellung und
erklärte die neue Erfindung als ein Werk des
Teufels, obwohl einer der ihrigen selbst daran
schuld gewesen sein soll. Dann aber fühlte sich
die Ritterschaft durch das neue Kampfmittel in
ihrem Dasein gefährdet, wie jeder Stand, dem
eine übermächtige Konkurrenz droht. Das Schiefs-
pulver gab dem Schwachen und daher Unter-
drückten ein Mittel in die Hand, sich des ge-
panzerten, kampfgeübten Ritters zu erwehren,
und die Tatsachen haben jene Ahnungen der
Ritterschaft ja noch bei weitem hinter sich ge-
lassen. Indessen hätte die Ritterschaft zunächst
noch nicht erregt zu sein brauchen, denn das
Schiefspulver trat fürs erste äufserst bescheiden
auf, und es dauerte noch 2 */2 Jahrhunderte, bis
Maximilian, „der letzte Ritter“, ins Grab sank,
nicht ohne vorher die Artillerie zu dem Kampf-
faktor gemacht zu haben, der sie in den späteren
Jahrhunderten war.

In der Entwickelung des Schwarzpulvers
können wir drei Perioden unterscheiden, nämlich
I. die Zeit des ungekörnten Pulvers bis
etwa 1500,
II. die Zeit des gekörnten Pulvers ohne
nennenswerte Verbesserungen und
III. die Zeit der ballistischen Forschung,
beginnend in Preufsen 1817.
Die Zeit des ersten Auftretens des Schiefs-
pulvers läfst sich nur sehr allgemein bestimmen.
Die ersten verbürgten Nachrichten von der Ver-
wendung wirklicher Feuergeschütze zum Schleu-
dern von Geschossen datieren aus dem Anfang
des 14. Jahrhunderts und lassen erkennen, dafs
das Geschütz bereits eine gewisse Verbreitung
bekommen und sein Gebrauch schon zu einer
gewissen Entwickelung geführt hatte. Man
rechnet daher die Erfindung des Schiefspulvers
etwa in das Jahr 1250. Die Nachrichten über
das Pulver, seine Herstellung und Verwendung
sind aus der ganzen ersten Periode aufserordent-
lich dürftig. Es ist dies darauf zurückzuführen,
dafs die Pulverbereitung, zunächst wohl aus
Mangel an Nachfrage, später aus Geschäfts-
interesse, Geheimnis einzelner Personen war, die
dasselbe immer nur auf die Nachkommen ver-
erbten. Viel war auch darüber nicht zu be-
richten. Das erste Schwarzpulver mufs lange
Zeit hindurch ein sehr ungleichmäl'siges Gemenge
der mehr oder weniger fein gekleinten Bestand-
teile gewesen sein. Es wurde vielfach in Leder-
säcken transportiert und mufs sich hierbei not-
wendigerweise nach dem spezifischen Gewicht
der drei Bestandteile mehr oder weniger geson-
dert haben, unten Salpeter, dann Schwefel und
oben Kohle. Demzufolge konnte auch die Ver-
brennung nicht eben günstig sein. Zunächst ver-
mochte das ung'ekörnte Pulver nicht aufzublitzen,
wie wir das von dem heutigen Schwarzpulver
gewöhnt sind, vielmehr brannte es nach Art der
bengalischen Feuer, zwar mit heftiger Flamme,
aber doch langsam ab. Das staubförmige Pulver
hatte eben keine Zwischenräume, durch welche
die Zündflamme sich in dem ganzen Pulverhaufen
verbreiten konnte. Ferner war aus den soeben
dargelegten Gründen die Mengung meist nicht
vollständig genug, der Sauerstoffträger also nicht
immer unmittelbar neben den anderen Bestand-
teilen gelagert, die Folge davon mufste eine sehr
ungleichmäfsig'e, wenig ergiebige Verbrennung
sein, es mufste eine erhebliche Menge fester
Schlacke Zurückbleiben, just wie beim bengali-
schen Feuer. Es mufs unter solchen Umständen
wunder nehmen, dafs ein derartig mangelhaftes
Pulver sich überhaupt zum Schiefsen eignete. In
 
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