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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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9. Heft
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Winckelmann, Otto: Der Glocken- und Büchsengießer Georg Guntheim von Straßburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0307

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9. HEFT O. WINCKELMANN, DER GLOCKEN- UND BÜCHSENGIESSER GEORG GUNTHEIM

287

Jakob und Peter Sturm, wies er nämlich darauf
hin67), wie er nunmehr alt geworden sei und von
dem Allmächtigen voraussichtlich bald abberufen
werden würde. Da sei ihm nun der Gedanke
peinlich, dafs er von Unser Frauen Werk —der
Münsterbauhütte — soviel Gutes erfahren habe,
obwohl die von ihm verfertigte grofse Glocke
zerbrochen sei. Er bitte deshalb um die Erlaub-
nis, unentgeltlich, nur gegen Lieferung des nötigen
„Zeugs“, eine neue Glocke giefsen zu dürfen in
der Gröfse der Heiligen-Geist-Glocke, ähnlich der-
jenigen von St. Thomas und etwa 70 Zentner im
Gewicht. Es würde ihn freuen, wenn sie dann
zur Predigt läutete und das Volk zu der An-
erkennung nötigte: „er hat ein glock gegossen,
die zerprochen; so hat er die vergebens [d. h. un-
entgeltlich] gossen“. Die Erfüllung seiner Bitte
würde ihm um so mehr Genugtuung bereiten, als
die Stadt sonst überhaupt keine Glocke aus seiner
Werkstatt besitze. Letztere Feststellung aus
Jörgs eigenem Munde ist wertvoll. Sie wider-
spricht allerdings einer sehr bestimmten Behaup-
tung des bekannten Strafsburger Glockengiefsers
Edel, der in der Pfarrkirche von St. Aurelien eine
kleine Glocke gefunden haben will, die die In-
schrift trug: „Meister Jerg gos mich 1519“68).
Sollte sich Guntheim dieses, allerdings ja nur un-
bedeutenden Werks, 1542 nicht mehr erinnert
haben?
Die Herren, denen der alte Meister seinen
menschlich leicht zu begreifenden Wunsch vor-
getragen hatte, mufsten die Entscheidung wohl
oder übel dem Rat anheimstellen. Dieser aber
glaubte, Guntheims Anerbieten dankend ablehnen
zu müssen, mit der — allerdings nicht zur Kennt-
nis des Bittstellers bestimmten — recht unfreund-
lichen Begründung: „Will man dan glocken giefsen
mit disem guten zeug, find man wol [andere] leut“.
Das Vertrauen in Guntheims Kunstfertigkeit war
demnach damals recht schwach, ob infolge des
früheren Mifserfolgs oder weil der Meister in-
zwischen zu alt und zu unzuverlässig geworden
war, können wir nicht entscheiden.
Drei Jahre später, am 5. April 1544, bewarb
sich ein jüngerer Vetter Georgs, Martin von Gunt-
heim, der bisher als Büchsengiefser dem Herzog
Albrecht von Preufsen gedient hatte, bei Strafs-
burg um Anstellung, indem er sich erbot, zur
Probe in Georgs Werkstatt ein oder zwei Stücke
zu giefsen. In der Tat wurden die 13 Kriegs-
verordneten vom Rat ermächtigt, ihn'— wenn sie
es für gut hielten — in Dienst zu nehmen69).
67) Str. St. Arch. XXI 1542 f. 205.
®8) Auszug von L. Schneegans aus handschriftlichen
Aufzeichnungen Edels (Str. Stadtbibi.).
69) Str. St. Arch. XXI 1544 f. 153.

Freilich wurde man bald darauf anderen Sinnes;
denn am 21. Februar 1545 erklärten Räte und
XXI auf die wiederholte Bewerbung Martins, der
inzwischen tatsächlich zwei Stücke gegossen hatte,
man brauche gegenwärtig keinen städtischen
Giefser, wolle ihm aber gern gestatten, sich als
selbständiger Meister in Strafsburg niederzulassen,
und werde ihm auch gelegentlich städtische Arbeit
anvertrauen. Hierbei wird erwähnt, dafs das von
Georg bisher benutzte Giefshaus eigentlich der
Stadt gehörte. Man beschlofs, wenn sich der alte
Meister jetzt zur Ruhe setzte, die Werkstatt ent-
weder an Martin oder an Ambrosius Zeisch, einen
mir sonst nicht bekannten Meister, zu überlassen70).
Zu wessen Gunsten man sich schliefslich erklärte,
ist nicht zu erkennen.
Wie schon bemerkt, hat Jörg noch 1546 in
Strafsburg für Philipp v. Hanau gearbeitet;
kurz danach dürfte er sich dann zur Ruhe gesetzt
haben. Politisch tritt er zum letzten Male hervor
in der wichtigen Schöffenversammlung vom 19. Ja-
nuar 1547, wo die Bürgerschaft vor den verant-
wortungsvollen Entschlufs gestellt wurde, ob sie
sich nach der schweren Niederlage ihrer schmal-
kaldischen Bundesgenossen dem siegreichen
Kaiser unterwerfen oder in der Verteidigung
ihres evangelischen Bekenntnisses bis zum Äufser-.
sten beharren wolle. Auch Georg Guntheim hatte
sich als einer der 300 Schöffen zu der Frage zu
äufsern. Laut Protokoll erklärte er sich bereit,
wenn es darauf ankomme, „Leib und Gut“ für die
Stadt zu opfern. „Aber wo man zu eim guten ver-
trag mochte körnen, were ime nit zuwider und
were am anfang am besten“71). Es war das die
Ansicht, die schliefslich auch durchdrang und zu
der Versöhnung mit Karl V. führte.
Im Herbst 1552 sah sich der Stadtrat ge-
nötigt, auf Antrag Martin Guntheims, als des
nächsten Verwandten, Jörg unter Vormundschaft
zu stellen, weil er „mit solchem Alter beladen,
dafs er einem Kind zu vergleichen“. Es stimmt
das gut zu unserer eingangs geäufserten Annahme,
dafs der Meister spätestens etwa 1470 geboren,
also zwischen 80 und 90 Jahre alt war. Die mit
der Vormundschaft betrauten Herren Bastian Jung
und Veltin Storck gerieten kurz darauf mit Martin
wegen Vermögensfragen in einen Streit72), der
sich längere Zeit hinzog. Im Ratsprotokoll vom
8. März 1553 erscheint Jörg noch als Lebender; das
Protokoll vom 13.März 1555 dagegen78) setzt seinen
Tod voraus, indem es von Ansprüchen der Erben
Kaspar Dannstetter, der alsStiftsherr vonSt.German
--- . • ■.
70) Ebenda XXI 1545 f. 68 und 1547 f. 435.
71) Str. St. Arch. AA 564 f. 18.
ja) Ebenda XXI 1553 f. 19 u. 87.
73) Ebenda XXI 1555 f. 101b.
 
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