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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 4
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Scheffler, Karl: Notizen über die 23. Ausstellung der Berliner Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0205

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bedient, um latenten Freskoempfindungen eine
Form zu schaffen. In allen diesen Fällen über-
wiegt der Eindruck eines nervös beweglichen

Ernstes, wogegen vor den Radierungen mehr
die Empfindungen der Heiterkeit sich ein-
stellen.

«•

ULRICH HÜBNER, HAFEN. AQUARELL

Wie die graphischen Techniken von den jünge-
ren Künstlern jetzt geübt werden, das bezieht sich
irgendwie immer auf das Beispiel Liebermanns.
Besonders deutlich aber sieht man eine Gruppe von
Landschaftsaquarellisten und -pastellisten von dem
Führer herkommen. Man könnte in diesem Fall
von einer Gruppe von Gentleman-Impressionisten
sprechen. Das Revolutionäre des Impressionismus
und seine Wahrheit werden auf die Temperatur des
Salons gebracht. Ohne üblen Nebensinn. Der neue
Malstil, klug begriffen und angewandt von Malern,
die intelligente Bürger der westlichen Grossstadt

sind und nichts anderes sein wollen. Dieser Gruppe
gehören Konrad von Kardoff an, Ernst Oppler,
Fritz Rhein, E. Gabler und, mit einer mehr alt-
bürgerlichen Note, Ulrich und Heinrich Hübner.
Ernst Matthes gehört auch hierher; doch ist in
seinen Arbeiten noch mehr Pariser Atmosphäre.
Sogar der Dachauer Walter Klemm nähert sich
ein wenig. Die Menschheitsidee des Impressio-
nismus spiegelt sich nicht in starken Tempera-
menten, sondern in der klugen Einsicht jüngerer
Künstler, die ihre Zeit verstehen und zu benutzen

wissen.

Den Illustratoren haben kluge und unterneh-
mungslustige Verleger, die die moderne Kunst
lieben, neue Gebiete erschlossen. Dass es sich in
der Regel um Luxusausgaben handelt, erhöht die
Vielseitigkeit nach Seiten der Technik und der
Stoffwahl. Karl Walser ist mit Radierungen und
mit farbigen Lithographien vertreten. Und beiden
Techniken weiss er besondere Reize abzugewinnen.
Er hat das Talent, selbst kunstgewerbliche Kleinig-
keiten mit Ahnungen der grossen Kunst in Berüh-

rung zu bringen, und in ein lustiges Reimgeklingel
unmittelbare Natur zu legen. Lovis Corinth hat in
seine farbig lithographierten Illustrationen zum
„Hohenlied" die ganze sinnliche Kraft seines
Naturells gelegt. Sein bocksbeiniger Esprit ist
voller Phantasie und Bonhomie. Sein Strich ist voll
ohne schwer zu sein. Er spielt in diesen Blät-
tern mit der Kunst, wie in einer seiner Darstel-
lungen der Bräutigam mit den Reizen der Ge-
liebten spielt. „Seine Linke liegt unter meinem

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