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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 4.1907/​1908

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Heft 1
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Versteckte Bilder im Thomaskirchlein bei Villach
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https://doi.org/10.11588/diglit.57691#0030

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4

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. i.

Je nachdem man annehmen will,
dieses Bild sei näher oder entfernter
von einem Zentrum der Kunstübung
entstanden, wird man es früher oder
später ansetzen müssen. Es ist kein
Geheimnis, daß jeder Stil viel Zeit zur
Ausbreitung braucht und daß die Aus'
breitung nicht in regelmäßigen Ringen
vom Zentrum vor sich geht, wie

ungleichmäßige Art, in der sich die Be-
wegung der italienischen Renaissance in
verschiedenen Medien fortpflanzte, und
was der allgemeinen Erwägungen mehr
wären. An das Nachschleppen der Stile
in abgelegenen Gegenden muß ich er'
innern, um zur Vorsicht bei der Da'
tierung von Kunstwerken zu mahnen,
die nicht durch urkundliche Erwähnum
gen oder Inschriften in
eine ganz bestimmte Zeit
verwiesen werden.
Auch das dritte Werk,
das als Bestandteil des
Thomaskirchleins in Fel'
lach noch zu erwähnen ist,
läßt sich nur bedingt da'
tieren und nur ungefähr
der Zeit um 1520 zuweisen.
Es ist späteste Gotik, oder
wer so sagen will, deutsche
Frührenaissance, die wir
da vor uns haben, eine
nachschleppende Kunst, die
durch manche Kleinig'
keiten verrät, daß sie der
Maximilianschen Zeit am
gehört. Auf dem einen der
Bilder, am rechten (litur-
gisch linken) Altarflügel
kommen Kuhmaulschuhe


Altdeutsche Tafel im Thomaskirchlein zu Fellach. (Kärnten.)

etwa die Befeuchtung in einem Blatt
wohlbereiteten Löschpapieres. Das auf-
saugende Medium erweist sich für Kunst'
Stile ganz merkwürdig ungleichmäßig.
Wem käme nicht die Verbreitungsweise
der französisch'gotischen Baukunst in
den Sinn, die in Deutschland so groß'
artig weitergebildet, in Italien aber so
wenig heimisch wurde, im östlichen
Europa keine festen Wurzeln schlagen
konnte, in Spanien und England ganz
eigenartige Erscheinungen hervorrief und
schließlich doch um den ganzen Erdball
herumreiste. Wer dächte nicht an die

vor. Der Rundbogen, der
durch das Astwerk der ge'
schnitzten Abschlüsse in
der Predelle (siehe die Abbildung am
Schluß des Heftes) und durch die Ab'
Schlüsse der Bilder in den Flügeln deut'
lieh durchdringt, ist gleichfalls in bezug
auf die Stilbestimmung nicht zu über'
sehen. Im Gebirge, wo der Altar doch
entstanden ist, mag diese deutsche Früh'
renaissance nicht sofort Eingang ge'
funden haben.
Der Altar, dessen linkes (liturgisch
rechtes) Flügelbild anbei wiedergegeben
ist, befindet sich wohl seit lange nicht
mehr im ursprünglichen Zustande. Die
geschnitzte Gruppe des Hauptfeldes fehlt
 
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