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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 4.1907/​1908

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Heft 3
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Frimmel, Theodor von: Nochmals die Madonna Reichel von Dürer
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Frimmel, Theodor von: Bemerkungen über den Meister von Utrecht
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https://doi.org/10.11588/diglit.57691#0085

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Nr. 3.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

57

Doch all das nur nebenbei. Die Haupt-
sache ist die: man kann sogar vom
Lichtdruck ablesen, daß auf dem Bilde
inLondonkeinPinselzugDürerisch
ist. Welch unsicheres Gestrichel in den
Schatten! Was soll der spätgotisch ver-
schnörkelte Kreuznimbus beim Kinde
mit Dürer zu schaffen haben? Wie un-
künstlerisch kommen neben Mariens
Kopf der Strahlennimbus und die Jahres-
zahl in unbequeme Berührung! Der
Duktus des Monogramms ist nicht der
Dürers um 1516 (diese Jahreszahl steht
über dem Handzeichen). Das sind alles
Beweise gegen Dürers Urheberschaft an
dem Londoner Bilde. Überdies ist zu
beachten die Unterlage aus Eichenholz,
die für ein deutsches Bild recht unge-
wöhnlich ist. Wenn also der Text des
großen englischen Kataloges die Sache
als ausgemacht hinstellt, es sei im
Londoner Exemplar das Urbild der Ma-
donna Reichel gegeben, so bedauere ich
lebhaft, ganz und gar nicht bei-
stimmen zu können, sondern mich
entschieden für den Vorrang des
Bildes bei Reichel aussprechen zu
müssen, das doch wohl viel näher bei
Dürer zu stehen kommt als das Lon-
doner Bild. Man wird die Madonna
Reichel ruhig als das Original an-
nehmen können. Daneben hat auch die
Londoner Kopie ihr Interesse, ihren
Wert, schon deshalb, weil sie die An-
haltspunkte dazu bietet, die ganz ver-
riebene linke Hand der Maria in der
Madonna Reichel zu ergänzen und weil
sie die Jahreszahl 1516 für die Ent-
stehung des Urbildes feststellt.
In jüngster Zeit, nachdem obiges
schon gesetzt war, fragte ich Herrn
Dr. Dörnhöffer um seine Meinung über
das Bild in London. Auch Dörnhöffer
äußerte sich über dieses Exemplar ab-
fällig: kein Strich von Dürer, wo-
gegen auch er zugunsten des Reichel-
schen Bildes sprach.

BEMERKUNGEN
ÜBER DEN „MEISTER VON
UTRECHT".
Der Mann gehört zu den Malern,
die in den Niederlanden vom Mittelalter
zur Neuzeit herüberführen. In Leyden
vermittelten Cornelis Engelbrechts und
Lukas van Leyden den Übergang von der
Spätgotik zur Renaissance. In Amster-
dam besorgt das Cornelis aus Ostzanen.
In Utrecht ist das tonangebende Über-
gangsglied Jan Scorel, der nahezu gleich-
alterige Parallelmeister zu Lukas van
Leyden. In Maastrich oder wieder in
Utrecht wäre ein Jacobus Claessens
Trajectensis zu nennen. Damit wird nur
einiges angedeutet: ziemlich allgemein
bekannte und einige berühmte Namen,
an die man sich erinnern möge, um
von diesen zu dem noch namenlosen
„Meister von Utrecht" herüberzu-
finden, der wie es scheint, mit Jacobus
Trajectensis zusammenhängt.*) Der
„Meister von Utrecht" ist dieselbe kunst-
geschichtliche Figur, die auch als Le-
prieurs „Maitre de Ladoration des
mages" in engem Kreise bekannt ist.
An der Zusammenstellung seines Werkes
ist schon manches herumgeknoppert
worden. Angestochen wurde das Thema
durch L. Mesnard in der „Chronique
des arts et de la curiosite" vom 9. No-
vember 1889. Mesnard stellte zunächst
einige wenige Arbeiten von der Hand
des Unbenannten zusammen, und zwar
*) Das wichtigste Werk von diesem Ja-
cobus befindet sich im Kaiser Friedrich-
Museum zu Berlin (hiezu die Kataloge der
Berliner Galerie), ein weiteres mit „Jacobus
Claessens Trajectensis“ signiert in Stockholm
(Faksimile der Signatur und beschreibende
Angaben im Katalog von Goethe), ein weiteres
ist vor Jahren durch Thode aus der Galerie
Minutoli beschrieben worden (Zeitschrift für
bildende Kunst XXI, 1886). Das Bild aus Stock-
holm war 1894 in Utrecht ausgestellt (Kat.
Nr. 214). Damals wurde die Frage aufgeworfen,
ob sich „Trajectensis“ auf Maastrich oder Ut-
recht beziehe.
 
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