Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 4.1907/​1908

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Aus der Literatur
DOI Artikel:
Aus der Bildniskunde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57691#0150

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
122

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 5.

Gleich den vorhergehenden ist er so wohl ge-
raten, daß man der Fortsetzung mit freudiger
Ungeduld entgegensieht.
„Kunst und Kunsthandwerk.“ Die
Monatsschrift des k. k. Österreichischen Mu*
seums für Kunst und Industrie in Wien,
herausgegeben und redigiert von A. von
Scala (Wien, Artaria & Co.), brachte im Laufe
etwa eines Jahres unter F. Ritters umsichtiger
Leitung eine Reihe wertvoller Beiträge über
kunstgewerbliche Gegenstände, ferner einen
Bericht über die Neuerwerbungen des Wiener
Hofmuseums, eine Studie über die Ikono-
graphie des Einhorns, einen Bericht über
amerikanische Kunst und reichliche Kunst*
notizen verschiedener Art.
Eben versendet die Verlagshandlung
Georg Müller in München die Einladung
zur Subskription für die neue italienische
Ausgabe des Vasari, die von Prof. Dr. Karl
Frey bearbeitet worden ist.

ZUR BILDNISKUNDE.
Vor etwa elf Jahren hat Franz Xaver
Kraus im zweiten Band seiner Geschichte
der christlichen Kunst vom Porträt im Mittel*
alter gehandelt. Wie sehr man es dem ge*
nannten Werke auch ansehen konnte, daß
etwas, es war Alter und schwere Krankheit,
die freie Entfaltung der Schaffenskraft und
der Literaturkenntnis des berühmten Autors
gelähmt hatte, so war der Abschnitt über
das Bildnis in der mittelalterlichen Kunst
doch anregend genug; mit weitschauendem
Blick wies Kraus auch hin auf Schätze, die
zum Teil noch ungehoben in den Porträten
auf mittelalterlichen Münzen und Siegeln ge*
geben sind. Dagegen schenkte er den vielen
Porträten in den mittelalterlichen Hand*
Schriften wenig Beachtung, wenigstens in der
erwähnten kurzen Erörterung (Band II, Seite
451 ff.). Für diesen Zweig der Porträtkunde
hat besonders Dr. Max Kemmerich gewirkt,
der seine Studienergebnisse in einem Band
unter dem Titel „Die frühmittelalterliche
Porträtmalerei in Deutschland bis zur
Mitte des 13. Jahrhunderts“ zusammen*
gefaßt hat. Das Buch ist, mit 38 Abbildungen
versehen, im Verlag von Georg D. W. Call*
wey in München erschienen. Kemmerich geht
von der gesunden Ansicht aus, die seit Jahr-
hunderten die Bildnisdarstellung beherrscht,
daß nämlich großes Gewicht auf die Ähnlich*
keit zu legen ist.*). Wenn Kemmerich in den
Beispielen, die er sich zur Bearbeitung ausge*

*) Hiezu unter anderem „Blätter für Gemälde-
kunde“, Bd. I, Heft 4.

wählt hat, nicht viel Gelegenheit findet, die
künstlerische Auffassung von Bildnissen zu
erörtern, so ist das durch den bearbeiteten
Stoff bedingt. Bei der raschen Durchsicht des
Buches und bei Stichproben fand ich, daß
Kemmerich gewöhnlich wohl unterrichtet an
die Arbeit gegangen ist. Im Verzeichnis am
Schluß wird bei Aachen das Ottonenevan*
geliar vermißt, obwohl im Text (S. 63) davon
die Rede ist. Erwähnenswert wäre es auch
gewesen, daß durch ein Mißverständnis in der
Literatur aus dem einen Aachener Ottonen*
evangeliar ein zweites gemacht worden ist.
Die Literatur nennt einen Lotharcodex in
Aachen und daneben einen Ottonencodex, was
auf eine Zerstreutheit Weltmanns zurück-
zugehen scheint. Ich behandelte diese Ver*
wicklung in Lützows Kunstchronik XXI (1886),
S. 9 ff.
Was die allgemeinen Ergebnisse der
Forschungen Kemmerichs betrifft, wird mit
Anerkennung zu bemerken sein, daß er den
Buchmalern karolingischer Zeit und ihren
nächsten Nachfolgern mehr gerecht wird, als
es vorher durchschnittlich geschehen ist. Den
besten Künstlern jener Zeiten läßt er die
Fähigkeit gelten, die individuellen Merkmale
einer Person wiederzugeben. Wie noch weiter
hervorgehoben werden soll, vermeidet er den
Fehler so mancher anderer, die für die Beur-
teilung mittelalterlicher Maler von den nach-
folgenden Kunstperioden nicht abzusehen ver-
mögen, er vermeidet die Fehlschlüsse derer,
die fortwährend ihren Tizian, Rembrandt,
Hals, Velasquez im Munde führen und dann
freilich im Bildnis aus dem hohen Mittel-
alter nur das Schema erblicken und darin
die unzweifelhaften Ansätze von Charakte-
ristik entweder ganz übersehen oder unter-
schätzen. In Vergleichung mit der antiken
Bildniskunst ist freilich die Porträtdarstellung
im Laufe des hohen Mittelalters kindisch ge-
worden, eine rückschreitende, verfallende
Kunst. Dazwischen aber sind auch Züge kind-
licher, lebensfroher Art zu finden, die ein ge-
deihliches Wachstum versprechen. Ohne
Zweifel wird Kemmerichs Buch das Ver-
ständnis für mittelalterliche Bildniskunst för-
dern, und ich mache deshalb die Leser meiner
Blätter des besonderen auf diese neue Er-
scheinung der Kunstliteratur aufmerksam.
Zu Bart. Bruyns Porträt des Agrippa
von Nettesheim. Der Verkauf des Bildes
aus der Frankfurter Sammlung Goldschmidt
ist im III. Bande der Blätter gemeldet worden.
Die Bestimmung des Dargestellten wird be-
stätigt durch die Gesichtsähnlichkeit und durch
einige auffallende Merkmale an dem Profil-
bildnis desselben A. v. Nettesheim, das in
Giovio: Elogia (1577) und bei N. Reusnerus:
 
Annotationen