Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 4.1907/​1908

DOI Heft:
Heft 9 und 10
DOI Artikel:
Frimmel, Theodor von: Wiedergefundene Bilder aus berühmten alten Sammlungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57691#0230

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
200

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 9 und io

WIEDERGEFUNDENE
BILDER AUS BERÜHMTEN
ALTEN SAMMLUNGEN.
I. Ein alter Venezianer aus der
kaiserlichen Galerie.
Vor allem sei mitgeteilt, daß mir
die erste Kunde von dem bisher ver-
schollen gemeinten Bilde durch Herrn
Konservator}. K. Beer in Budapest
geworden ist. Beer machte mich im
Sommer des laufenden Jahres auf die
Beziehungen des kleinen Norditalieners
zu den kaiserlichen Kunstsammlungen
aufmerksam. Danach sah ich das Bild'-
chen selbst und seinen Sammlungs-
vermerk in Beers Atelier des Buda-
pester Museums, und eine kurze Erz
wähnung des Sachverhaltes wurde in
die Herbstnummer meiner Blätter ein-
gerückt (in die „Rundschau“)- Einige
Wochen nach dem Erscheinen des
Herbstheftes nahm die „Neue Freie
Presse“ auf den Fund Rücksicht (in
der Notiz vom 23. Oktober 1908). Eine
Abbildung *) und verhältnismäßig ein-
gehende Besprechung des wertvollen
kleinen Gemäldes wird hiemit zum
ersten Male geboten, wogegen ich eine
abschließende Benennung vermeide.
Hat man doch die Wahl zwischen
einem Frühwerk des Palma vecchio
und einem Spätwerk des Giovanni
Bell ini. Ich würde es für eine etwas
gewaltsame Entscheidung halten, den
einen oder den anderen Namen als
ausgemacht anzunehmen. Nur das läßt
sich sagen, es sei in diesem Falle nicht
weit herumzusuchen in verschiedenen
Schulen. Denn ausgebreitete Vergleichun-
gen führen uns immer wieder auf die
oben genannten Namen zurück.

*) Ich verdanke sie dem freundlichen Ent-
gegenkommen der Herren Generaldirektor Dr.
E. v. Kammerer, Galeriedirektor G. v. Terey
und Konservator J. K. Beer.

In dem kleinen Kunstwerk ist das
Brustbild eines jungen Mannes darge-
stellt. Er steckt im Brustharnisch, der
auf einer Seite von einem krapproten
Mantel bedeckt ist. Auf der Schulter
der anderen Seite (es ist dies die rechte
des Dargestellten) erscheint der Mantel
über der Schulter doppelt geknüpft.
Das volle rundliche Antlitz ist nur
wenig vom Beschauer abgekehrt, dem
aber der Blick geradewegs zugewendet
ist. Braunes dichtes Haar fällt bis in
den Nacken hinunter. Ein Efeukranz
von warmem, dunkelgrünem Ton liegt
über der Stirn. Links vom Beschauer
aus als Mittelgrund ein schwärzlicher,
leicht grünlich getönter Vorhang. Rechts
Landschaft. Himmel oben klar und blau,
weiter unten einige helle Wolken. Nach
dem Horizont zu ist der Himmel gelb-
lieh. Gebirge tiefblau. Baum dunkel-
braungrün. Saftgrüne Wiese, in der ein
Reiter auf einem Schimmel zu unter-
scheiden ist*54). Das Reiterchen ist wohl
eine Anspielung auf den ritterlichen
Stand des jungen Kriegers oder es mag
als Anspielung auf den Vornamen
des Unbekannten aufzufassen sein. Er
hat vielleicht Vitale, Giorgio oder Mar-
tino geheißen.
Nun geht uns heute des beson-
deren die Herkunft des kleinen Vene-
zianers aus der kaiserlichen Galerie
an. Der Zusammenhang erhellt aus
einer Brandmarke „K. K.“, die an der

*) Meine beschreibenden Notizen werden
in dankenswerterweise durch briefliche Mit-
teilungen Beers ergänzt. Das Bildchen sitzt auf
Pappelholz und mißt 39 X 29 cm- Für die Ge-
mäldekunde hat es Interesse, zu bemerken,
daß ein Pentiment den Kontur des Kopfes
rechts von der Haargrenze noch einmal er-
scheinen läßt. Sogar in der verkleinerten
Nachbildung sieht man, daß die Frisur ehe-
dem breiter angelegt war und vom Maler
geändert worden ist. J. K. Beer, der das Pen-
timent bemerkt hat, konnte auch erkennen,
daß das Bildchen mit harziger Ölfarbe
gemalt ist. — Auf der Kehrseite einige alte
Vermerke: „43. 1 St“ und „R. H. 776“.
 
Annotationen