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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 4.1907/​1908

DOI issue:
Heft 9 und 10
DOI article:
Frimmel, Theodor von: Wiedergefundene Bilder aus berühmten alten Sammlungen
DOI article:
Frimmel, Theodor von: Ein Bildnis von Bernadino Campi
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https://doi.org/10.11588/diglit.57691#0234

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204

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 9 und io

nitz selbst. Er scheint den Bericht eines
Sekretärs entgegenzunehmen, der in gez
bührender Entfernung vor ihm steht
und ein Schriftstück hält. Links zwei
Diener. Neben dem Palast, der rechts
im Mittelgründe zu sehen ist, eröffnet
sich eine reiche Fernsicht, in der Canaz
letto einen geschickt komponierten
Ausblick auf den östlichen Teil der
Hauptstadt bietet. Wenn auch nicht
genau an den Stellen, die einer im
genieurmäßigen Aufnahme entsprechen
würden, bringt der Künstler vieles von
dem an, was man um 1760 von der
Anhöhe des Mariahilfer Berges aus erz
blicken konnte: so den Wienfluß, in
der Ferne das kaiserliche Belvedere und
weiter nach links die Karlskirche. Viel
näher zur äußersten Linken die Mariaz
hilfer Kirche. Umstellungen von eim
zelnen Gegenständen im Prospekt, wie
sie auf diesem Bilde vorkommen, bez
gegnen uns bei dem phantasievollen
Canaletto nicht selten. Man kann seine
Bilder nicht schlechtweg als getreue An-
sichten hinnehmen, die uns gewisser-
maßen den Mangel von Photographien
zu Canalettos Zeit ersetzen würden. Um
so mehr aber verstand es der Künstler,
aus den Eindrücken und Studien jedes-
mal ein geschlossenes Kunstwerk zu
schaffen, das unendlich höher steht, als
jede photographische Aufnahme. Für
Studien über die Straßen und Häuser
Wiens zur Zeit des Canaletto hat man
andere Behelfe: Pläne, Risse und am
deres. Wir sind in dieser Beziehung
auf eigentliche Kunstwerke nicht angez
wiesen. Diese aber wollen für sich be-
trachtet, genossen und beurteilt werden.
Ihre Würdigung hängt nicht von einer
streng verantwortlichen Genauigkeit ab,
sondern von der Behandlung der Linien,
Formen, Farben, Massen, von der Licht-
führung und vielem anderen, das mit
der topographischen Treue nichts zu
tun hat. Canaletto erweist sich nun,
wie sonst so oft, auch in dem Bilde

mit dem Palais Kaunitz als hoch-'
stehende kraftvolle Künstlernatur. Eim
heitliches breites Licht flutet über das
Ganze. Die Gebäudemassen sind wohl
verteilt, die Luftperspektive ist unüberz
trefflich. Hingewiesen sei noch auf die
solide Technik. Dadurch ist eine treffz
liehe Erhaltung bedingt. (Abmessungen:
Breite 2*37 m zu 1.35 Höhe. Malgrund:
Leinwand).

EIN BILDNIS VON BER-
NARDINO CAMPE
Der Cremoneser Maler Bernardino
Campi wird öfter genannt, als genau
studiert. Die Lexika, Handbücher, Reisez
bücher für Italien gehen an der Künste
lerfamilie der Campi niemals vorüber
und nennen gewöhnlich auch mehrere
Werke des Bernardino. Abbati Lanzi
widmet ihm einige Seiten. Als Lehrer
der Sofonisba Anguissola ist B. Campi
geradewegs allbekannt. Trotzdem würde
man in der neuen Kunstliteratur verz
geblich nach einer ausreichenden Würz
digung und Bearbeitung der Kunst
und des Lebensganges Bernardino Carm
pis suchen. Im Gegensatz zu einigen,
immer wieder abgeleierten, in allen
Sammlungen von Kunstbüchern verz
dünnt wiederholten Biographien älterer
Künstler versagt unsere neue Literatur
fast gänzlich in bezug auf Maler, die
schon weit in die zweite Hälfte des
16. Jahrhunderts hineinreichen. Bernarz
dino Campi gehört zu diesen. Er ist
1590 oder wenig später gestorben*). 1522
war er geboren worden. Wie die meisten
seiner italienischen Zeitgenossen hat er
in unseren Tagen keinen Biographen
*) Vgl. Pungileoni: Memorie istoriche di
Antonio Allegri detto il Correggio, Vol. II
(Parma 1818), S. 217. 1590 malte B. Campi
noch zu Reggio in San Prospero. Er starb
jedoch über der Arbeit, die 1595 von Gian-
Battista Tinti fortgesetzt wurde.
 
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