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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 4.1907/​1908

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Heft 4
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Frimmel, Theodor von: Aus Lemberg: die werdende Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.57691#0130

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102

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 4.

kannt, ja berühmt, doch war er auch
als Maler tätig. Die Gebiete seiner Dar-
stellungen sind ziemlich mannigfach.
Neben Landschaften, Bildnissen, Innen-
räumen mit Figuren sittenbildlicher Art,
liebte er auch Tierdarstellungen, haupt-
sächlich mit Rindern. Der Mann war
also vielseitig, wie seine Vorgänger in
Holland, nach denen er sich bildete
und nach deren Gemälden er manches
radierte. Von seinen holländischen
Mustern hat er auch eine geschickte Be-
handlung des Helldunkels übernommen.
Eine solche verhalf ihm unter anderem
zur wirkungsvollen Darstellung von
Innenräumen mit künstlicher Beleuch-
tung, wie sie z. B. in der Radierung:
Die Familie beim Kamin (Nr. 114 des
Boissieu-Katalogs von 1878)*), zu sehen
sind. Die Schlagschatten, nach der
Theorie freilich nicht ganz richtig, geben
doch einen kräftigen Gegensatz zur
Helle, die vom Kamin ausgeht. Oder es
dringt Tageslicht in ein Kellergewölbe
(bei Nr. 52 und 87 des Kataloges von
1878), wo es in mannigfacher Weise
Bottiche, Fässer und die Personen da-
bei streift und dadurch hervorhebt. Wie
klarer Tag zum Stall hereinschaut, wo
Kühe an der Krippe stehen, ist auf
einer weiteren Radierung (Nr. 79) zu
erschauen. In diese Klasse von Kom-
positionen gehört auch das Bild in
Lemberg. Der Zeichner rechts vorne
ist offenbar der Künstler selbst. Dabei
die Frau und ein Sohn, oder Schüler.
Rosiges Abendlicht übergießt das ganze
Bild. Leider konnte ich beim ersten
Anlauf keine Signatur entdecken. Durch
Aufhellen kann wohl noch eine solche
zum Vorschein kommen. Aber die Be-
nennung ist auch ohne Signatur fast
sicher: Boissieu hat sein Eigenbildnis
gestochen (Nr. 61 des eigenen Kataloges
von Boissieu aus dem Jahre 1801, Nr. 1
bei Regnault de Lalande im Katalog
*) Zu vergleichen auch Regnault de La-
lande, Katalog Rigal, 1821.

Rigal von 1821 und Nr. 102 im Katalog
von 1878). Mit den Zügen dieses Por-
träts, das mit 1796 datiert ist, läßt sich
das Malerbildnis rechts im Lemberger
Bilde ganz wohl in Einklang bringen.
Dann noch etwas: Auf einem späteren
Etat des radierten Autoporträts ist das
Blatt, das Boissieu in der Hand hält,
ausgefüllt, und zwar mit dem Brustbild
seiner Frau. Auch die Züge der Frau
sind nächst verwandt denen, die man
an der Frau des Künstlers im Lem-
berger Bildnis bemerkt. Beide sind im
Ölgemälde etwas älter, als auf der
Radierung, wonach man das Gemälde
nach 1796 also in die Spätzeit des
Künstlers zu setzen hat. J. J. de Boissieu
starb 1810 in Lyon, seiner Vaterstadt.
Um 1800 dürfte das interessante Bild
entstanden sein. Es läßt sich an den
Fingern abzählen, daß Boissieus Ruhm
im Steigen begriffen ist. Man hat den
Künstler unter anderem auch wegen
seiner Vorgängerschaft in bezug auf stil-
volle Darstellung des Waldes von Fon-
tainebleau zu schätzen. Mehrere Radie-
rungen sind aus der berühmten Wald-
gegend genommen. Die Bewunderung
für seine geistreiche Nadel muß wachsen,
je mehr man sich mit dem immer be-
liebter werdenden 18. Jahrhundert be-
schäftigt. Auch seine Gemälde dürften
an die Reihe kommen. Das vorliegende
Bild hat aber schon heute einen hübschen
Geldwert. Die Landschaft Boissieus im
Louvre (Tauzias Katalog Nr. 21) kostete
1819 schon 2000 Franken. Heute wird
man bei Boissieuschen Gemälden wohl
viel höhere Töne anschlagen müssen.
Keineswegs gering zu schätzen ist
auch ein französisches Bildnis aus
dem ersten Viertel des 19. Jahr-
hunderts: Halbfigur eines Knaben mit
Tamburin. (Lebensgröße. Halbe Figur.)
Es ist eine Studie, die der Künstler
rasch hingeworfen und auf die er nur
ganz flüchtig seine Signatur gesetzt hat.
Ich fand sie unleserlich. Das Bild scheint
 
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