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Die Gartenkunst — 5.1903

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v, 1

DIE GARTENKUNST

17

nun wird derselbe angelegt. Dies ist der natürlichste Ent-
wickelungsgang.
Da nun Herr Schultze-Naumburg von den naturalistischen
Gartenbauern der letzten 50 Jahre nichts wissen will, sie eben
durch dieses Buch bekämpft, so will ich ihm nicht die Defi-
nition des Gartens dieser Leute entgegenhalten; er erkennt
aber vielleicht einen seinegleichen, den Ästhetiker Jacob
von Falke, an. Derselbe definiert den Begriff „Garten“ in
seinem Werk „Der Garten. Seine Kunst und Kunstgeschichte“
folgendermafsen: „Der Garten ist die der Kunst unterworfene
Natur. Daraus folgt, dafs die Anlage, die Schöpfung eines
Gartens — wir sagen ausdrücklich so im Gegensatz zur Pflege
und Erhaltung — in Wahrheit und Wirklichkeit eine Kunst
ist, eine Kunst, in welcher man dilettieren und in welcher
man ein Meister sein kann. Die Mittel dieser Kunst sind die
Produkte oder Bestandteile der Natur, Bäume, Gesträuche,
Rasen und Blumen. Zu ihnen können sich fliefsende und
stehende Gewässer hinzugesellen; notwendig zur Vollständig-
keit des Gartens sind sie nicht. Ebenso können andere Künste,
insbesondere die Skulptur und die Architektur, schmückend,
verschönernd, sich im Garten einfinden. Auch sie sind kein
notwendiger Bestandteil desselben.“ — Hier also die klare
Darstellung, dafs der Garten aus Rasen, Blumen, Sträuchern
und Bäumen herzustellen ist und dafs dann schmückend und
verschönernd andere Künste hinzugezogen werden können.
Herr Schultze-Naumburg läfst aber erst Maurer und Zimmerer
kommen, denn bei ihm ohne Baulichkeiten kein Garten, und
so ist denn auch nicht zu verwundern, dafs der Autor nur den
regelmäfsigen Gartenstil als den einzig richtigen anerkennt.
Solange er diesen Stil für geringere Grölsenverhältnisse und
für Obst- und Gemüsegärten verlangt, liefse sich dem zustimmen,
aber bis zu welchen Gröfsenverhältnissen der regelmäfsige
Stil angewendet werden mufs, geht aus dem Wortlaut der
Stelle S. 232 hervor. Es heifst dort: „Wenn jemand ein paar
Morgen Land beim Hause hat, so darf er eben nicht einen
Park markieren wollen und Gartenbauformen anwenden, die
erst dann Sinn und Berechtigung haben, wenn es sich um
Flächen handelt, die so und so viel Hunderttausende von
Quadratmetern umfassen.“ — Also fort mit den Villen- und
Gutsgärten im natürlichen Stil! Wer nicht 80 Morgen Land
zur Verfügung hat, kann sich nur einen Garten im regelmäfsigen
Stil anlegen. Der Verfasser verwahrt sich aber dagegen, dals
man ihm vorhalten wird, er wolle den französischen Garten-
stil wieder ins Leben rufen. Er erkennt überhaupt nicht die
kunstgeschichtlich festgelegten Gartenstile an. Spricht jemand
von französischen und englischen Gärten, so behauptet der
Verfasser, dies seien nur eingerostete Schlagworte, die nun
endlich über Bord geworfen werden sollten. Er selbst hat in
England Gärten mit seinem Kodak aufgenommen, die ganz
symmetrisch angelegt sind (Abbildungen 141, 142 u. 143).
Alles drei ächt französische Gartenanlagen, weil sie aber der
Verfasser in England vorfand, behauptet er freimütig: „Der
englische Garten ist noch heute der streng architektonische
Garten.“
Wenn der Verfasser noch einige Aufnahmen für seine
späteren Werke von solchen symmetrischen Gartenanlagen ge-
braucht, so würde ich ihm empfehlen, sich einmal nach dem
Osten zu wenden. Auf den alten polnischen Gütern findet
man noch viel dergleichen, dann kann er mit demselben Recht
behaupten: der polnische Garten ist, wie der englische, noch
heute streng architektonisch. — Aber nicht nur architektonisch
soll ein Garten angelegt sein, nein, auch nutzbringend soll
derselbe sein. So das Ideal des Herrn Schultze-Naumburg.
Lassen wir ihm dasselbe selbst beschreiben:

„Der Garten eines alten, schon ziemlich grofsen deutschen
Landsitzes. Schnurgerade Wege fassen das lange Rechteck
ein und kreuzen es einmal in der Mitte. Auf diesem Schnitt-
punkte liegt ein rundes Wasserbecken, von Sandstein ein-
gefalst. Die Wege werden von Buxbaumhecken begrenzt. An
den Endpunkten der Wege stehen Lebensbäume, die die ein-
zelnen Teile des Gartens deutlich für das Auge in bestimmte
Verhältnisse teilen. Rechts und links von den Wegen ziehen
sich hier Alleen von Rosenstöcken, dort von Zwergobstspalieren
hin. Die Rechtecke aber, die zwischen den Wegen bleiben,
sind ausgefüllt von Beeten. Da sind lange Erdbeerbeete, dort
hellgrüne Salatpflanzungen, dort wieder die dunkle Farben-
pracht des Rotkohls. Dann kommt ein Dickicht von Himbeer-
büschen, dann wieder ein Beet mit Gewürzpflanzen. Und so
fort. A.n den Mauern, die den Garten ringsum einfassen, sind
Spaliere gezogen, die hier mit echtem Wein, dort an der
Südseite mit Pfirsichen angepflanzt sind. Hinter der nördlichen
Mauer, an der die Schattenmorelle. wächst, erhebt sich die
dunkle Masse dichter Baumkronen. Ein breites Tor in der
Mauer führt hinein. Dieser kleine Hain, durch dessen dichtes
Blätterdach kaum ein Sonnenstrahl bis zur Erde dringt, ist
wie ein stilles Heiligtum. Obwohl nur zweihundert Schritt
lang, atmet er tiefen Waldfrieden. Und doch will er kein
Wald sein. Schnurgerade führt der gebahnte Weg bis zum
Hintergrund, wo in ein breites Steinbecken an der Mauer ein
Quell plätschert. Grofse Steintische und Bänke stehen hier.
Das Dickicht ringsum ist zur üppigen Wildnis verwachsen,
der Epheu klettert an den alten Baumstämmen empor und
füllt das, was er erstickt, doppelt mit eigenem Leben. Das
Unterholz bildet ein undurchdringliches Blätterdach, unter dem
Farn und anderes Waldpflanzengestrüpp wuchert.
Dieser Garten ist ein kleines Paradies. (So, das ist also
die vermenschlichte Form der freien Natur? Diese verwahr-
loste Wildnis zwischen Mauern? Nur, weil ein schnurgerader
Weg hindurchführt und Steintische und Bänke und ein
Wasserbecken vorhanden, ist er ein Muster von Garten?)
Und ist doch zur gröfsten Hälfte eigentlich ein Obst- und Ge-
müsegarten, wie alle jene Rittergutsgärten älterer Zeit. Die
Leute der damaligen Zeit waren alle viel zu vernünftig, oder
wenn man will, viel zu ehrlich, um ihre paar Morgen Garten-
land in einen Pseudopark en miniature umzuwandeln, indem
sie nur an die Anlage von Bäumen, Büschen und Rasenflächen
dachten. (Freilich waren die Leute damaliger Zeit vernünftig
genug, bei den schlechten Verkehrsverhältnissen auf ihre paar
Morgen Land ihren Kohl selbst zu bauen. Heute liegen die
Verhältnisse anders und trotzdem haben wir auf allen alten
wie neuen Gütern solche Obst- und Gemüsegärten.)
Warum lassen sich die Leute von heute nur all die herr-
lichen Möglichkeiten entgehen, die in der Verschmelzung des
geselligen Gartens mit dem Obst- und Gemüsegarten liegen?
Glauben sie, es sei eine Schande, Salat im Garten wachsen zu
haben? Wenn sie doch nur ahnten, welche Freuden solch ein
benutzbarer Garten dem Bewohner bietet, wie er sich und uns
mit dem Leben verbindet und welche Herrlichkeiten er zu
schauen giebt. Man vergleiche doch nur mit dem Auge die
tödliche Langeweile jener „Ziergärten“, in denen der Bewohner
nichts anderes kann, als wie ein gefangenes Tier im Käfig
sich auf den runden Schlängelwegen ewig um sich selbst zu
drehen, weil er sich nicht getraut, die mühsam angepflanzten (!!)
runden und ovalen Rasenplätzchen zu betreten. Welches Leben da-
gegen in einem Obst- und Gemüsegarten! Wie entzückend
ist schon der Duft der frisch aufgeworfenen Erde, wenn im
ersten Frühjahr die Beete gegraben und geebnet, die Wege
gezogen werden. (Sollte der entzückende Duft nicht weit
 
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