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Die Gartenkunst — 5.1903

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Vogeler, Otto: Die Weiden, ihr Nutzen in ästhetischer und materieller Beziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.58968#0064

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DIE GARTENKUNST

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Ziehung von Weiden, so tritt uns unwillkürlich auch
Wasser in Form eines Teiches oder Weihers oder Baches
vor unsere geistigen Augen; ebenso wenn wir von Ufer-
bepflanzungen reden, so drängen sich die Weiden vor
unsere geistigen Augen. So sind Weiden und Wasser
eng verbunden. Ich erinnere Sie an die uns von Herrn
Peters in der letzten Sitzung vorgeführten prachtvollen
Lichtbilder. Szenen aus englischen Parks und Gärten
darstellend. Sobald uns ein Bild gezeigt wurde, einen
Wasserlauf oder Teich darstellend, so hörten wir aus dem
Munde bes Vortragenden bei seinen Erklärungen der
Szene: „Sehen Sie diese herrliche Weide!“ Und dies mit
Recht. Aber nicht alle Weiden sind Sumpf'- und Uferbe-
wohner. Eine grofse Anzahl lieben trockenen, kalk- oder
lehmhaltigen Boden, andere gedeihen sogar auf dem
sterilsten Sandboden. Ich erinnere an die Weidenpflanzungen
längs der Wannseebahn, wo Sie solche Pflanzungen von
Salix pruinosa zur Bindung des Flugsandes finden, wozu
sich dieselbe vorzüglich eignet.
Vergegenwärtigen wir uns die geographische Ver-
breitung der Weiden, so finden wir sie von der subtropischen
bis zur arktischen Zone der nördlichen Hemisphäre und
in vertikaler Richtung von der Sumpf- und Flufs-
niederung bis zu der Gletscher-Region der Hochgebirge
aufsteigend verteilt.
Die Weidenarten des hohen Nordens, sowie der Hoch-
gebirge haben für uns in der Landschaft keinen Wert.
Es sind niedrige, einige cm hohe, fast krautartige Sträucher,
wie Salix herbacea, pyrenaica, arbuscula u. a. Sie würden
nur bei der Bepflanzung von Felspartien Verwendung finden.
Die niedrigste Weide, welche für uns Gartenkünstler
Wert hat, ist Salix sericea, eine bis 1 m hoch werdende
Weide. Diese ist mit ihren silbergrauen Blättern in Ver-
bindung mit dunkellaubigen Gehölzen, wie Berberis vulgaris
atropurpurea, als Vorstrauch sehr gut zu verwenden.
Von dieser kleinsten in der Landschaft zu gebrauchenden
Weide sind die übrigen Weiden als Sträucher und Bäume
in den verschiedensten Höhen bis zu den beiden höchst
wachsenden Bäumen, Salix caprea (10 — 15 m) und Salix alba
(20—25 m), für uns von Bedeutung.
Betrachten wir die Weiden nach der Gestaltung ihrer
Blätter, so finden wir die mannigfachsten Formen, von
der schmalen linearischen bis zu der breiten herzförmigen.
Die verschiedene Gestaltung der Blätter wird schon durch
die Benennung der verschiedenen Weiden angedeutet, als
Salix bippophaefolia, prunifolia, populifolia u. a.
Ebenso verschieden ist die Färbung des Laubes. Wir
haben beiderseits silbergrau, seidenartig behaarte Blätter
der Salix alba und ihrer Formen bis zu den dunkelgrünen
lederartigen der Salix fragilis und pentandra. Die meisten
Weiden haben meist nur einseitig behaarte Blätter,
wodurch sie eine graugrüne Färbung erhalten und wir
daher das Weidenlaub zu den helleren Tinten in der Färbung
der Landschaft zählen.
Noch mannigfacher ist die Färbung der Zweige der
Weiden und dadurch sind sie auch im blattlosen Zustand
äufserst wertvoll für die Landschaft. Ich will nur einige
nennen, welche mit ihrer intensiven Holzfärbung besonders

hervortreten: Salix alba vitellina mit goldgelben, Salix
alba Britzensis mit roten, Salix fragilis mit grünen, Salix
amygdalina mit dunkelroten, Salix amygdalina ligustrina mit
schwarzbraunen, Salix daphnoides mit blaugrauen, be-
reiften. Salix jaspidea mit bläulichen, Salix nigricans
viburnoides mit im Winter schwarzen Zweigen.
Wie herrlich sich solche Weide in richtiger Zusammen-
stellung mit anderen Gehölzen ausnimmt, möchte ich Ihnen
an einem Beispiel zeigen.
Denken Sie sich auf einem Kopf eines Teichufers eine
Salix vitellina aurea angepflanzt und darunter eine Gruppe
Cornus alba oder sibirica. Im Vorfrühling bei beginnender
Saftzirkulation färben sich diese Gehölze intensiv goldgelb
und rot. Wird eine solche Gruppe von der Sonne be-
schienen und bildet eine Gruppe der schwarzgrünen Pinus
austriaca den Hintergrund, so gibt es wohl kaum ein herr-
licheres Bild, als dieses zu der Zeit. Gleich fliefsendem
Gold erscheinen die leicht hängenden Zweige der Salix,
welches auf den korallenroten Untergrund der Cornus
herabzutröpfeln scheint.
So sind durch die hier genannten Eigenschaften
die Weiden für uns recht brauchbare Gehölze in der
Landschaft.
Betrachten wir auch noch ihren materiellen Nutzen
für die Menschen, so will ich zuerst auf ihre Verwendung-
ais Brennholz hinweisen. In vielen waldarmen Gegenden
liefern sie allein das Brennholz und prägen einer solchen
Gegend durch ihre massenhafte Anpflanzung längs der
Wege als Kopfweiden förmlich den Charakter auf. Ich
will nur an den nordwestlichen Teil der Uckermark, an
einen Teil der Neumark und an den nördlichen Teil der
Provinz Posen erinnern. Alles Land ist in Ackerland ver-
wandelt. Die Gutsparke und Bauerngärten liegen wie
Oasen mit ihren Baumbeständen in den weiten Acker-
flächen. Die Feldwege sind mit Kopfweiden bepflanzt und
meilenweit sieht man nur diese Weidenalleen. Ehe ich,
vor Jahren in die Verhältnisse einer Gutswirtschaft ein-
geweiht war, machte ich einem Gutsbesitzer den Vorschlag,
er solle doch die scheufslichen Kopfweiden längs der Wege
ausroden und dafür Obstbäume anpflanzen lassen, die
brächten ihm noch eine Einnahme. Ja, meinte er, kann
ich die Obstbäume auch alle drei Jahre herunterschneiden
lassen, wie die Weiden? Ich gebrauche den Weiden-
busch als Brennholz für meine Deputanten notwendig,
denn der geringe Waldbestand, den ich besitze, reicht
dafür nicht aus. Deputanten sind — beiläufig gesagt
die verheirateten Gutsarbeiter, welche aufser barem Lohn
auch Naturalien als Lohn und somit auch Holz erhalten.
Weidenholz hat nur die Hälfte Brennkraft wie
Buchenholz.
Aber aufser diesem Wert als Brennholz haben die
Weiden für die Menschen durch die Verwendung ihrer
Äste und Zweige zu Flechtwerken einen aufserordentlich
grofsen Nutzen. Sehen Sie sich doch einmal im Haushalt
und in dem Geschäft um, was finden Sie nicht alles aus
Weiden hergestellt. Hier der gewöhnliche Holzkorb aus
grünen Weiden geflochten, dort ein zierliches Galanterie-
körbchen, ein wahres Kunstwerk der Korbflechterei aus
 
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