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Die Gartenkunst — 5.1903

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Vogeler, Otto: Die Weiden, ihr Nutzen in ästhetischer und materieller Beziehung
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46

DIE GARTENKUNST

V, 3

feinsten, geschälten weifsen Weiden, worin die liebe Haus-
frau alle möglichen und unmöglichen Sachen aufbewahrt.
Es ist nicht zuviel gesagt, dafs die Weiden den Menschen
von der Geburt bis zum Grabe begleiten. Kaum geboren,
wird das Baby in den aus Weiden geflochtenen Kinder-
wagen gebettet; zu Stühlen, Bänken, Tischen, zu allerlei
Körben und anderen Gegenständen verarbeitet, nützen sie
dem Menschen sein Leben lang, um auch dann noch nach
seinem Tode sein Grab als Trauerweide zu schmücken.
Wie aufserordenflich grofs der Bedarf an Weiden jahraus
und jahrein ist, können Sie schon daraus ermessen, wenn
Sie sich nur vergegenwärtigen, wieviel tausend und aber-
tausend Transportkörbe jeglicher Art jährlich gebraucht
werden. Wieviel Tausende solcher Transportkörbe werden
nicht nur jährlich allein zum Transport von Pflanzen und
Obst in den Gärtnereien und beim Obstbau gebraucht. Aber
nicht nur unser friedlicher Beruf bedarf eine nach
Tausenden zählende Anzahl solcher Körbe, nein, auch die
Heeresverwaltung gebraucht Weidenkörbe in aufserordent-
lich grofser Zahl. Wer wie ich an der Landstrasse von
Berlin nach Spandau wohnt, kann beobachten, wie fast
wöchentlich mehrere mit Weidenkörben von schmaler
zylindrischer Form hoch beladene Wagen von Berlin nach
Spandau fahren. Es sind dies Geschofskörbe, welche der
Fabrikant an die Munitionsfabrik zu liefern hat.
Bedenkt man nun noch, wieviel starke Weiden als
Band- oder Fafsreifen in den Böttchereibetrieben jährlich
verarbeitet werden, so kann man sich denken, welche
grofse Massen von Weiden gebraucht werden. In unserem
deutschen Vaterlande werden leider nicht so viel Weiden
geerntet, obgleich Land genug dafür vorhanden ist. Es
werden jährlich für mehrere Millionen Mark Weiden, be-
sonders für feinere Flechtarbeiten, importiert, zum gröfsten
Teil aus Frankreich und Belgien. Diese Summen könnten
wohl im Vaterlande bleiben und der Landwirtschaft zu
gute kommen, wenn sich die Gutsbesitzer entschliefsen
würden, Weidenanlagen herzustellen. Während meiner
jahrelangen Tätigkeit auf den Gütern in den verschiedensten
Gegenden ist mir in den letzten Jahren öfters von den
Gutsbesitzern die Frage vorgelegt: Was soll man eigentlich
anbauen'? Das Getreide bringt nichts ein, die Kartoffeln
haben keinen Wert und nun ist es mit den Zuckerrüben
auch zu Ende. — Der eine möchte Samenbau beginnen.
Ich rede ab. Der andere möchte Spargel im grofsen an-
legen. Ich rede ab oder empfehle dann auch sogleich eine
Konservenfabrik zu bauen, um den geernteten Spargel
gleich zu verarbeiten, denn bei der grofsen Entfernung
von jeder gröfseren Stadt würde frischer Spargel schwer
abzusetzen sein.
Das Nächstliegende, was ich stets empfehle anzu-
pflanzen, sind Obstbäume. Die Abneigung der Gutsbe-
sitzer dagegen, besonders derjenigen östlich der Elbe, ist
aber eine so starke, dafs selten einer dazu zu bewegen
ist. Alle möglichen Wenn und Aber werden einem ent-
gegengehalten und schliefslich bleibt meistens die
Ausrede übrig: Das Obst wird uns doch nur gestohlen
wie jetzt bei dem Wenigen, was wir haben. So empfehle
ich denn einem solchen notklagenden Besitzer, Weiden-

plantagen anzulegen. Boden dafür findet sich überall.
Dort liegt eine nasse Wiese, dort eine Brache oder eine
Kuppe auf einer Anhöhe, welche sich nicht beackern läfst.
Für alle Bodenarten, für alle Lagen haben wir passende,
ertragbringende Weidensorten.
Will man auf nassem Wiesenboden, welcher im Früh-
jahr wohl gar von Hochwasser überflutet ist, Weiden-
pflanzungen anlegen, so mufs man Wall-, auch Hangen-
kultur genannt, treiben. Zu dem Zweck teilt man das
Land in 2 m und 1 m breite Streifen abwechselnd ein.
Die 1 m breiten Streifen werden 1 m tief ausgehoben und
beiderseits der Boden auf die 2 m breiten Streifen verteilt,
wodurch Wälle entstehen, welche nicht vom Wasser über-
schwemmt werden können. Die geschnittenen Weiden
sind in der Zeit des Austreibens sehr empfindlich gegen
Überflutung und es ist schon so manche Weidenanlage
zu gründe gegangen, weil sie zu Beginn der Vegetation
unter Wasser stand. Dagegen vertragen sie während der
Vegetation und auch ungeschnittene Weidensträucher zu
Beginn derselben eine Überschwemmung. Jeder Boden
ist zu einer Weidenanlage 40—50 cm tief zu rigolen.
Jedes Weidenfeld mufs eine freie Lage haben und dürfen
die Weiden von keinem anderen Gehölz beschattet werden.
Die Vermehrung der Weiden geschieht bekanntlich durch
Steckholz. Je nach der Lage des Weidenfeldes mufs das-
selbe verschieden lang geschnitten werden. Für nassen
Wiesenboden schneide man das Steckholz nur 15 cm lang;
für Ackerboden 20 cm und für- trockenen Boden 25 cm
lang. Die Pflanzweite richtet sich darnach, ob man Band-
oder Flechtweiden erziehen will. Es gilt hier der Grund-
satz: Je enger man die Weiden pflanzt, desto wertvoller,
d. h. zäher, schlanker, gleichholziger und astreiner wachsen
die Ruten. Man mufs aber auch so pflanzen, dafs der
Boden von Unkraut rein erhalten und bequem bearbeitet
werden kann. Daher teilt man das Land, wenn man
Flechtweiden erziehen will, in Reihen von 50 cm Abstand
unter sich und steckt die Weidensetzlinge längs der Schnur
in 20 cm weitem Abstand unter sich. Darnach gebraucht
man 1000 Stück Weidensetzlinge pro ar. Für Bandweiden
zieht man die Reihen 80 cm weit und steckt die
Weiden 50 cm weit in der Reihe unter sich. Man ge-
braucht hier nur 250 Stück Setzlinge pro ar. Man achte
sowohl bei der Neuanlage, als auch beim Nachpflanzen
auf Sortenreinheit eines Feldes.
Die Dauer einer Weidenanlage währt 20—30 Jahre,
je nachdem man dem Boden genügend Dünger gibt. Die
Düngung hat bei Sandboden alle 3 Jahre, bei Wiesenboden
alle 6 Jahre zu erfolgen. Als Dünger kann man ver-
rotteten Stalldung, Jauche, aber auch bei Regenwetter
oder über den Schnee zu streuendes schwefelsaures Kali,
Chilisalpeter oder Superphosphate verwenden. Auf feuchtem
Boden bewirken überhaupt säurebindende Stoffe, wie Asche,
gebrannter Kalk, Gips u. a., ein aufserordenflich üppiges
Wachstum der Weiden.
Die Ernte beginnt im ersten Herbst nach der Anlage
gleich nach dem Laubfall und ist vor dem Frost zu be-
enden. Jedes Jahr sind alle Ruten, ob brauchbar oder
nicht, ob grün oder dürr, 1 cm über der letzten Schnitt-
 
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