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Die Gartenkunst — 5.1903

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Unterrichtswesen
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v, 11

DIE GARTENKUNST

199

lieh immer erfreuen werden. Bei der Ausführung seiner genialen
Schöpfungen hatte Lenne vor allem zwei Mängel empfunden,
das Fehlen genügend vorgebildeter Gärtner und des nötigen
Materials zur Bepflanzung grofser Neuanlagen. Dem einen
sollte die Gründung der Lehranstalt, dem andern die gleich-
zeitig angelegte Landesbaumschule abhelfen. Letztere hat, um
das gleich hier vorwegzunehmen, zuerst im Potsdamer Revier,
dann vom Jahre 1844 an in Alt-Geltow bestanden und ist im
Jahre 1894 aufgelöst worden, nachdem inzwischen eine grofse
Zahl allen Bedürfnissen genügender Privatbaumschulen ent-
standen war. Die Lehranstalt, deren erster Direktor Lenne
selbst wurde und über 40 Jahre blieb, hat im Laufe der Zeit
mancherlei Wandlungen ihres Domizils und ihrer Verfassung-
erfahren. Eine Abteilung bestand bis zum Jahre 1853 in
Schöneberg in Anlehnung an den königl. Botanischen Garten,
die andere blieb immer in engster Verbindung mit den königl.
Gärten in Potsdam. Wir knüpfen also nur an frühere Zustände
an, wenn wir jetzt wieder in engere Beziehungen zu dem uns
benachbarten neuen Botanischen Garten treten und von dieser
Verbindung grofse Vorteile erhoffen, die wir durch die tüchtige
Ausbildung auch botanischer Gärtner zu vergelten suchen
werden. Nach der Aufhebung der Schöneberger Abteilung
wurde für die Anstalt ein neues Statut im Jahre 1854 ent-
worfen, die Eleven waren damals in den verschiedenen Revieren
der königl. Gärten verteilt und wurden nur zu den Unterrichts-
stunden in der Anstalt vereint. Nachdem der Hofgartendirektor
Jühlke im Jahre 1866 an die Spitze der Anstalt getreten war,
wurde 1868 eine Neuordnung vorgenommen, und um die Kon-
zentration des Unterrichts zu erleichtern, ein Internat für die
Eleven in dem von 1869—1870 ausgebauten Anstaltsgebäude
in Wildpark eingerichtet. Wenngleich von dieser Zeit an die
Eleven nicht mehr in den königl. Gärten, sondern nur noch
in dem eigenen Anstaltsgarten beschäftigt wurden, so blieb
■doch das vom Anfang der Anstalt an bestehende nahe Ver-
hältnis zu der königl. Gartenintendantur und dem Hofmarschall-
amte erhalten und fand nicht nur in der Benutzung der königl.
Gärten zu Demonstrationen und Studien in der Landschafts-
gärtnerei und der Obst- und Gemüsetreiberei, sondern auch
durch einen baren Zuschufs zu den Anstaltskosten seinen Aus-
druck. Der Abschied von Wildpark würde uns noch viel
schwerer, ja unmöglich geworden sein, wenn er zugleich eine
Aufgabe dieser nahen Beziehungen bedeutet hätte; wir leben
aber im Gegenteil der Hoffnung, dafs wir auch von Dahlem
aus immer in engster Verbindung mit den klassischen Stätten
der Gartenkunst in den königl. Gärten bleiben können und dafs
uns die Gunst der Hofgartenverwaltung nicht entzogen wird.
Der Hofgartendirektor Jühlke blieb bis zum Jahre 1891 Direk-
tor der Anstalt, ihm folgten der Hofgartendirektor Vetter von
1891—1896 und der Hofgartendirektor Walter von 1896—1898,
an dessen Stelle dann der jetzige Hofgartendirektor Eintel-
mann trat. Die Anstalt ist in den fast 80 Jahren ihres Be-
stehens besucht worden von fast 1000 Eleven. Eine grofse
Anzahl derselben hat in amtlichen Stellungen oder in Privat-
unternehmungen hervorragendes geleistet und den guten Ruf
der Potsdamer Anstalt begründet. Die gegenwärtige Schüler-
zahl beträgt einige 60. Wenngleich bedingt durch die örtlichen
Verhältnisse und die Persönlichkeit des Gründers und ersten
Direktors der Anstalt der Schwerpunkt des Unterrichts natur-
gemäfs immer in der Gartenkunst gelegen hat, so sind doch
auch die anderen Zweige des Gartenbaues nie vernachlässigt
worden. Schon das erste Statut der Anstalt bezeichnet als ihre
Ziele neben der Heranbildung von Gartenkünstlern die Aus-
bildung von Gärtnern für den Obstbau und für Blumen- und
Pflanzenzucht. An diesen Zielen hat die Anstalt immer fest-

gehalten und das Streben nach möglichst vollständiger Er-
reichung derselben wurde ein Hauptmotiv der Verlegung nach
Dahlem. Denn in dem Mafse, wie man einsah, dafs auch die
gärtnerische Praxis einer wissenschaftlichen Vertiefung bedürfe
und fähig sei, mufste man das Unzulängliche der alten Ein-
richtungen in Wildpark umsomehr empfinden, als inzwischen
anderwärts eine Anzahl grölserer Gärtnerlehranstalten ent-
standen war, welche nach der wissenschaftlichen und prak-
tischen Seite hin viel besser ausgestattet waren. Vielleicht
würde man versucht haben, durch gröfsere Neubauten in Wild-
park selbst bessere Unterrichtsgelegenheiten zu schaffen, wenn
es gleichzeitig möglich gewesen wäre, dort auch die für den
Unterricht unentbehrlichen Gartenanlagen in genügender Aus-
dehnung und Güte zu schaffen. Dies war aber wegen der Be-
schränktheit des dort nur zur Disposition stehenden Terrains
und wegen seines hohen Grundwasserstandes unmöglich, und
so mufste man sich notgedrungen zur Auswanderung ent-
schliefsen. Die Wahl eines neuen Heims konnte nur auf Dahlem
fallen, weil hier neben den günstigen Bodenverhältnissen auch
die Nachbarschaft des Botanischen Gartens, der biologischen
Abteilung des kaiserl. Gesundheitsamtes und der Versuchs-
felder der Landw. Hochschule eine vielseitige Förderung der
Anstaltszwecke bot und die bequemen Verkehrseinrichtungen
die Weiterbenutzung der kgl. Gärten in Potsdam zu Demon-
strationszwecken und die gleiche Ausnutzung der grofsen
Gartenanlagen der Reichshauptstadt ermöglichten. Dank der
liberalen Geldbewilligungen seitens der Staatsbehörden, für
welche ich heute dem Finanzministerium meinen besonderen
Dank aussprechen möchte, konnte nun hier eine Anstalt ge-
schaffen werden, welche, wie Sie trotz ihres unfertigen Zu-
standes schon ersehen können, allen Anforderungen an den
höheren gärtnerischen Unterricht entsprechen dürfte. Während
wir in Wildpark auf zwei Lehrsäle und ein Sammlungszimmer
beschränkt waren, verfügen wir hier über einen besonderen
Lehrsaal für jeden Kursus, einen Lehrsaal für den chemischen
und physikalischen Unterricht, zwei Zeichensäle, einen Saal
für die pflanzenphysiologische Station und die nötigen Samm-
lungs- und Nebenräume. Die Gewächshäuser sind vermehrt
und vergröfsert, desgleichen die Einrichtungen für feinere
Spalierzucht, und die gesamten Gehölz-, Obstbaum- und Ge-
müsequartiere sind gegenüber der Wildparker Fläche mehr als
verdoppelt. Für die in unserer Zeit so wichtige Obstverwer-
tung ist ein eigenes Gebäude bestimmt, und ein besonderes
kleines Gebäude soll dem für den Gärtner unentbehrlichen
Studium der Bewurzelung der Gewächse dienen. Wenn wir
auch in Zukunft einen Teil der in Wildpark tätig gewesenen
Lehrkräfte entbehren müssen — ich darf in dieser Beziehung
nur den um die Anstalt so verdienten Realschuldirektor Schulz
hier’ hervorheben —, so ist uns doch der gröfste Teil der Lehr-
kräfte nach Dahlem gefolgt und zu ihnen werden sich in dem
neuen Institut noch eine gröfsere Anzahl neuer Lehrer gesellen,
welche es ermöglichen, den ganzen Unterricht umfassender
und spezialisierter zu gestalten. Die Reorganisation der An-
stalt, welche mit der Verlegung nach Dahlem verbunden ist,
bezweckt vor allem eine Gliederung des ganzen Unterrichts
nach den Zwecken, welche die verschiedenen Besucher der
Anstalt verfolgen wollen. Allen gemeinsam dient der erste
Jahreskursus, welcher die jedem Gärtner unentbehrliche Grund-
lage seines Faches, vornehmlich nach der naturwissenschaft-
lichen Seite, geben soll. Unter den Naturwissenschaften domi-
niert neben Chemie und Physik vor allem die Botanik, und in
ihr soll die Lehre von dem Leben der Pflanzen, die Pflanzen-
physiologie, in erster Linie berücksichtigt werden. Daneben
erstreckt sich der Unterricht auf Mathematik, Zeichnen und
 
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