Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Tagblatt — 1859 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Juli
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2788#0013

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidelberger Taglrlatt.

R 1SL

Erschrint, Montags ausgenomrnen, tag-
Uch. Preis mit Unterhaltungsblatt viertel-
jährlich 36 kr.

Dienstag, S. Zuli

Insertionsgebühren sür die ZspalLige Pe-
ritzeile oder deren Raurn werden mit Lkr.
berechner.

18SS

Telegramme

WikN, 1- Zuli. Tie bisher bekann-
ten Vcrlufie bei der Schlacht von Sol-
ferlno belaufen sich auf 1860 Todte und
8100 Verwundete. Noch ausstehendc Nach-
weisnngen folgcn.

Wien, 2. Zuli. Der Kaiscr soll
nach einem abqehaltenen Kriegsrathe ncue-
stens beschlossen habcn, wieder bci der
Armcc zu bleiben.

Paris, Freitag 1. Zuli. Aus Turin
von hcute. Bülletin: Das sardinische
Hecr hat Peschiera eingeschlossen.

Paris, Samstag 2. Zuli. Das Bül-
lctin über die Schlacht von Solferin.o
schätzt die österreichischcn Streit-
kräfte auf 270,000 Mann. (Nach der
östcrr. Militärzeitung betheiligten sich 7
Armeekorps am Kampfe, 2 nahmen nicht
daran Theil. Daffelbe konstatirt dic schreck-
lichen Ersolge der neuen Artillerie.

London, 2. Juli. Nach der „Post"
vcrwcigert Cobden die Annahme eines
Portefcuittes nnd verspricht Unterstützung
einer unabhängigen Rcgierung. Milner
Gibson ist zum Handelsminister ernannt.

Vom Kriegsschauplatz.

Wie .in dem Telegramme an dcr Spitze
des Blattes mitgetheilt wird, ist Pes-
chiera von dem sardinischen Hcere
eingeschlossen worden. Pcschiera liegt am
Gardasee und zählt 3000 Einwohner.
Ohne den Besitz dieser Festung läßt sich
kaum mit irgend einer Sicherheit zwischen
dem Mincio und der Etsch operiren, da
män Verona vor sich und Mantua in der
Flanke hat. Peschicra ist ein kleiner, aber
von den Oesterreichern in der letzten Zeit
sehr stark befestigter Ort. Er wurde in
dem Zahre 1848 von den Piemontesen
nach einer Belagerung von 26 Tagen ein-
genommen. Es war dies cin langer Widcr-
stand, aber Karl Albert hatte nicht die
großen Belägerungsgeschütze, welche die
Alliirten jctzt haben. Peschiera wird zu-
gleich durch eine bewaffncte Kriegsflotille
vertheidigt. Die Franzoscn beabsichtigen,
dcrselbcn ebenfalls Kanonenboote entgcgen-
zustellen, und es sollen bereits die einzel-
nen Theile derselben angclangt sein»

Es ist eine allgemcine Aussage unserer
Soldaten, daß die Franzosen auch in der
Schlacht am Mincio mit Uebermacht an

den entscheidendcn Punkten erschienen, daß
aber auch ihrcr ungleich mehr als dcr
Unseren gcsallen oder verwundet worden
seien. Anch die Verluste auf östcrr.
Sette sind nicht gering. Doch ist Vicles
darunter, was binnen Kurzem wieder zum
kawpffähigen Stande zählen wird. Die
Kanonen und Wagcn, die man am Tage
der Schlacht für verloren gchalten, wur-
dcn hcute mittelst Bauernpferde hierher
wieder zurückgebracht. Man fand sie
mitten im Felde in dem vom Platzregcn
etwas aufgeweichten Boden festsitzend.
Vcrona fährt fort, an die Möglichkeit
eines Belagerungskrieges zudenkcn. Durch
einc neuerliche Proclamation dcs Fcstungs-
Commandanten v. Urban ist das Spazi-
rengehen auf den Esplanadcn um die Fe-
stungSwerke verbotcn. Den Thoren darf
sich Niemand unter dreihundert Schritten
nähcrn. Bei Nacht wird Niemandem vom
Civil die Passage durch diesclben gestat-
tet. Wer außcrhalb dersclben zu schaffen
hat (Arbciter u. s. w.), müssen ihre bis-
herigcn Passirscheine gegen neue, vom
gcgenwärtigen Festungs - Commandanten
gezeichncte umtauschcn nnd durch eiue
schwarz-gelbe Binde um den Arm kennt-
lich sein. Wer den Wachen und Patrouiüen
nicht auf vie crste Aufforderung Folge lei-
stet, wird arretirt; wer sich ibnen wivcr-
sctzt, wird niedergemacht. Auch die nicht
unumgänglich an Ort und Stelle benö-
thigten Behörden haben neuerdings den
Auftrag zur Abreiscbercitschaft erhalten.

Hauptquartier Verona, 27Zuni
Der Held der Schlachtvon Solfe-
rino war F.-M.-L. Bcnedeck, dcr mit
seinem braven 8. Corps den äußcrsten
rechtcn Flügcl bildete und von Dcsenzano
gegen Lonato operirte, Stcllungen, die
wir cinige Tage vorhcr ohne Schwcrt-
streich geräumt hattcn. Er hattc die
Hälfte der picmontesischen Armce gegen-
über, und war so glücklich, sie zurückzu-
schlagen und ihr großen Vcrlust bcizu-
bringen, daruntcr einige Abtheilungen in
den Gardasee zu sprengen. Dabei ma-
növrirte er mit solcher Gcwandtheit und
Ockonomie, daß er am Schlusse der Schlacht
noch über eine Rcserve von 2 Brigaden
zu verfügen hatte, cin seltcner Faü in der
Gcschichte diescs Feldzvges. Das sonst
sehr brave Rcgiment „Dom Miguel Zn-
fanterie" begann unter dem furchtbaren

Kreuzfeucr des Feindes zu schwanken, da
sprengtc er, den Säbel in der eincn, den
Hut in der andern Hand schwcnkcnd, vor
die Fronte und rief: „nnr nach Zhr Un-
garn; kein Ungar läßt seinen General
und scinen Landsmann im Stich!" Dieß
zündete und die Truppe folgte begeistert
dcm tapferen General, der wie durch ein
Wunder unversehrt blieb. F.-M.-L. Be-
nedcck, eincr der glänzendsten Mamen aus
dcn ungarischen und italicnischcn Feld-
zügen in den Jahrcn 1848 und 1849, ist
heute die populärste Persönlichkeit in der
Armee; mit unerreichter persönlicher Bra-
vour verbindet er ein umfassendes, gründ-
liches Wiffen, einen wunderbaren Scharf-
blick und eine uncrmüdliche Sorgfalt für
die Bedürfnisse seiner Soldatcn. Alle
edlen Eigenschaftcn des Ungars sind in
ihm potenzirt und wenn er sich zuweilen
von dcm Ungcstum seines Charakters hin-
reißcn läßt, so verzeihen ihm dieß seine
Soldaten gcrn, denn sie wissen, baß er ein
ritterlichcs, edles Her^im Busen trägt.
Er stellt großc Anforderutlgen an seine
Truppen; aber er steigt nicht eher vom
Pferde, ehe ver letzte Mann seines Corps
im Lager angelangt ist und hält dabci
auf eiserne Disciplin.

Die augcnblickliche Lage des französischen
Herrschers ist nichts weniger als günstig.
Zunächst ist es der Geist der Bevölkerungen
in Toskana, Modena und Parma, welchcr
kcincswcgs den Absichten des Königs von
Sarbinicn zu Statten kommt und einer
Vereinigung dieser Staaten mit Piemont
stch kräftigst widersetzt: eine nichtsnutzige
Militärbewcgung, geschaffcn dürch sardi-
nisches Geld, ist Meister in Toskana ge-
worden und stoßt jctzt der öffentlichen Mei-
nung daselbst geradezu vor den Kopf, zu-
mal, da vcrworfene Subjekte in die besten
und einträglichsten Stellcn eingesetzt wer-
den und die Persönlichkeit des Prinzcn
Napoleön das vorläufige Regiment vol-
lends diskrcditirt. Das Gebahren der
italienischen Demokraten geht wcit über
die Plane Ludwig Napoleons hinaus und
übt auf die sehr gelocherte Mannszucht
der französischen Soldaten den gefährlich-
sten Einfluß, so daß, wenn es den Oester-
reichern gelingen sollte, den Französea
eincn Hauptschlag zu verseßcn, die weit-
gehendsten Folgen für das ftanzösische
Kaiserthum eintreten dürften.
 
Annotationen