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Heidelberger Tagblatt — 1859 (Juli bis Dezember)

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November
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M 272.

»8.«»


Ueber -ie Berficherung der Fahr-
niffe gegen Feuersgefahr

enthält der »M. A." eincn Artikel, wel-
chen wir auch unsern Lcsern nicht vor-
enthalten können und nur wünschen, daß
die darin ausgcsprochene Absicht überall
die gehörige Würdigung finden möge. Er
kautet wörtlich folgendermaßen:

Bei ciner Reihe von größcren Brand-
unglückcn, die in vcn letzten Zahren na-
mentlich in Landgemeinden stattgefundcn
haben, ergab sich jeweils der überraschende
und in seinen Folgen nach allen Seiten
nachtheilige Umstand, daß die Brandbe-
schädigten nicht nur mit wenigcn Aus-
nahmen ihre Fahrniffe unversichert gelaffen
hatten, sondern daß auch die Meisten die
Versicherung des von unserer Staatsan-
stalt nicht garantirten Fünstels des Ge-
bäudewertheS zu bewirken vcrsäumt hat-
tcn. Diese Nachlässigkeit brachte manchen
der Orte, oder Wenigstens einen großen
Theil seiner Einwohner in die Gesahr
vöüigen wirthschaftlichen Ruins und ries
die gesährliche Jndolenz des Elendes her-
vor, zu deren Beseitigung andererscits die
Fürsorge der Regierung und die Wohl-
thätigkeit der Landesbewohner im höchsten
Grade beansprucht werden mußten, wäh-
rend die Beschädigten durch Anschluß an
eine der vielen Feuerversicherungsgesell-
schaften gegcn äußerst geringe Geldopfer
sowohl den größten Theil der materiellen
Einbuße gedeckt habcn würden, als auch
dem beschämenden und erniedrigenden Ge-
fühle entgangen wärcn, den Wiedererwerb
ihrer häuslichen und gewerblichen Einrich-
tung dem milveü Sinnc und dem Almosen
ihrer Mitbürger verdanken zu müssen.

Diese traurige Wahrnehmung ergab sich
in eklatantcstcr Weise bei dem süngsten
Brandunglück in Neckarbischofsheim, wo
nach öffentlichen Berichtcn von einem
Schadcnsbctrage von etwa 160,000 st.
nur die Summe von 80,000 fl. vcrsichert
war, von welcher Summe außcrdem über
zwei Drittel der zwangsweisen Ver-
fichcrung der Gencralbrandkasse zufalleu.
Nach andern Mitthcilungcn sollen nur 6
oder 7 der Brandvcrunglückten ihre Fahr-
niffe vcrsichcrt habcn, während alle Ucbri-
gen dies in strästichcm Lcichtsinne unter-
ließen und einen Ersatz ihres Äerlustcs
höchstens auf dem Wege des Almosens
— di'esem dornenvollen Psade — erwarten

können. Angesichts solch' grober Nach-
lässtgkeit ist bei Vielen der Gedanke laut
geworden, ob nicht zur Warnung dcs in
dieser Beziehung meist sehr engherzigen
Landvolkcs, das in dumpfem Egvismus
sich so lange der Hoffnung hingibt, vor
der Macht der Elemente geschützt zu sein,
bis es jammernd am Grabe seiner Habe
steht, ob nicht zur heilsamcn Warnung
cndlich einmal die Privatwohlthätigkeit,
namentlich in der beliebten Form der all-
gemeinen Kollekten, sistirt werden solle,
um Aüen, die cine Feuersgefahr noch
nicht erduldet haben, aber ihr, wie ihre
vorsichtigeren Mltbürger, ausgesetzt sind,
bie Maßregel zum Gebot dcr Nothwendig-
keit zu machen, die allein im Stande ist,
die Folgen des zerstörenden Einflusscs der
Elemente dem Beschädigtcn in ehrenhgfter
Wcise möglichst unschädlich zu machen.
Die wahre Humanität fordert von uns,
zur Bcscitigung von Unglück und Elend
auch da zu wirken, wo dies Unglück durch
eigenes Verschulden in solchcm Maße und
in solcher Wucht trifft, daß ohne Hülfe
von Außen die Eristenz ganzer Familien
in Frage gcstellt und mit dcm schuldigen
Hausvater auch seine schuldloscn Ange-
gehörigcn in's Verdcrben gcstürzt wurden.
Auch wir glaubcn deßhalb, daß dcn Un-
glücklichen in Neckarbl'schofsheim geholfen
wcrden soll und muß, auch wir verstehen
uns zu dcr Opferbercitwilligkeit unserer
Mitbürger, daß sie in wcrkthätiger Liebe
gcgen jene Vcrunglückten wieder in erstcr
Rcihe glänzen werden. Dagegen halten
wir es aber für eine gleich heilige Pflicht
der Humanität, nach Mittel zu suchen, um
der Wiederholung solcher Fälle dcs Leicht-
sinns möglichst cnergisch vorznbcugen, in-
dcm wir den Strom dcr Wohlthätigkcit
lieber dcm so ausgedehnten Gebietc der
unverschuldeten Noth, dem unabweisbaren
Unglück zuführen möchten.

Sie habcn nun als Universalmittel ge-
gen Wiederholung solcher Fäüe die Ein-
führung der zwöngswcisen Versicherung
für Mobilien empfohlen, in glcicher Weise,
wie dicser Zwang für den Hüuserbesitz
durch unscre Landcsgesetzgcbung eingeführt
ist. Wenn nun auch nicht geläugnet wer-
den kann, daß durch eine zwangsweisc
gegenscitige Versicherung am wirksamsten
der den Einzelnen trcffcnden Verlnst von
diesem abgewendet werden kann, ohnc
wegen der großrn Zahl drr Mitversichcr-

ten die einzclncn Träger des Schadens
zu sehr zu bclastcn, so sprechen doch eine
Reihe von Gründen gegen cinen solchen
Zwang, die wir im Nachstehenden kurz
beleuchten wollen.

Der Nutzcn der Feuerversicherungsan-
stalten ist cin so großer und in die Augen
fallcnder, daß dieselbcn alles Schutzes und
der cifrigsten Fürsorge der Behördcn wür-
dig sind, und deßhalb sehen wir auch aller-
wärts die Regierungen im löblichsten Eifer
für Fördcrung diescr Jnstitute. Gerade
weil aber die crsprießlichcn Resultatc dir»
ser Affekuranzcn allgemein ancrkannt sind,
soütcn sich die Regierungen darauf be-
schränken, dicselben durch die Macht ihres
moralischen Einflusses, durch öffentliche
Empfehlung der soliden Jnstitute und durch
eigencn Beitritt zu heben, dagegen sich
von zwangsweiser Durchführung deßhalb
fcrn halten, weil sich unscre Staatcn im
Zustande steigendcr Civilisativn bcfinven,
und uützliche Jnstitnte im Lauf der Zcit
durch sich selbst zur Anerkcnnung gelangen.
Sie sollten den Zwang prinzipiell ver-
ineidkn, weil jeder Eigcnthümcr selbst die
Gefahr des Untergangs scines Vermögens
und deßhalb auch die Fvlgen zu tragen
hat, wenn cr eine ihm gebotcne Gelegen-
heit zur Abwcndung der Gefahr oder ihrer
Nachtheile unbenützt läßt. Dke Erfahrung
zeigt auch, daß diejcnlgen Länder, in denen
kcin Zwang bei Gründung dcr Versiche-
rungsanstalten gcübt wurde, namentlich
Frankrcich und England, eine koloffale
Thätigkcit im Versichcrungöwcsen entfaltcn
und ganz fabelhafte Smnmcn auf dem
Wege freiwilligen ZutrittS versichert wor-
den sind.

Freilich sind anderseits auch Anstalten
mit zwangswcisem Beitritte zur Blüthe
gelangt und dürfen wir die Leistungen
unscrer Generalbrandkaffe hicr gewiß in
crster Rcihe aufführen. Abcr gerade die
Gründe, welche ansnahmsweise zur Ein-
führung des Zwanges für Gcbäudevcr-
sicherung gewirkt habcn, sprechen entschie-
dcn gegen Statuirung dcs glcichen Zwangs
für dcn fahrcnden Befitz. Für ersteren
sprach dcr Umstand, daß bei größter
Sorgfalt des einzelnen Hausbesitzcrs er
nur dadurch nachhaltig gcgcn Verlust sei-
nes Hauses geschützt wcrden kann, daß
alle scinc Nachbarn mit ihm solidarisch
zum Schutz und zur Sorgfalt vcrpflichtet
flnd; es sprach dafür der direkte Nutzcn,
 
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