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Heidelberger Tagblatt — 1859 (Juli bis Dezember)

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September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2788#0281

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Die Gctverbegesetzgebung

im Großhcrzogthum Baden.

Die Gesetzgebung über oas Gewerbe-
wesen im Großherzogthum Baden, einem
Lande von 278 Quadratmeilen und einer
Bevölkerung (nach der neuesten Zählung
von 1858) von 1,335,952 Seelcn, be-
ruht im wesentlichen noch jeßt auf den
Grundlagen, welche ihr durch das „VI.
Constitutionsedict vom 4. Juni 1808 über
die Grundv ersassung der verschiedcnen
Stände," zu einer Zeit also geqcben wur-
den, wo das in der Napoleonischcn Pe-
riode aus ganz verschiedenartigen, meist
secularisirtcn und mediatisirten Gcbieten,
welche mit dcr alten Markgrafschsst Ba-
den vereinigt wurden, neugebilkete Groß-
herzogthum seine erste Organisation er-
hielt. Jn dcm § 23 dieses Gesctzcs wird
„die Zunftverfaffung und mit ihr dic Ein-
theilung der Gewerbe in zünftige und un-
zünftige zur Zeit ausdrücklich beibehal-
ten" und werden in diesem 'und dem
folgenden § 24 über die Verfaffung vcr
Zünfte nach außen und innen ausführliche
Bcstimmiingen gegeben. Sie haben noch
jetzt in ihren wesenrkichen Bestandtheilcn
ihre Gültigkeit bewahrt. Doch wnrden
fie auch im Laufe des seit ihrcr Erlaffung
verfloffencn halben Jahrhunderts theils
auf dem Wege der Gesctzgebung, thcils
durch Uebung, wie sie sich durch Ent-
scheidungen der Vcrwaltungsbchörden all-
mälig feststellte, um den Bediirfnissen einer
gestcigertenvolkswirthschaftlichen Entwickc-
lung zu genügen, mannigfach ergänzt, er-
weitert und in der Richtung einer frcien
Bewegung der Gewerbe auch verändert.

Das VI- Constitulionsedict versteht unter
Zunftvcrfassung „cine vom Regenten bestä-
tigtc gesellschaftliche Verbindung qewerbs-
kundiger Personen, welche die Bcstimmung
hat, unter Leitung von Vorstehern aus
ihrer Mitte für Vervollkvmmnung der Er-
lernung und Betreibung ihres Gewerbes
thätig zu scin." Hicrnach sind dic Zünfte
nichk mehr polikische Jnstitutionen, sondern
lcdiglich rine gewerbliche Einrichtung.
Die Angehörigkeit an eine Zunft gibt —
abgesehen von den Gewerbsbefugnissen —
keine Vorrechte vor andern Staatsbürgcrn.
Es stcht den Zünftcn kein Berathschla-
gungsrecht überStaatsangelegenheiten oder
überhaupt übcr andere äls Gcwerbsgegcn-
stände zu. Ueberall, ftlbst bei innern geseü»

schaftlichcn Ordnungen, find dieftlben der
Aufsicht der Polizei- (Admmistrativ-) Be-
hörden untergeordnet, durch welchc ein
Znnftbeschluß erst verbindende Kraft erhält,
und in deren Geschäftskreis, wie überhaupt
das gesammtc Zunft-, beziehungsweift Ge-
werbewesen , so auch die Entscheidung der
Streitigkeitcn, die sich aus dcn Gewcrbs-
bcrcchtigungeii zwischen den Znnftgliedern
und dcn übrigen Unterthancn, sowie zwi-
schen den erstcrrn unter sich ergcben, ge-
wiesen ist.

Jhrer inneren Verfassnng nach
find die einzelncn Zünfte (Handwerke),
d. h. die Suinme sämmtlicher zu demftlben
Gewerbe gehörigen Staatsbürgcr in be-
stimmre Z unstbezirkc, welche für sich
eigene, von dcn übrigen Bezirken unab-
HLngigc gescllschaftliche Verbindungen bil-
den, cingetheilt. Jnncrhalb eines solchcu,
wenn er in seinem Umfang bcschränkt ist,
können verwandke Gcwerbe in einen Z u n ft-
verein (kombinirte Zünfte) treten.

Die Vorstände dex Zunft stnd ein
rechtskundiger Obervorstchcr, gewöhnlich
der Polizeibeamtc dcs Bezirks und ein von
der Zuvft zu wählcnder, vvn der Be-
zirkspolizeibehördc zu bestätigender Unter-
vorsteher (Obermeister, Zunftmeistcr), und
zwar von den letzteren in der Regel nur
einer; wenn dagegcn die Handwerker(eines
bestimmten Gewerbes) aus einem ganzen
Bezirke (im Umfang von 10—30,000 See-
len), nicht blös etwa diejcnigen aus einer
Sratk, in einer Zunft vereinigt find, so
wird je einer aus der Stadt und vom
Lande aufgestcüt. Dcn Zunftmeistern steht
in Gewerbsaiigclegcnheiten eine Vermitt-
lungsqewalt übcr die Zunftglieder zu. —
Jede Zuuft wählt einen Zunftrechner (La-
denmeister), sowie je nach Hcrkommen auch
einen Zunftschreiber, immer auf ein Jahr.
Sie hält jedes Jahr, und wenn ihr Ver-
mögen nicht über 100 fl. beträgt, alle 2
bis 3 Jahre cine Zunftversammlung (Jahr-
tag), auf welcher Zunftangelegenheiten er-
ledigt, insbesondere die inzwischen neu
anfgcnommencn Meistcr, Gcftllen und Lehr-
linge eingeschrieben, die Bedicnsteten ge-
wählt, dic Zunftrechnungcn gestcllt werden.

Das Zunftvermögen besteht aus
Stiftungen und Geschenkcn, aus den in
der Zunftvrdnung bestimmten Taren für
Aufdingen, Ledigsprechcn, Meisterannahme,
Uebersiedelung in einen anderen Zunft-
brzirk, ferner aus den in den Zunfrartikcln

bestimmten jährlichen Beiträgen der Zunft-
glicder und aus den — wenigen — in
dic Zunftkaffe fließenden Strafgeldern.
Die Einkünfte werden zur Unterstützung
kranker und dürftiger Zunftglicder, auch
zur Anschaffung von kostspieligeren Ge-
werbsinstrumenten zu gemeinschafrlichem
Gebrauche verwendet. Dic Verwaltung
des Vermögens steht unter »brigkeitlicher
Aufsicht; ohne amtliche Bewilligung dür-
fen die Zünfte keine außcrordentliche Um-
lage machen, keine Schulden eontrahiren
u. dgl.

Die Z u n ftg lieder sind entwedcr Mei-
ster, welche auf eigene Rechnung mit Ge-
sellen und Lehrlingen, oder Genoffen, welche
zwar auf eigcne Hand aber ohnc Gesellcn
und Lchrlinge arbeitcn dürfcn, oder Ge-
sellen, die cin ordnungsmäßig erlerntes
Gewerbe nur auf fremden Namen und
Rechnung kreiben khnnen, vder endlich
Lehrlinge. (Forks. folgr.)

Deutfchland.

Mannheim, 16. Sept. Der früher
gemeldete Gutskauf in Ruppertsberg Sei-
tens Sr. Durchlaucht des Fürsten von
Oetlingcn-Wallerstein ist nicht zu Stande
gekommen.

Rruchsal, 17. Sept. Die Tagesortnung der
3. Qnartalfitzung des mittelrheinischen Schwurgcrichts
wurde dahin festgesctzt, daß zur Verhandlung kommen:

1) Montag den 26. Sept., Vormittags 8 Uhr,
die Anklagesachc gegen Samucl Gunz von Steinbach,
«egcn Mcinetds. 2) Dicnstag dcn 27. Sept., Vor-
mittagS 8 llhr, dic Anklagesache gcgen Eduard Beckcr
von Untcrgrombach, wegen eine« VerbrcchcnS gcgen
dte Sittlichkcit. Am nämlichen Tage, Nachmittag«
3 Uhr, die Anklagesache "gcgen Wathias Matt von
Wclschensteinach, wegcn eben solchcn Verbrechcns.
4) Mittwoch dcn 28. l. M.. VormittagS 8 Uhr, die
Anklagesache gegen Zoscph Nofaier von Badcn, wcgen
cben solchcn Verbrechens. 5) Donncrstag dcn 28.
l. M., Vormittags 8 Uhr, dic Anklagcsache gegcn
Johann Anselmcnt von Erflngcn. wegen fahrläsfiger,
durch »orsätzliche Kvrpcrverletzung verursachtcr Todtung.

Arrs'Btideo- Am 14. Sept., von
9 Uhr Vormittags bis Nachmittags halb
6 Uhr, wurde zu Durlach in ber Stadt-
kirche dir dortige evangelische Diözesan-
synode abgehalten. Die Anficht das volle
Minimum bcr Agende allmälig einzu-
führen, gewann 11 gegen 9 Slimmen,
welch' letzterc sich für Belaffung des ge-
genwärtigen Standes und cine Abän-
dcrung Ver neuen Agende aussprachen.
Sodann sprachcn fich ebenfalls 11 Stim-
men dafür aus, daß die Wahl der
 
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