Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Tagblatt — 1859 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
November
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2788#0505

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sr: 27«.

Erschemt, Montags auSgenommen, täg-
lich. Preis mitNuterhaltrmgsblatt viertel-
jährlich 36 kr.

Freitag, 2S. Rovember

O Zur Geschichte der badischen
Bersafjung

Jn jetzlgem Zeitpvnkte, bck der Zu-
sammenkunft des Landtages, wird es für
Vi'ele nicht unwichtig sein, cincn kurzen
AeberblickderUmstande zugewinnen, welche
die Entstehung unserer Verfassung beglei-
teten. Verfassungen warcn bckanntlich für
aüe deutschen Staaten schon im Jahre 1815
Ln der deutschen Bnndcsacte verhcißen,
vor dem Zahre 1818 abcr kamen, Sachsen-
Weimar ic. ausgenommen, nur sehr wenige
solcher zu Stande. Am 27. Aligust 1818
wurde sodann auch dic Verfassung Badens,
welche von dem höchstseligcn Großherzog
Karl verliehen worden war, veröffentlicht.

Vernehmen wir dl'e nähcren Umstände,
welche diesem hochwichtigen Ereignisse
vorangingen, wic fie nns ein über jeden
Zweifel der Wahrheit erhabencr Zeitgenosse,
(Narnhagcn, der damals als preußLscher
Geschäststräger bei dem bavischen Hose
beglaubigt war) als Diplomat und Schrift-
steller wohlbekannt, getreu erzählt hat:

Bapern suchte damals im Einverständ-
niffe mit Oestereich das Proiekt durchzu-
setzen, daß gewisse neuangefallene badische
Gebiesthcile, z. B. die Pfalz, der Mäin-
und Taubergrund, im Fglle, wie wahr-
scheinlich, dcr damals schwer krank dar-
niederliegende Großherzog Karl ohne
männliche Nachkommen stcrben würde, an
dasselbe (Bapern) kymmc, oder, wie man
beschönigend sagte, zurückfallcn sollten. Zn
eben dicser Weise hätte dann Oesterreich
den Brcisgau wieder erhalten. Die un-
ausgeseßten entschiedenen Bemühungen der
an ihrem Landcsfürsten mit trener Er-
gcbenheit hängenden damaligen Staats-
männcr Badens zum Theile mit Namen
von gutem Klange, v. Berstett, Marschall,
Reizcnstcin u. A. (wozu auch Varnhagen
und der ebcn erst in badische Staatsdienste
getretene prcußische General und Diplo-
mat Tettenborn redlich das Zhrige bci-
trugen) gelang es, unter günstiger Stim-
mung cines Theils der höhcrn Diplomatie,
besonders in Preußcn und Rußland (dcs-
sen damaligcr Kaiser Alerandcr mit dem
badischcn Fürstenhausc verschwägcrt war),
dte drohende Gefahr ciner Zerstückelung
unseres noch nicht lange geschaffenen Groß-
herzogthums abzuwenden.

Zu glcichcr Zeit war in Bapern der
srüher allmächtige Minister Montgelas,

dcr diesen Staat unter französischem Ein-
fluß zu seincr nunmehrigen Größe und
Bcdeutung crhoben hatte, Plötzlich ent-
laffen. Dieses Ercigniß hatte hauptsäch-
lich der damalige Kronprinz (spätere König
Ludwig) bewi'rkt, und es hicß, Bapern
werd.e nun einer wahrhast deutschen Rich-
tung folgen, und cnif der konstitutionellen
Bahn ein großes Bcispiel geben. Zn
Baden aber sah man in dieser Weise einen
Sieg Baperns in der öffentlichen Mei-
nung voraus, nnd dem Großherzog wurde
daher von Reizenstcin und Marschall un-
ter dcr Hand vorgestellt, wic nöthig es
sei, womöglich noch vor Bapern ständischc
Einrichtungen zu trcffen. Auch Tetten-
born sprach lebhaft sür Versassnng. Doch
sti'eßen diesc Bemühungen anfänqlich nvch
auf Schwierigkeiten, weil gar manche Per-
sonen ihren Vorthcil allzusehr mit dcr bis-
herigen Lage der DLngc verknüpft sahcn.
Das Zahr 1818 war überhaupt für das
südliche und westliche Dcutschland eine un-
ruhige Zeit, in den Gemuthern und Gcistern
wallte und gährte es hcftig, Hoffnungen
und Bcsorgnisse stießen hart wider einan
der, die mannigfachen Fragen begehrtcn
ungestüme Antwort; aller Orten fühlte
man, daß etwaS geschehen, daß etwas
gethan werden müffe. Verfassung war
das allgemeine Losungswott, daS Volk
wollte sein Recht, aber auch die Mediati
sirten und die Adeligen verlangten ihre
durch die Bundesakte zngesicherten Vor-
rechte. Aus natürlichcm, nur zu billigen-
gcndem Gefühle suchten in diescr zweifcls-
vollen Lage die Fürsten ihre nächste Stütze
im eigeNcn Land und Volke; waren diese
zufrikden gestellt, schien auch der minder
mächtige Fürst cinem sonst übermachtigen
nicht wcichen zu dürfcn. Verfassung, oder
wie man häufiger sagtc: Konstitution wurde
daher auch bei den Hohen als die große
AngelegeNheit dcs Tages bcsprochen und
in Bayern, Württemberg, Baden, Heffen-
Darmstadt war man glci'chzeitig in dieser
Richtung mit Vorarbeiten beschäftigt, die
sogar mit einer Art von Wettcifer be-
tkieben wurden. Uebrigens fielen auch
di'e Widersachcr dcs Vcrfassungslebens nicht
allzu leicht i'nS Gcwicht: cs wiesen diese
hauptsächli'ch auf das Beispicl der beiden
deutschen Eroßmächte hin,- von dencn Preu-
ßcn sich bckanntlich damals mit einer bloßen
Provinzialvcrfassung begnügte, Oesterreich
abcr in dieser Richtung, wic aus Mettcr-


1838.

nichs unumwundenen Aeußerungen hervor-
ging, gar keinen Eifcr bewies.

Wie ein Blitz aus hei'tercr Luft schlug
plötzlich in diese dumpfc Schwüle mit
donnerndcm Nachhall ein leuchtendes Wort
aus Norden. Der Kaiscr Aleranver hatte
den unter seinerpolnischen Königskrone vcr-
einigtcn Polen cine Konstitution verspro-
chen, das war bekannt, auch wußte män,
daß cr im Allgemeincn dcn fteisinnigen
Einrichtungen günstig und siin gegebeneS
Wort ihm heilig war. Ein Reichstag war
in Warschau zusammengerufen worden,
der Kaiser zu dcffen Eröffnung dort ein-
getroffcn. Dic Rcde, mit welcher Alerander
den Reichstag crössnete, war für die ent-
zückten Polen, für die erstaunten Rüffcn,
für die harrenden Deutschen, für die ganze
damaligc politische Welt, die mächtichste
Ueberraschung, die weckendsteErschütterung.
Auch anf dke badischen Verhältniffe wirkte
diese Rede, (die wir wegen Mangel an
Raum hier leider nicht mitthei'lcn können)
gewaltig. Die Verfassungsfrage war so-
gleich entschieden!

Man zögerte nun um so weniger mehr
mit deren Ausarbeitung und Veröffent-
lichung, als man in Bapern zu dcmsclben
Zweck mit Eifer ans Werk ging und lctz-
tcrcr Staat zugleich unverholener als je
mit sei'nen vcrmeintlichcn Ansprüchen auf
die bcsagten badischen Gcbi'etsthei'le her-
vortrat. Die Gefahr schicn damals so
dringend, daß man im Vereine mi't dcm,
die Abfichten Baperns mißbilligenden Würt-
temberg, bcrcits Truppenaufsteüungen vor-
bereitete, um diefen energisch begcgnen z«
können.

Dieses entschiedcne Verhalten cines weit
kleincrcn und schwächcren Staatcs machte
auch Eindruck auf den größern. Die mr't
allgemeincmFrohlocken aufgenommcne Ver-
faffung waraber für Fürst undVolkunddes-
sen vorhcr ctwa noch losi zusammenhaltende
Bestandtheike ein fester, bindender Kitt für
alle Zciten. Zugleich wurde ein Haus-
gesctz erlaffen, wodurch, da das Hinschei-
den des immer kränker werdendcn Groß-
herzogs Karl tagtäglich zu crwartcn war,
und dessen Oheim und Nachfolgcr Mark-
graf Ludwig unverheirathct und schon
,n reifcrem Alter war, die Söhne des
unvcrgeßlichcn KarlFriedrichs zweiter
Ehe, dic Markgrafen von Hochberg, für
successionsfühig crklärt würden. Da dcr
in Aachen damals zusammentrctende Eon-
 
Annotationen