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Heidelberger Tagblatt — 1859 (Juli bis Dezember)

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Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2788#0065

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Mittwoch, 2«. Jult

Telegramure

Bern, 16. Juli, 11 Uhr 5 M. Vorm.
Mailand, 15. Juli. Victor Ema-
nuel erläßt Proklamationen an die
Lombarden,, dcn Regierungsantritt anzei-
gend. Darauf revolutionäre De-
monstrationenAufläufe, Aufrufe, das
Schicksal Venedigs beklagend, französtsche
Trnppen sollen sich anschließen, Republik
verlangen. — Der Nationalrath be-
fchloß gcstern Trennung Tessins vvm
Bisthum Como mit 76 gegen 16 Stimmen.

Turin, 17. Juli. Ratazzi, der
Präsident der zweitcn Kammer (in dem
Ministerium vom 31. Mai 1855 Minister
des Jnnern, aus dem Ministerium im Jan.
1858 ausgctrcten) ist mit Bildung eines
Ministeriums beauftragt.

Paris, Montag 18. Juli. Dic Times
vom 18. zeigt an, daß Abgeordncte von
Oesterreich, Frankreich und Sardinien dcm-
nächst in Zürich zum Abschluß des Frie-
densvertrags zusammcntreten wcrden. Ein
Kongreß wird nicht stattfinden,
da betde Kaifer sich entschieden haben, die
Schwierigkeiten ohne Vermittlung der
ncutralen Mächte beizulegen.

^ Rückblicke

Welches sind aber zunächst die offen-
kundigen Ergebniffe des Friedens?

Betrachten wir Frankreich und Oestcr-
reich, so finden wir das leßtere um
das Einkommen einer reichen Provinz
geschwächt, welche freilich auch wieder die
Ausgabe für eine große Anzahl Bayonnette
erforderte, um die aufständischen Gelüste
nieder zu halten. Ersteres abcr hat
außer eincm fast maßlosen Verluste an
Menschen und Geld schcinbar Nichts da-
von getragen.

Groß aber ist doch der Gewtnn, den
«berraschten Völkern Euröpa's einen ncucn
Deitrag zu dem Saße gegcben zu haben,
daß das gallische Schwert unbesiegbar sck.

Bedeutungsvoll ist dic wahrschkinliche
Erwerbung eines Bundesgcnossen, wic
Oesterreich, in derselben Weise wie Ruß-
land nach dem Krimkricge gewonnen würde;
denn an dieser Erwerbung ist nach° der
Sprache der Pariser Presse kaum zu zweifcln.

Beide Gewknne aber sind eben nur
dann von Bedeutung, wcnn der

Friedc ein faulcr ist, d. h. wenn ste
als Paroli auf der Kartc eines ncuen
Krieges gcbogen werden können.

Die übrigen europäischen Mächte können
nur init ciner Ueberraschung auf den ge-
schloffcnen Fricdcn blicken, die von den
Empfinbungen der Unznfriedenheit
über die Beleidigung dcr erfahrcncn Zurück-
wcisung und des Mißtrauens gegen beide
Kontrahenten erfüllt ist. Diescs Miß-
trauen wird sich in England mehr gegen
Frankreich, inPreußen — und ge-
wiß auchin Rußland mehr gegcn O cster-
rcich kchren; beideEmpfindungen aber sind,
selbst wenn die Wunde durch das Pflaster
eines nachträglichen europäischenKon-
gresses oberflüchlich geheilt werden soüte,
doch gewiß keine Bürgschaft für die Dauer
dieses Friedcns.

Noch weniger abcr können wir cine
solche in den Verhältniffcn Jtalirns
erblicken.

Der„SchMcrzensschrei" diescrVöl-
kcr ist zwar vorerst beruhigt; cin Thcil
der oberitalischcn Gefilde ist der Herrschaft
der Oesterreicher entwunden, der andere
genöthigt, in den italischcn Staatenbund
einzutreten.

Aber diese Beruhigung will uns dem
Verfahrcn gleichcn, wenn man schreicnden
Kindern Wind gegcn den Mund bläs(.
Sobald man, um der Erstickung vorzu-
beugen, damit aufhört, wird der Schrei
nur um so stärker hcrvorbrechen.

Deün wenn auch Sardinien cin
schönes Stück Landes gewonnen hat —
wie überhaupt das Haus Savoyen Ca-
rignan aus jedem europäischen Kampfe
mit kinem gcwonncnen Fetzen hcrvorge-
gangen ist, so ist gerade diese ketz te Er-
werbung gar nicht dazu angethan, eine
Entschädigung für die unendlichen Opfer
des Krieges zu werden, ja wir möchten
sie geradezu als ein Danaergeschenk be-
zeichnen.

Einem unvcrsöhnlichen Gegner Grenz-
nachbar an einer Stelle, wo dieser in sei-
nem Festungsviereck bei jeder Gelegenheit
eine Äussallpfortc hat, durch die seine
ganzc Erwerbung Ln drei Tagen genommcn
wcrden kann, muß der König von Sar-
dinien eine Heeresmacht aufstrllen, welche
eine Erholung von den Wundcn des Kricges
scinen Staaten fast zur Unmögkichkcit macht.

Dazu kömmt die Gcsinnung des neu-
gewonnenen Landes ihm mit nichis weniger

cntgegen, als mit dcn Empfindungen der
Licbe.

RepublikanischeGesinnung, die
nach dcr richtigen Vorausstcht der eng-
lischcn Staatsmänner durch den Krieg
mächtig genährt wurde, wie die letzten
Scenen zu Mailand zeigen, wird sich mit
dcr östcrreichischen Gesinnung, die
von Dankbarkeit. odcr Furcht erzeugt, von
Tag zu Tag mehren wird, in einen Bund
vereinkgen, der nm so gefährlicher wcrden
dürftc, je schltmmer dke Zustände
des übrigen Ztaliens sind.

Diese abcr bedünken uns in eincr Art
georbnet, daß es ciner äußerst scharfcn
Kombination bcdürste, sie noch schlimmer
und unzuverlässtger zu machen.

Hat bei uno die Bundesverfaffung in
deü Tagen dcr Verlegenheit und Gefahr
sich durchaus unzulänglich gczeigt, ja die
trübste Ausstcht für die Zukunft eröffnet;
wie svll es erst bei einer so schnell erreg-
baren, stets nach dem Dolche, statt nach
dcr Fedcr greisendcn Nation werden,'
einer Natkon, in welcher die Sand bald
so zahlreich zu wcrdcn drohen, als dcr
Sand am Meere!

Und übcr diese nach Einigkeit ruftndc»
und doch in tausend Stätchen oder Mu-
nicipalitäten sich zerklüftenden, ein Bundes-
oberhaupt, deffen Unfähigkeit im eigenen
Lande zu regieren zum Sprichwort sogar
in der Türkei gewordcn ist; — ein Än-
tonelli als Münchbelll'nghausen in einem
Frankfurt am Ar»ö, oder an der Tibcr!
Wer bei dieser Betrachtung den Frieden
nicht als einen saulen ansieht; dem dürf-
ten zchn Gräfe oder Cheli'ns nicht mchr
helfen!

D t s ch l a n

Karlsruhe. 18. Zuli. Se. Königl.
Hoheit der Großherzog haben unterm
7. d. M. gnädigst geruht, den Amtschi-
rurgen vr. Ferdinand Rees zu Breisach
zum Amtsgerichts-Arzt m Borberg, und
dcn Registrator bei dem Hofgcrichte des
Obcrrheinkreises, Philipp Faber, zum
Erpcditor bei diesem Gerichtshof zu er-
ncnnen.

Pforzheim, 17. Zulk. Am 25. d. M.
werden aufder Eisenbahnstrecke Dur-
lach-Wilferdingen dic Probesahrten be-
ginnen, und die Bahn sclbst wird am
1. Aug. dem Verkchr übergeben werdcn.
 
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