Heidelberger Tagblatt (1859 (Juli bis Dezember))

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Telegramme

Frankfurt, 16. Iuli. Der östcr-
reichische Gesaudte theilte in dcr Bundcs-
tagsfltzunq dic Friedcnspräliminarlen mit,
den Antrag einbringend, die Bundeskon-
tingente und Fcstungsbcsatzungcn auf den
Friedensstand zu bringen.

Wien, 15. Zuli. Die Lloydfahr-
ten nach Venedig beginncn morgen wie-
der.

Wien, 16. Juli. Heute ist ein kai-
serliches Manifest an die Vvlkcr
Oestcrrcichs veröffentlicht worden. Nach-
dem darin dse llrsache des Krieges nnd
seine bishcrigsn geringen Erfolge hcrvor-
gehoben, heißt es, kaß die Fortsetzung
des Kampfes in seinen Erfvlgen zwcifel-
haft gewesen wäre, nachdem die gegrün-
detcn Hoffnungcn des Kaisers auf die
Theilnahme anderer Großmächte so bitter
enttäuscht worden. Ungeachtet der war-
men und dan.kbaranzuerkennenden
Theilnahme, welche unsere gerechte
Sache im größten Theile von
Dentschkand sowohl bei Regie-
rungen als bei den Völkern ge-
sunden, haben sich unserc ältesten
ündnatürlichstenBundesgenossen
hartnääig der großen Erkennt-
niß der Tagesfrage verschlossen.
Schließlich fordert der Kaiscr seine Völkcr
auf, durch vcrtrauensvolles Entgegenkom-
men das Friedenswerk fördern zu helfen,
und stellt zeitgemäße Verbesserung
in der Geseßgebung und derVcr-
waltung in Aussicht.

Dern, 16. Juli. Jn Mailand fandcn
revolutionäre Dcmonstrationen statt. Fran-
zöflsche Truppen verbiliden. sich mit dem
Volk und rufeü: „Es lebe die Republik!"

London, 16. Juli. Russel beant-
w.orfet eine Anfrage Fitzgerald's dahin,
er und Palmerston wilnschtelii dis voll-
stän^ig?. Fpeiheit Ztgltens. Er wosiefkeine,
vorkilige Aeußerung darüber thun, ob
Eugland an dem Cougriß Thcil nehme
oder nicht. Wiirde EnglanL zn Rath ge-
zogen, so würde es seinen Einfluß an-
W^nden, um den Frieceii zu ciiicin dau-
erndetz zn gcstalten. Aber Englanv sei

heit Europa's, der Ehre r
Landes im Einklang stche.

uyd Wiinde dcs

London, 16. Juli. Die „Times"
theilen mit, ker Kaiser Napoleon uud
die Kaiscrin Eugcnie würden nächstcns
dcm K a i s cr vo n Oesterr e ich in Wien
einen Besuch abstatten. — Die Times"
beurtheilcn den Vertrag vvn Villa-
frauca als cine Vernichtung der ita-
liknischcn constitiitioncllen Partei und als
ein Ukbergewicht Oesterreichs in dcm zu
schaffenden itolicnischen Bunde.

/e Rückbticke

Fragcn wir zunäcbst nach der Art wic
der'Friede geschlossen wurdc, so
möchtcn wir auch sagen „en cvnspirateur"
— wie eine Verschwörung; — cin Wort,
was die Umgebiing Napoleons auf scine
Kricgsführung anwandte. Die Diplomatie
Euröpa's hatte sich abgcmüdet im Schweiße
ihres Angesichts und glaubte sich am Ziele,
den Kn'eg zu verhüten, da störte die
Kriegserklärung Ocsterreichs die archime-
dischcn Zirkcl nud es rolltcn die blutigen
Würfel des Krieges und noch nach dcm
Verluste der Lombardei crklärte Kaij/r
Franz Joseph auf die schüchterncn Ver-
suche dcr Diplomatie für dcn Frieden zu
sprechen, daß er jeden, sv dieses thue, als
Feind Ocsterreichs ansche.

Da erfolgte die Schlacht bei Solferino,
mi't ungcfähr gleichcn Verlusten auf beidcn
Seiten und dcm Verluste von kaum eincr
halhen Mcile Landcs; Oesterreich befand
stch eben in dcm vielgcrühmtcn Fcstungs-
vierecke, in Vcrbinduug mit den erwarte-
ten neuen Verstärkungeu. Da nahm der
Kaiser von Oesterreich plötzlich cincn ihm an-
gebotenen Waffcnstillstand an und untcr-
zcichnete drei Tage darauf den Fricven.
Napoleon hatte bei'm Beginn des Kricgcs
das adriatischc Meer alö die Grcnze sci-
nes „Befrciungswerkes" bkzcichnet; er
war überall sicgreich gewesen; seinc Flotte
lag mit LandunZstruppen bci Vcnedig,
die Braudrakcte für eine Empörurzg der
Ungarn war angefcrtigt, Pcschiera k.onnte
drei, Verona nach Wcgnahme dcs Platcaii
von Rivoli vier Wochen Zcit uuh euicn
Vcrlust von 20--W,'600 Menschcn er-
fordcrn — so saglcn wcnigstens die fraii^
zösischen Kri'cgskmidigen — und danu war.
das vorgcstcckte Zicl crrcicht. Napolcon
aber untcchaiideltc eincu Waffciistillstand
ugd crhicht einen Friedcn, wclcher Sesicr-

reich nur cbeu so viel beließ, als cs ge»
rade noch bcsaß.

Dieses Alles aber geschah, während
England, Rußland und Preußen übcr neue
Fricdknsvermittlung sich zu einigen im
Begriffe warcn, während letztcres seine
Truppen gegen den Rhein marschiren ließ,
um dieser Friedensvermittlung Nachdruck
zu geben. Wir gcben zu, daß die Be-
sorgm'ß vor cincm Aufstandsversuche in
Ungarn, daß der Aerger bis zum Ende
allekn zu stchen in dicsem Kriegc, dem man
fo ganz andcrn Ausgang gchofft hatte,
daß der Kummer übcr cine so große Zahk
Todter, Verwuudktcr, Hülfloser, ja b»ch-
stäblich Vcrschmachtetcr und Verschmach-
tendcr eincn großcn Einfluß auf Franz
Joscph geübt, wir geben zu, daß die Bc-
svrgniß, das lüngst beargwohntc, prote-
stantiscke Prcußcn möge zum Schlusse der
Aktion auch im paritätischcn und katholischen
Dcutschland die Rolle dcr Vormacht ge-
winncn, jcne mächtige Umgcbung dcs Kai-
sers gerade jetzt zum Frikdensabschluß
drängte.

Wir geben zu, daß dem Kaiser der
Franzoscn dic mchr und mchr verwickcltcn
Vcrhältnisse dcs jetzt noch wie ein schaal-
loscs Ei zu bchandclnden Kirchenstaates,
das Vorgchen scincs Volkes in Toskana,
seines Vcrbündcten in dcy klcincn Herzog-
thümcrn mehr und mehr unbequem w»r-
dcn; wir geben zu, daß er in richtiger
Ahnung das „Hcute mir, morgen
d i r" der Rcvolution nur ungern ein ncues
Gebiet öffnete, wir gebcn zu, daß cr
Prcußcns Haltung als eme zum Nach-
gcben, odcr zu cinem europäischcn Kriege
führcnde rrkannte. Allcs dicscs abcr hatte
die bei'derscitige Staatskunst im Voraus
erwägcn müssen, ui,d gcwiß auch crkannt;
Ucberraschnngcn sind keine vorgckommcn.
Alles diefes also ist unzureichcnd, cinen
so abnvrinen Friedcnsschlu ß zu
crklärcn. Wir könncn dicses nur, wenn.
wir geheime Artikel desselbcn anneh-
mcn, welche Oestcrrcich irgendwo und
irgendwie cme Entschädignng für
das Prcisgeqcbcile bietcn. Gcrade die
Ausführung dieser Enschädiguug
qbcp, inag sie im Dchn.augebiet oder
qn dcr Oder fcin, kaii», jä wird der
Zundcr eincs neucn sirjegcs wcrdrn. Alsq
d/e Ärt, wie der Friede zn Standc ge-j
kvuimcn gibt kci'ne Bürgschafr scmer Dauer;
cs isi ein fquler Friedcn.