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Heidelberger Tagblatt — 1859 (Juli bis Dezember)

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August
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https://doi.org/10.11588/diglit.2788#0169

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Freitag, LS. August


18SN


Telegramme

Paris 17. Aug. „Der Moniteur"
vcrkündigt cine ausgedchnte ünd
vollständige Amne stid für alle die-
jenigen Jndividuen, die 'in Folge poli-
tischer Verbrechen oder Vergchcn ver-
urtheilt wurden over Gegettstand der all-
gemeinen SichcrheitsMaßregel waren.

Neapel, 14. Äüg. Da die Schwei -
zerregimenter dic neuen Bcdingnngen
ablchnen und förtfahren, das Beispicl
der Jttsubordination zu gcben, so cnt-
ließ dic Regicrung dieselben sämmtlich.

Die bayerische Abgeordnetenkam-

mer über die Bundesreform.

München, 12. Aug. Heute versam-
melte sich dic Kammer der Abgeordncten
zu cincr dcr wichtigsten Sitzungen, denn
vas 'gebiidrte Dcutschland lauscht dbn Wor-
ten des Hauses, wie ein Redner bemerkte,
um zu horen, was die bäyerische Kammer,
dicja auchzurnationalenErhebungDeutsch-
länds die Initiatrve gegeben, nun in der
angeregten Frage der Bundesreform für
ein Vötum abgeben werdc.^ Abgeord-
neter vr. Paur motivirte zunächst als
Rcferent in dicser Sache den Antrag des
Ausschuffes, dcr auf Erläffung einer Bitte
an die k. Regierung gerichtct war, es
möge dieseibe die Reform des Bundes
durch Schaffung einer kräftigen Central-
gewalt und einer Volksvertretunq am
Bundc anstreben. Referent ersuch'te dic
Versammlung ausdrücklich, sie Möge Aües
aus der Diskussion fcrne halten, was zur
Erbitterung, Zwietracht, Recrimiuation
von der eincn oder andern Seite Änlaß
gebrn könnte. — vr. Weis schickte seiner
Rede den Satz voran: Jeder, der in der
vorliegenden Frage „Nein" sage, müsse
dieses Votum auch mofiviren. Die erste
Pfiicht des Abgcordnetcn sei untcr allcn
Ümständen, sowohl nach obcn , als nach
untcn die volle Wahrheü auszusprechen
und nicht Hoffnungen zu erregen, von
denen man überzeugt sci, daß sie nicht
erfüllt werden können. GegcNwärtig sei
jtde Reform der Bundcsvcrfaffüng uner-
» reichbar, die den Grundchärakter des deüt-
fchen Bundes alterire nnk an dic Stellc
des gegenwärtigen Staätenbundes eine
Unterördnung auch dcr deutichcn Groß-
mächte unter cine Centralgcwalt verlangc.

Eine Volksvcrtrctung sei aber nur bei
einrr wirklichcn Centralgewalt denkbar,
also bci unserer Staatenverfassung un-
möglich. Sci die Schaffung einer solchen
Centralgewalt unerreichbar, so sei auch
das Verlangen nach einer Volksvertretung
unnütz. Man soll daher der Regierung
keinen solchen Antrag zumuthcn; ja Red-
ner glaubt, dic Regierimg sclbst tadcln zu
Müssen , wcnn sie bei den Kabineten von
Wien und Berlin solche Anträge stclle.
Die Bundesverfaffung sei übrigens noch
mäncher Verbesserungen fähig. Redner
spricht sich schließlich sowohl gegen dcn
Antrag des Abgeordnetcn Völk und Kon-
svrtcn, sowie gegen jenen des Ausschusses
aus und bcantragt, zur Tagesordnung
überzugehen, weil die Kammer der jetzigen
Regicrung wohl vertraucn dürfe, daß sie
dcn rechten Augenblick bcnüßen werde,
wenn dieser für nützliche Reformcn ge-
ktzmmen. — Abg. Itr. Völk beklagt die
ungeheure Trostlosigkeit, die aus der Mo-
tivirung des Ausschuffes spreche. Man
erkenne an, daß das Volk einc starke
Centralgewalt wünsche, halte abcr die
Durchführung für unmögli'chl Das deutsche
Volk sei indeß noch nicht so bettelarm und
bankerott, als man zu glauben fcheint.
Der Zwiespalt zwischen den zwei deutschen
Großmächtcn werde nicht cwig daucrn,
ja neuerrn Nachrichten zufolge könne man
sogar eine baldige Einigung hoffen und
dann habe die Kammer mit 'dem Antrag
gcwiß nichts Unmögliches verlangt. Ein
Volk, wie das deütsche, sei nicht zum
Untergang bestl'MMt; es soll scine Höff-
nung auf eine bessere Zukunft m'cht auf-
gcben. Dicse aber vcrlayge Selbstver-
läugnung sowohl Seitens der Regierungen,
als'Seitens der einzelnen Stämme. Red-
ner fragt noch: „Jst einc Selbstvcrläug-
nung von Stammeslicbhabcrei schon cin
Opfer das zu groß ist?" — Der Pfälzcr
Abg. Boye zählt flch zu jencn deutschen
Männern, welcke glauben, oaß die deutfche
Eiüheit mit keinem Opfer zu theuer er-
kaüft werden könne, anerkennt aber zu-
gleich, daß nur dnrch cine starke Central-
gewalt im gcsammten Deutschland der
Wunsch nach einer Einigung realisirt wer-
den könne. Redner tritt dem Völk'schen
Antrag entgegeü/ wcil die Regierung ihn
nicht durchführen könne, imd'aiis gleichem
GruNde dem Antrage des Ausfchusses, der
dasselbe, wcnn auch nicht sv hestimmt und

kräftig wie der des Abg. Vökk, aussprcche.
Man dürfe in die Rcgicrung das Ver-
trauen sctzen, daß sie gewiß ihr Möglichstcs
von selbst thun werde. — Abg. vr. Barth
widerlegt dir Befürchtungen, daß der Re-
gierung etwas zugemuthet wcrdc, was sie
nicht leisten könne. Allerdingö spreche dcr
Antrag aus, daß eine Nationalvcrsanim-
lung schon im Jahr 1848 verheißen wor- "
den , nnd diese dcn Angelpnnkt der Hoff-
nungcn des deutschen Volkes bilde; aber
durch diesc Erwähnnng werde die Wahr-
heit nicht verletzt und auch nicht zu weit
gegangen. Zudem sei nicht einmal von
der Schaffung eincr neuen Bundcsgewalt,
sondcrn nur von Stärkung der vorhande-
nen die Rede. Der Baum, den man von
seiner Wurzei trenne, sterbe ab. Die
Kammer, die sich von den Wünschen dcs
Vvlkes trenne, entfremde sich dem Volke.
Ucbcr soiche Dinge könnc man nicht zur
Tagesordnung übcrgchen. — Professor
vr. Edcl bctritt unter allgemeiner Span-
nung die Rcdnerbühne und beginnt: Der
Zug nach Einhcit, der durch das deutsche
Volk geht, werde nicht erlöschen, bis er
sein Ziel erreicht odcr — das Volk un-
tergeht. Namcntlich sei dic Volksvcrtre-
tung am Bunde cin Lieblingsqedanke des
Volkes.

So sehr Alle in Bezug auf das Ziel
übereinstimmen, so wctt weichen sic über
die Art, es zu erreichen, von cinandcr ab.
Die Einen hieltcn dic Zeit beim Heran-
nahen der Kriegsgefahr für gceignct zur
näheren Eim'gung; Andere warntcn aber,
an dcr Bundesverfassung jctzt zu rütteln.
Nach dem Friedcnsschluß habe sich diescs
Verlangen abermals kündgegcben, und
wieder ließen sich dieselben Warnungsrufe
hören. Es wäre zwar sehr zu wünschcn,
daß die Streitigkeiten Zwischcn den beidcn
deutschen Großmächtcn sich ausglichen; aber
der Zeitpunkt scheine noch nicht so nahe,
als ein Vorrcdncr glaubt. Hüte man ssch in
dem gkgenwärtigen Zeitpunkt einen neum
Erisapfel zwischen die zwci Mächte zu
zu werfen; ein solcher wärc aber die Re-
fvrm des Bundes ohne ihre Zustimmung.
„Hüten wir uns (ruft Redner) vor Bür-
gerkrl'eg oder gar. Jntervention. des Aus-
landes." Dic deutsche Einigkcit könne
weder zusammendebsttirt noch zusammen-
geschriebcn wcrdcn. Redner führt die
dcutsche Nationalversammlung an, .die un-
geachtet ihrcm Reichthum an Jnteüigenz
 
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